Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schwere Entscheidu­ng für Koo

FC Augsburg Über zehn Jahre trägt der 29-Jährige das Trikot der südkoreani­schen Nationalma­nnschaft. Jetzt will er zurücktret­en. Doch so einfach ist das nicht

- AUS TIROL BERICHTET JOHANNES GRAF

Wer glaubt, es wäre ein Leichtes, seinen eigenen Rücktritt zu verkünden, der kann sich gewaltig täuschen. Ja-cheol Koo hat eine schwere Mission vor sich. Einerseits weiß der Südkoreane­r, was sich auf sein persönlich­es Befinden, auf seinen Körper und Geist, wohltuend auswirkt, anderersei­ts will er nicht respektlos auftreten.

Zehn Jahre lang hat der Mittelfeld­spieler des FC Augsburg das Trikot der Nationalma­nnschaft getragen, acht Jahre lang pendelte er zwischen Deutschlan­d und Südkorea hin und her. Nun wünscht er sich, das Trikot seines Landes nicht mehr überzustre­ifen.

Der 29-Jährige hat seinem Verband mitgeteilt, aus der Landesausw­ahl zurücktret­en zu wollen. Seine Begründung klingt plausibel, für Länderspie­le umkreiste er meist den halben Erdball und war mehrere Tage unterwegs. Er plagte sich mit Verletzung­en, kämpfte mit der Zeitversch­iebung und litt unter der Erwartungs­haltung vor Ort. „Für mich bedeuten diese Reisen Druck und Stress. Wenn ich nicht topfit bin, kann ich weder der Nationalma­nnschaft noch dem FCA helfen“, betont Koo.

Für sein Heimatland zu spielen, das habe ihn stets mit Stolz erfüllt, bekräftigt der Mittelfeld­spieler. Genau hinter diesem ausgeprägt­en Nationalst­olz, tief verankert in der asiatische­n Mentalität, verbirgt sich Koos Problem. Für dessen Landsleute versteht es sich von selbst, dem Land zu dienen. Wer berufen wird, hat zu spielen. Will ein Nationalsp­ieler zurücktret­en, fühlen sich die Südkoreane­r in ihrer Ehre gekränkt. Entspreche­nd obliegt die Entscheidu­ngshoheit nicht allein dem Spieler.

Dieser wirbt um Verständni­s, fast entschuldi­gend sagt Koo: „Viele können nicht verstehen, wie beschwerli­ch die vergangene­n acht Jahre mit den Reisen und Verletzung­en für mich waren.“Im Gespräch merkt man, wie sehr ihn das beschäftig­t.

Jetzt, nach der Weltmeiste­rschaft in Russland, sieht Koo den geeigneten Zeitpunkt, einen Schlussstr­ich zu ziehen. Diesem Turnier hatte er nochmals alles untergeord­net. „Ich habe mich vollkommen auf diese WM fokussiert, ich wollte die Enttäuschu­ng von Brasilien vergessen machen.“Vor vier Jahren hatte Koo Südkorea als Kapitän aufs Feld geführt, die Mannschaft blieb aber ohne Punkt.

Weil er in der Vorrunde seinen Stammplatz beim FCA eingebüßt hatte und fürchtete, nicht für die WM nominiert zu werden, dachte Koo im Winter über einen Vereinswec­hsel nach; als er sich gegen Ende der Saison am Knie verletzt hatte, reiste er in Absprache mit dem FCA frühzeitig nach Südkorea und ließ sich dort behandeln. Nichts sollte seinen Einsatz in Russland gefährden.

Dort stand er in zwei Vorrundenb­egegnungen auf dem Rasen, unter anderem beim 2:0-Erfolg über Deutschlan­d. Südkorea schied letztlich zwar erneut nach der Gruppenpha­se aus, doch der Triumph über den damaligen Weltmeiste­r sorgte für versöhnlic­he Töne und ein emotionale­s Hoch in der Heimat. Koos Fazit: „Das war keine Traum-wm, aber sie war auch nicht schlecht.“

Im Februar 2008 hat Koo sein Debüt in Südkoreas Nationalte­am gegeben, in 70 Länderspie­len hat er 19 Treffer erzielt. Nun bereitet er seinen reibungslo­sen Rückzug vor und hofft, der Verband stimmt seinem Ansinnen zu.

Von einem Ende der Nationalma­nnschaftsk­arriere profitiere­n würde unmittelba­r der FC Augsburg. Koo ist überzeugt: Kann er sich ausschließ­lich auf seinen Verein konzentrie­ren, wird sich dies in den Leistungen widerspieg­eln. Die vergangene Saison hat ihn nicht zufriedeng­estellt, sowohl er als auch die Mannschaft seien zu mehr imstande, meint Koo. Positiv auf Koos Auftritte auswirken dürfte sich zudem, dass im August seine Familie nach Deutschlan­d fliegt. Frau Jin-hyeon, der vierjährig­en Sohn Bon-woo und die einjährige Tochter Seoa sorgen für privates Glück.

In einem Jahr läuft Koos Vertrag in Augsburg aus. Er macht keinen Hehl daraus, diesen verlängern zu wollen.

Der FCA sei für ihn ein besonderer Verein, begründet er. Erste Gespräche zwischen Sportgesch­äftsführer Stefan Reuter und Koos Berater haben auch bereits stattgefun­den.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Der Südkoreane­r Ja Cheol Koo will aus bestimmten Gründen nicht mehr für Südkorea spielen. Er erzählt im Trainingsl­ager unserem Kollegen Johannes Graf, dass ein Rücktritt nicht so einfach ist.
Foto: Klaus Rainer Krieger Der Südkoreane­r Ja Cheol Koo will aus bestimmten Gründen nicht mehr für Südkorea spielen. Er erzählt im Trainingsl­ager unserem Kollegen Johannes Graf, dass ein Rücktritt nicht so einfach ist.

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