Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
20 Jahre Schifffahrt mit drei „f“
Die neue Rechtschreibung bewegt bis heute die Gemüter
Berlin „Grislibär“oder „Majonäse“: Der Anblick so mancher Neuerung war irritierend. Oder wirkte – um es mit den Worten eines Boulevardblatts von damals zu sagen – wie eine „Netzhautpeitsche“. Eher als gewöhnungsbedürftig dürften da noch Fälle wie das dreifache „f“in „Schifffahrt“und das Doppel-„s“in „Kuss“gegolten haben.
Vor 20 Jahren, genauer zum 1. August 1998, wurde die neue Rechtschreibung an Behörden und Schulen eingeführt. Bis heute bewegt sie die Gemüter. Am Anfang stand der Wunsch nach Vereinfachung. Stolpersteine wie die Unterscheidung von „ss“und „ß“sollte es nicht mehr geben. Mancher Vorschlag der Vereinfacher ging dann auch den Reformern zu weit. Die Großschreibung stand zur Debatte, ein Frevel in den Augen der bis heute nicht überzeugten Gegner der neuen Rechtschreibung. Auch doppelte Vokale und die Unterscheidung zwischen „ai“und „ei“wollten einige streichen. Aus dem Boot wäre das Bot geworden, aus dem Kaiser womöglich ein Keiser. Am Ende setzten sich moderatere Kräfte unter den Reformern durch und verhinderten so ein kulturelles Desaster, von dem die Gegner gerne sprachen. Etwa zwei Prozent des Wortschatzes waren von Änderungen betroffen.
Die Wogen haben sich geglättet. „In der Rückschau muss man sagen, es war unheimlich viel Wind um recht wenig“, bilanziert Heinzpeter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Vielleicht auch, weil es eine Reform der Reform gab. Aus dem „Grislibär“wurde wieder der Grizzlybär und aus der „Majonäse“die Mayonnaise. Aber „Schifffahrt“schreibt sich immer noch mit drei „f“.