Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Diese Neuerung lässt aufhorchen
Technik Während der Weltmeisterschaft in Russland dürfen Trainerteams über Smartphones und Tablets kommunizieren. Der nächste Schritt in der Verwissenschaftlichung des Fußballs
Augsburg Dem Fußball wird eine gewisse Schwerfälligkeit nachgesagt, sobald moderne Technik Einzug hält. Skeptiker, meist Nostalgiker oder Romantiker, fürchten, dem Spiel mit Ball und eckigen Toren werde mit jeder Neuerung ein Stück Einfachheit genommen. Den Videobeweis etwa würden die Nörgler am liebsten sogleich wieder abschaffen. Jener steht beispielhaft dafür, dass Technik im Fußball in den kommenden Jahren nicht ab-, sondern eher zunehmen wird.
Ein weiterer Beleg: Ab der WM in Russland erlaubt der Weltverband Fifa während eines Spiels den Einsatz von Headsets, Tablets oder Smartphones. Wie das aussehen kann, demonstrierten die Co-trainer von Bundestrainer Joachim Löw jüngst während des Testspiels gegen Österreich. Auf der Tribüne saß Thomas Sorg, auf der Ersatzbank Thomas Schneider – beide über Funk miteinander verbunden.
Oliver Bierhoff, Sportdirektor des Deutschen Fußball-bundes (DFB), begrüßt diese Entwicklung. Allgemein gilt der 50-Jährige als technikaffin, im März weilte er in Kalifornien, besuchte Google und
Bierhoff ist überzeugt, Big Data spielt eine große Rolle
Apple und machte sich ein Bild davon, wie Trainer in den amerikanischen Profi-ligen während einer Partie kommunizieren.
Bierhoff und der DFB erhoffen sich in Russland einen „technologischen Wettbewerbsvorteil“. Bierhoff prophezeit, digitale Technologien, Big Data oder Künstliche Intelligenz würden künftig eine große Rolle spielen – auch wenn das im traditionellen Fußball die Leute nicht gerne hören würden, ergänzt Bierhoff.
Nachdem in Volleyball, Hockey oder American Football das Tablet an der Seitenlinie längst etabliert ist, zieht nun die Fifa nach, nationale Verbände folgen. Ab der kommenden Spielzeit dürfen auch Bundesligisten auf die Technik zurückgreifen. Derzeit arbeitet die Deutsche Fußball-liga (DFL) die Regeln des Erlaubten aus. Augsburgs Trainer Manuel Baum, ein Taktikliebhaber, rechnet damit, dass sich demnächst auch in der Bundesliga während eines Spiels Trainer über ein Headset miteinander verständigen dürfen.
Bisher lief das beim FCA so ab: Videoanalyst Benedikt Brust zeichnete auf der Pressetribüne Spielszenen auf, eilte in der Halbzeit in die Kabine und versorgte Baum mit In- formationen. „Es ist immer besser, diese Szenen zu visualisieren als an der Taktiktafel zu zeigen“, begründet Baum. Künftig erfolgt die Kommunikation direkter und schneller. Während der WM wird das zu beobachten sein, wenn Sorg auf der Tribüne Eindrücke sammelt und diese über Funk unmittelbar an Schneider weitergibt. Die Co-trainer sind mit Tablets ausgestattet, Löw kann anhand der Erkenntnisse Entscheidungen treffen.
Fca-trainer Baum würde die Technik nutzen, weil er schneller auf taktische Veränderungen beim Gegner reagieren könnte. Denn: Eine Entwicklung der vergangenen Bundesligarunde waren ständige Systemwechsel. Baum spricht von „permanenter Anpassung“.
Nicht nur mit Bildern werden die Trainer versorgt, ebenso mit einer Flut an Daten. Auf Sportstatistiken spezialisiert hat sich unter anderem Opta. Auf deren Daten greifen Teams, aber auch Medien zurück. Über Zahlencodes erfassen die Statistik-nerds jede Handlung eines Spielers und wo diese auf dem Spielfeld stattfindet. In Echtzeit kann auf die Zahlen zugegriffen werden.
Augsburgs Trainer Baum analysiert gelegentlich für den Tv-sender Champions-league-partien. Für ihn entscheidend ist: Sind die Daten aussagekräftig für seine Spielidee? Baum nennt als Beispiel die Laufleistung. Diese sei für ihn „isoliert betrachtet irrelevant“. Der 38-Jährige will nicht wissen, wie viele Kilometer ein Spieler abspult, er will wissen, wie schnell. Baum erläutert: „Wenn ich ein gutes Pressing spiele, muss ich wesentlich weniger, dafür aber mit mehr Tempo laufen.“Zudem hat Baum erstaunt festgestellt, dass in der Bundesliga oft die Mannschaft mit den schlechteren Zweikampfwerten gewinnt. Baum versucht dies zu erklären: „Vielleicht muss man noch stärker