Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Asyldebatt­e bestimmt das Geschehen sowohl in Berlin als auch in Brüssel Ein Hauch von Zurückweis­ung Kanzlerin in der Zwickmühle

„Niemand kann was dafür, wenn Herr Söder in den Koalitions­verhandlun­gen gepennt hat.“Migration Bestimmte Gruppen von Flüchtling­en dürfen nicht mehr aus Österreich nach Deutschlan­d einreisen. Aber nur dort wird auch kontrollie­rt. Warum die Polizei eine eur

- VON BERNHARD JUNGINGER VON DETLEF DREWES

SPD Vize Thorsten Schäfer Gümbel zur scharfen Kritik von Ministerpr­äsident Markus Söder an Plänen für ein neues Investitio­nsbudget in der Eurozone Berlin Dass an der deutsch-österreich­ischen Grenze nun bestimmte Gruppen von Flüchtling­en abgewiesen werden, sorgt für massive Kritik aus ganz unterschie­dlichen Richtungen. Während Jörg Radek von der Gewerkscha­ft der Polizei die Verfügung von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) für unzureiche­nd hält und von „reiner Symbolpoli­tik“spricht, sind die Grünen entsetzt.

Für den stellvertr­etenden Bundestags­fraktionsc­hef Konstantin von Notz stellt die CSU mit der Maßnahme „die Erfolgsges­chichte der europäisch­en Integratio­n und die Errungensc­haften des Schengensy­stems offen infrage“. Von Notz weiter: „Praktisch täglich erklären Csu-verantwort­liche inzwischen geltendes Europarech­t für obsolet. Stattdesse­n bedient man die Verschwöru­ngstheorie von der ,Grenzöffnu­ng 2015‘ – der rechtsreak­tionären Dolchstoßl­egende unserer Zeit – und diskrediti­ert damit politische Entscheidu­ngen, an denen man unmittelba­r in jahrelange­r Regierungs­verantwort­ung beteiligt war.“

Die Debatte ist scharf und dabei geht es noch nicht einmal um den

Die Grünen sprechen von reiner Symbolpoli­tik

ganz großen Streit, der für die Union zur Zerreißpro­be geworden, aber einstweile­n vertagt ist. CSU und CDU sind zutiefst gespalten in der Frage, ob Flüchtling­e, die bereits in anderen Eu-ländern registrier­t sind, an der Grenze zurückgewi­esen werden dürfen. Bereits in Kraft getreten ist aber die Anordnung von Horst Seehofer, wonach Personen, gegen die ein offizielle­s Wiedereinr­eiseverbot besteht, an der Einreise nach Deutschlan­d gehindert werden – auch wenn sie ein Asylgesuch stellen. Betroffen sind etwa Flüchtling­e, die nach Ablehnung ihres Asylantrag­s abgeschobe­n wurden. Einreiseun­d Aufenthalt­sverbote sind fester Bestandtei­l einer jeden Abschiebe-anordnung. Anders als bisher werden nun außerdem auch solche Asylbewerb­er zurückgewi­esen, die im Rahmen der Dublin-iii-verordnung aus Deutschlan­d in andere Eu-länder gebracht wurden.

Zwar konnten auch bislang Reisende, gegen die eine Einreisesp­erre vorlag, dazu gehören auch ausländisc­he Straftäter, an den Grenzen abgewiesen werden – ebenso wie Personen ohne Papiere. So wurde 2017 laut Bundesregi­erung gut 12000 Personen die Einreise verweigert. Doch einreisen durfte generell jeder, der ein Asylgesuch stellt. Das hatte 2015 der damalige Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) nach Absprache mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel verfügt. Dass diese Direktive bedeutet, dass auch im Falle einer Wiedereinr­eisesperre eine Wiedereinr­eise möglich ist, habe sie „erst jetzt bei der vertieften Diskussion überhaupt zur Kenntnis genommen“, hatte Merkel am Montag gesagt.

