Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Damit Senioren daheim sicher wohnen
Leben im Alter Welche Tipps Experten für die altersgerechte Umgestaltung der eigenen vier Wände geben und wer dabei hilft
Herr Nisseler, Sie beraten ehrenamtlich zusammen mit vier Kollegen in der Stadt Augsburg Bürger über Möglichkeiten der Wohnungsanpassung im Alter und bei einer Behinderung. Sie kommen auf Anfrage auch nach Hause. Was ist Ihr Ziel bei diesen Beratungen? Günter Nisseler: Wir wollen Mitbürger unterstützen, dass diese möglichst lange und selbstbestimmt in ihren Wohnungen oder Häusern leben können. Außerdem soll das Unfallrisiko minimiert werden. Zudem wollen wir Menschen, die andere daheim pflegen, den Alltag erleichtern.
Welche Menschen wenden sich an Sie? Nisseler: Es sind überwiegend Senioren. Ab circa 70 Jahren aufwärts ist bei vielen die Mobilität eingeschränkt. Mein jüngster Fall aber war eine Familie mit einem siebenjährigen Kind, das geistig und körperlich schwerst behindert war. Da musste das Lebensumfeld der Situation angepasst werden.
Wo bekommen Senioren in ihren eigenen vier Wänden Probleme? Nisseler: Das sind natürlich die Treppen. Es geht oft beim Hauseingang los, wo sich meistens schon Stufen befinden. Hier kann man zum Beispiel eine Rampe anbringen. Bei Treppen im Haus kann natürlich ein Treppenlift helfen. Riesen Probleme können aber auch schon Teppiche bereiten.
Nisseler: Teppichläufer bergen eine enorme Sturzgefahr. Oft sind die Brücken schon alt und ausgelatscht und wölben sich. Aber Teppiche sind bei älteren Menschen ein heikles Thema. Da werden Sie als Berater schier verrückt.
Nisseler: Jemanden davon zu überzeugen, einen Teppichläufer aus der Wohnung zu bringen, ist eine wahre Meisterleistung. Oft hängen die Besitzer mit so viel Herzblut daran. Da ist eine Wohnung schneller saniert, als dass man sich von einem Teppich trennt. Nisseler: Oft lauern Stolperfallen an Türschwellen. Auch beim Übergang von Wohnraum zu Balkon oder gibt es in 95 Prozent der Fälle Höhenunterschiede. Die können bis zu 20 Zentimeter betragen. Da kommen die verrücktesten Dinge vor. Aber es gibt sogenannte Schwellenbrücken, die man anbringen kann.
Wieso sind solche vermeintlichen Kleinigkeiten so gefährlich? Nisseler: Im Alter ist man einfach nicht mehr so beweglich. Auch der Gleichgewichtssinn lässt nach. Wenn jemand ins Stolpern gerät, kann er sich vielleicht nicht mehr abfangen. Und Brüche heilen bei älteren Menschen nun einmal nicht mehr so schnell.
Was ist die größte Herausforderung bei der altersgerechten Anpassung einer Wohnung? Nisseler: Schwierig wird es oft beim Bad. 80 Prozent der Menschen, die bei uns anrufen, kommen nicht mehr ohne Hilfe in die Badewanne. Ich empfehle grundsätzlich, die Badewanne durch eine ebenerdige Dusche zu ersetzen, wenn möglich. Dadurch schafft man auch zusätzlichen Platz, was wichtig ist, wenn ein Rollator oder ein Rollstuhl ins Spiel kommt. Man muss schließlich auch weiterdenken und in Betracht ziehen, dass die eigene Mobilität weiter nachlässt.
An was wird bei einer Wohnungsanpassung noch gedacht? Nisseler: Meist sind die Toiletten zu niedrig. Dafür gibt es Sitzerhöhungen oder man baut gleich höhere Toiletten ein. Wichtig sind Haltegriffe, übrigens auch an Waschbeterrasse cken oder in der Dusche. Die sollten aber von Fachleuten montiert werden, weil da ganz schön viel Zug darauf kommt.
Das alles kostet Geld. Gibt es eine Form der finanziellen Unterstützung? Nisseler: Wenn man einen Pflegegrad hat, gibt es je Baumaßnahme bis zu 4000 Euro. Wichtig ist, das erst mit der Pflegekasse abzuklären, bevor man mit einer Baumaßnahme beginnt.
Sie sind einer von fünf qualifizierten Beratern, die von der städtischen Fachstelle Seniorenarbeit vermittelt werden. Was macht ihre Qualifikation aus? Nisseler: Wir wurden extra dafür ausgebildet. Wir haben etwa gelernt, welche Hindernisse es im Wohnraum geben kann, welche Hilfsmittel möglich sind und welche Finanzierungshilfen und Möglichkeiten es gibt.
Was kostet ein Hausbesuch inklusive Beratung von Ihnen oder von Ihren Kollegen? Nisseler: Nichts. Wir ehrenamtlich. machen das
Wird Ihre Hilfe in Anspruch genommen? Nisseler: Die Beratungszahl steigt von Jahr zu Jahr – auch weil wir immer bekannter werden. Im vergangenen Jahr hatten wir 38 Beratungen und 15 Infovorträge. In diesem Jahr sind es bislang schon 18 Beratungen. Dennoch haben manche Menschen Hemmungen, sich bei uns zu melden. Das ist aber falsche Scham.
Kontakt Die Fachstelle Seniorenarbeit der Stadt Augsburg vermittelt Termine mit Beratern wie Günter Nisseler. Die Beratung ist kostenfrei. Telefon: 0821/324 4317 oder 4318. Mail: fachstelle seniorenarbeit@augsburg.de. Außerhalb der Stadt Augsburg können Menschen in ihrem Landratsamt nach Beratern für die Wohnungsanpassung fragen, die ihnen helfen. Außerdem bietet die bayerische Architektenkammer eine kostenlose Erstberatung – weitere Informationen im Internet unter www.byak.de/planen und bauen/bera tungsstelle barrierefreiheit.html
Günter Nisseler ist 63 Jah re alt. Er arbeitet seit drei Jahren in der Wohnungsan passungsberatung der Stadt Augsburg.