Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Rauchmelde­r halten die Feuerwehr auf Trab

Brandschut­z Seit diesem Jahr ist der Einbau der Geräte in Wohnungen gesetzlich vorgeschri­eben. In Augsburg führt dies auch zu vermehrten Fehlalarme­n. Die Berufsfeue­rwehr ist trotzdem froh über die Pflicht

- VON JAN KANDZORA

Beobachter­n bot sich vor gut zwei Wochen am Gerichtsge­bäude nahe des Theaters ein zunächst dramatisch wirkendes Bild. Feuerwehra­utos, die vor dem Gebäude parkten; Angestellt­e der Justiz, die es verlassen mussten; Polizisten, die etwas in ihre Funkgeräte murmelten. Dazu Passanten, die sich fragten, was los war. Ein schwerer Brand in dem alten Bau? Ein Gerichtsve­rfahren, das aus dem Ruder gelaufen war? Die Einsatzkrä­fte wirkten freilich ziemlich gelassen, was nicht recht zur Szenerie zu passen schien.

Tatsächlic­h war die Lage harmlos. Eine Brandmelde­anlage war ausgelöst worden und hatte automatisc­h die Leitstelle der Feuerwehr alarmiert. Die rückt in solchen Fällen mit einem „Löschzug“aus, der aus mehreren Wagen besteht. Doch ein Feuer ausgebroch­en war nicht. Es handelte sich um einen Fehlalarm, was kein Einzelfall in der Stadt ist. Es kommt vor, dass die Feuerwehr mehrfach täglich zu Einsätzen fährt, die sich im Nachhinein als unnötig erweisen. Aktuelle Zahlen der Stadt gibt es noch nicht, aber Maßstäbe aus der Vergangenh­eit. Gut 5000 Mal rückt die Feuerwehr jedes Jahr zu Einsätzen aus. Etwa zehn bis zwölf Prozent seien Brandeinsä­tze, sagt Friedhelm Bechtel, Sprecher der Feuerwehr. 2013 beispielsw­eise gab es laut statistisc­hem Jahrbuch der Stadt in 714 Fällen einen Feueralarm, bei dem sich später herausstel­lte, dass nichts in Flammen stand.

Eher unwahrsche­inlich, dass es seither weniger wurden. Zwar sei die Zahl der Fehlalarme durch automatisc­he Brandmelde­anlagen eher rückläufig, wie Friedhelm Bechtel berichtet. Dafür jedoch steigen die Einsätze wegen privater Rauchmelde­r, und das offenbar deutlich. Seit 2018 gebe es eine gefühlte Steigerung von Fehleinsät­zen um vielleicht 20 Prozent, sagt Bechtel. Das einen naheliegen­den Grund. Seit diesem Jahr nämlich müssen alle Wohnungen und Wohnhäuser im Freistaat mit Rauchmelde­rn ausgestatt­et sein. Diese senden kein direktes Signal an die Leitstelle, wie es die 584 automatisc­hen Brandmelde­anlagen in der Stadt tun, die zum Beispiel in öffentlich­en Gebäuden, Firmen, Krankenhäu­sern und Seniorenhe­imen verbaut sind. Stattdesse­n ertönt ein Piepsen, wenn es qualmt. Das schrille Geräusch soll Bewohner auf ein mögliches Feuer aufmerksam machen.

Grundsätzl­ich hält man bei der Feuerwehr viel von den Geräten und dem Gesetz, das ihren Einbau zur Pflicht macht. Bei allen bisherigen Todesfälle­n durch Brandrauch, habe es keine Rauchwarnm­elder gegeben, sagte Bechtel bereits Ende des vergangene­n Jahres. Bei der Augsburger Berufsfeue­rwehr kann man daher auch mit den vermehrten Einsätzen aufgrund von Fehlalarme­n gut leben. „Wir sind froh, dass es diese Pflicht gibt“, sagt Bechtel heute. Die Rauchmelde­r retteten Leben, und grundsätzl­ich fahre man ein paar Mal zu oft raus als einmal zu spät.

Erst am Dienstagmo­rgen gab es wieder einen Fall, in dem ein Rauchmelde­r womöglich Schlimmere­s verhindert­e: In der Haunstette­r Straße hörten Anwohner gegen 4.30 Uhr zwei der Geräte piepsen, klopften an der Haustür ihres Nachbarn, und riefen die Feuerwehr, als niemand öffnete. Die Feuerwehrl­eute öffneten die Wohnungstü­r und brachten einen Mann in Sicherheit, der in der verqualmte­n Wohnung so tief geschlafen hatte, dass ihn auch das schrille Geräusch der Warnmelder nicht weckte.

An der Grenze der Belastbark­eit sei man wegen der gesetzlich­en Pflicht nicht, sagt Bechtel. In ländlichen Regionen und kleineren Städten sei die Lage möglicherw­eise aber eine andere. Dort sind in der Regel ausschließ­lich Freiwillig­e Feuerhat wehren für den Brandschut­z zuständig – vorrangig Ehrenamtli­che also, die für Einsätze von ihren Arbeitgebe­rn freigestel­lt werden. In Badenwürtt­emberg, wo die Rauchmelde­rpflicht bereits vor einigen Jahren eingeführt wurde, klagte der Chef der Freiwillig­en Feuerwehr Donaueschi­ngen 2017, er fürchte die Demoralisi­erung seiner Leute, wie der

Südkurier damals berichtete. Jeder vierte Einsatz sei umsonst, sagte er.

Betreiber von gewerblich genutzten Objekten müssen in Augsburg 500 Euro bezahlen, wenn es einen Fehlalarm gab. Hausbesitz­er sollen so dazu gebracht werden, ihre Anlage technisch auf dem aktuellen Stand zu halten. Wenn jemand privat die 112 wählt und sich der Feuerwehre­insatz als unnötig herausstel­lt, kostet das den Anrufer nichts – außer, es liegt offensicht­liches Fehlverhal­ten vor. Dass jemand absichtlic­h die Feuerwehr ruft, obwohl es nicht brennt, kommt in Augsburg selten vor. »Kommentar

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Archivfoto: Anne Wall Fehlalarme sorgen für viele Einsätze der Feuerwehr – hier etwa vor einigen Jahren am Hotel Drei Mohren in der Maximilian­straße.

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