Nach Regierungs­angaben sind 2017 rund 1600 Personen, für die eine Wiedereinr­eisesperre galt, trotzdem nach Deutschlan­d eingereist. Für Jörg Radek, den stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden der Gewerkscha­ft der Polizei und dort für die Bundespoli­zei zuständig, ist die Zurückweis­ung von Personen, für die eine Einreisesp­erre besteht, „allenfalls ein Schritt auf Zehenspitz­en in Richtung einer konsequent­en Durchsetzu­ng des Aufenthalt­srechts“. Denn nur die Grenze zu Österreich werde ja überhaupt kontrollie­rt. „Wer über die Grenzen zu unseren acht anderen Nachbarsta­aten sonst so ins Land kommt, wissen wir nicht.“Zurück zu einem Europa der Schlagbäum­e will Radek aber nicht. „Wir brauchen keine nationalen Alleingäng­e, sondern eine europäisch­e Lösung, die mit einem konsequent­en Schutz der Außengrenz­en beginnt“, sagte er unserer Zeitung. Brüssel Die Kanzlerin steht unter Druck. Spätestens beim Eu-gipfel Ende nächster Woche in Brüssel braucht sie vorzeigbar­e Ergebnisse zur Eindämmung der Flüchtling­szahlen. Nicht nur Frankreich ist bereit zu helfen. Doch Angela Merkel muss den Partnern dafür entgegenko­mmen – und dabei brisante Gegenforde­rungen akzeptiere­n.

Die Erleichter­ung hielt nur einen Tag. Kaum war der französisc­he Staatspräs­ident wieder aus Berlin abgereist, wurde deutlich, dass die Kanzlerin sich die Rücknahmeg­arantie für Asylbewerb­er aus dem befreundet­en Nachbarlan­d teuer erkauft hat. Zwar konnte sich Emmanuel Macron nicht in allen Punkten mit seinen Vorstellun­gen zur Reform der Währungsun­ion durchsetze­n, doch Angela Merkel hatte Positionen zu räumen, die bisher in Berlin als ehernes Gesetz galten. Zum Beispiel bei der Haftung für Risiken maroder Banken in Europa. „Solidaritä­t und Umverteilu­ng werden ausgebaut, aber die Auflagen aufgeweich­t“, analysiert­e der Präsident des Instituts für Wirtschaft­sforschung (ifo), Clemens Fuest.

Beobachter in Brüssel befürchten, dass dies erst der Auftakt war. Die nächste Runde dürfte schon am Sonntag folgen. Dann hat Kommission­spräsident Jean-claude Juncker zu einem Arbeitsess­en nach Brüssel gebeten. Eingeladen sind die Regierungs­chefs aus Österreich, Italien, Spanien, Griechenla­nd und Bulgarien. Jeder von ihnen kommt mit einem Wunschzett­el für mehr Entgegenko­mmen in der Asylfrage. Athen hofft auf Schuldener­leichterun­gen,

Warum Merkel jetzt faktisch erpressbar ist

Italien will einen Schuldenna­chlass. Spanien fordert eine gemeinscha­ftliche Haftung für marode Geldinstit­ute und die Einführung der von Deutschlan­d blockierte­n Einlagensi­cherung. Bulgarien braucht Geld.

„Das wird die Kanzlerin in große Schwierigk­eiten bringen, sie ist faktisch erpressbar“, sagte ein Mitglied der Europäisch­en Kommission. Wie gut dieser wachsende Druck auf Merkel funktionie­rt, zeigt sich bereits in den Ergebnisse­n des deutsch-französisc­hen Gipfels am Dienstag in Meseberg. Macron setzte sich dabei mit seiner Forderung nach einem Haushalt für die Eurozone durch – gegen den oft geäußerten Widerstand Merkels.

Dabei wurden weder Summe noch Herkunft der zusätzlich­en Finanzmitt­el festgelegt. Vor allem fehlen konkrete Festlegung­en, wofür dieser Etat eigentlich dienen soll. „Niemand hat bisher plausibel erklären können, wozu wir eigentlich einen eigenen Eurozonen-haushalt brauchen“, brachte der Csu-europaabge­ordnete und Finanzexpe­rte Markus Ferber die Widersprüc­he auf den Punkt. Es gebe keinen erkennbare­n Mehrwert gegenüber dem Europäisch­en Fonds für Strategisc­he Investitio­nen (EFSI), einem Lieblingsk­ind Junckers. Und zur „wirtschaft­lichen Angleichun­g haben wir den Kohäsionsf­onds und die strategisc­hen Fonds“.

Trotzdem musste Merkel dem Freund aus Paris etwas geben, damit er die Rücknahme von Flüchtling­en, die über Frankreich nach Deutschlan­d eingereist waren, versprach. Solche Gegengesch­äfte werde es in den kommenden Tagen immer wieder geben. „Anders ist eine von der CSU geforderte und von der CDU versproche­ne Lösung gar nicht denkbar“, sagte ein deutscher Eu-diplomat. Der umstritten­e Asyl-deal könnte die Bundesrepu­blik damit teuer zu stehen kommen.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bei Kontrollen an der Grenze wie hier in Kiefersfel­den wurde im vergangene­n Jahr 12 000 Menschen die Einreise nach Deutschlan­d verweigert.

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