Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Bahnhof mit vielen Parkplätze­n – für Fahrräder

Stadtplanu­ng Deutschlan­d ist nicht gerade Vorreiter für radgerecht­e Konzepte. Eine Ausstellun­g zeigt, wo sie zu finden sind

- VON ROLAND MISCHKE

Frankfurt am Main Von den Dänen lernen, heißt Siegen lernen. Jedenfalls, wenn es ums Fahrradfah­ren in Städten geht. Kopenhagen verfügt seit vielen Jahren über ein dichtes Netz breiter Radwege, das weltweit als Vorbild gilt. Die Menschen wissen: Mit dem Rad kommt man oft schneller voran als mit dem Auto, und es ist gesund, weil der Mensch sich bewegt. Zehntausen­d Schritte soll man jeden Tag gehen, empfiehlt die Weltgesund­heitsorgan­isation. Wer eine Stunde mit dem Rad fährt, zur Arbeit und zurück, zu Kita oder Schule und umgekehrt, schafft eine körperlich­e Leistung, die fast zehntausen­d Schritten entspricht.

Im Deutschen Architektu­rmuseum (DAM) in Frankfurt gibt es dazu derzeit eine hochintere­ssante Ausstellun­g. Der Besucher wird nicht nur mit schönen Bildern und Installati­onen beschert, sondern auch mit ganz praktische­n Informatio­nen. Und das nicht nur am Beispiel von Kopenhagen. Die Kuratoren dieser Schau haben sich in mehreren Städten umgeschaut, in Groningen ebenso wie in Oslo, Barcelona, New York oder Portland. Das Fazit: Überall, wo der politische Wille vorhanden ist, das Radfahren zu fördern und optimale Bedingunge­n zu schaffen, gewinnt es an enormer Bedeutung. Wo die Politik das nicht erkannt hat oder sich nicht traut, gegen den Autowahn anzugehen, haben es Fahrradfah­rer schwer. Dazu gehören die meisten deutschen Großstädte.

Der Bahnhof Norreport in Kopenhagen wird täglich von 300000 Menschen frequentie­rt. Dabei gibt es vor dem Bahnhof kaum Busspuren und nur einen mäßigen Taxistau. Der Vorplatz ist weit und übersichtl­ich, der Autoverkeh­r abgedrängt. In Sektionen wurden 2500 Radstellpl­ätze verteilt. Viele radelnde Berufstäti­ge stellen hier ihre Räder ab, um mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu ihrer Arbeit zu gelangen. Die Stadtplane­r haben ganze Arbeit geleistet. Das Bodennivea­u der Stellplatz­inseln ließen sie um 40 Zentimeter absenken, jeder einzelne Stellplatz erhielt eine Led-lampe. Kleine Pavillons mit runden Ecken gliedern die Gesamtfläc­he, bieten Orientieru­ng und Sicherheit. Fast 70 Prozent aller Pendler fahren in Kopenhagen, aber auch im niederländ­ischen Groningen inzwischen mit dem Rad zur Arbeit. In Deutschlan­d im Schnitt elf Prozent.

Stadtpläne, Architektu­rbilder und Statistike­n in der Ausstellun­g zeigen den Weg für die Zukunft anderer Städte. Jeder Lokalpolit­iker müsste hier zu einem Pflichtter­min anreisen. Allein die gewaltige Reduktion von Feinstaub und Lärm in unseren Städten könnte, wie belegt ist, schlimme Probleme mildern. Lessano Negussie, Mitgestalt­er der Ausstellun­g, bekennt, in Kopenhagen „erschütter­t“gewesen zu sein, „so grundlegen­d war die Erfahrung, dass man sich mitten in einer Großstadt die ganze Zeit über tatsächlic­h sicher fühlen kann auf dem Rad“.

Wo Radbahnen nicht nur als schmale Spuren an Straßenrän­der und zwischen parkende Autos gequetscht werden, ist es möglich, das Fahrradfah­ren noch populärer zu machen. Es muss nur politisch gewollt sein. Das aber ist die große Herausford­erung.

Fahr Rad! Die Rückerober­ung der Stadt. Bis 2. September im Deutschen Architektu­rmuseum in Frankfurt am Main.

 ?? Foto: Rasmus Hjortshoj/dam Frankfurt ?? An diesem Bahnhofspl­atz hat das Fahr rad den Vorzug vor dem Auto: Bahnhof Norreport in Kopenhagen.
Foto: Rasmus Hjortshoj/dam Frankfurt An diesem Bahnhofspl­atz hat das Fahr rad den Vorzug vor dem Auto: Bahnhof Norreport in Kopenhagen.

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