Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein neuer Schlagerstar?
Eben mit Helene Fischer auf Tour, jetzt oft im TV, das Album ein Dauerbrenner: Ben Zuckers Weg führte über Ulm, Hausbesetzung und Klos
S ie waren mit Helene Fischer auf Stadiontournee. Wie war es?
Ben Zucker: Ganz große Klasse. Stadien sind noch mal eine andere Größenordnung als das, was ich bislang gewohnt war, aber ich bin sowieso vor jedem Konzert aufgeregt und denke mir: Warum bist du nicht Bäcker geworden? Wäre das die Alternative gewesen?
Zucker: Nee, ich wollte immer Musiker sein. Musik ist mein Leben, sobald ich auf der Bühne bin, bin ich heiß, und es lief einfach toll.
Vor einem Jahr wusste kaum jemand, wer Ben Zucker ist, und jetzt steht Ihr Album „Na Und?!“seit Ewigkeiten unter den ersten Zehn in Deutschland. Wie nehmen Sie den Rummel wahr?
Zucker: So locker wie möglich. Aber ich bin auch sehr ehrgeizig. Ich habe mir alles nach und nach erarbeitet und will meinen Job natürlich so geil wie möglich machen. Musik ist mein Herzschrittmacher, ich bin auch einfach tierisch glücklich, dass jetzt alles so gut funktioniert. Heute Morgen kam der Postbote und wollte ein Selfie mit mir machen. Ich bekomme schon mit, dass die Erscheinung „Ben Zucker“immer größer wird. Stimmt die Legende mit dem Kloputzer eigentlich wirklich? Zucker: Doch, das ist wirklich wahr. Ich war mir für nichts zu schade, habe aber schon geguckt, dass ich mir diese Jobs innerhalb der Musikwelt suche. Ich habe also lange als Backstage-betreuer in der Arena Treptow in Berlin gearbeitet, da fanden früher Konzerte statt mit Coldplay, Avril Lavigne oder Bob Dylan. Ich habe die Räumlichkeiten sauber gehalten, darunter auch das Klo, und habe darauf geachtet, dass die Künstler alles haben. Wenn ich die Halle nach dem Konzert ausgefegt hatte, habe ich mich oft mit meiner Gitarre auf die Bühne gesetzt und mir vorgestellt, wie es ist, dort zu spielen. Ich wollte es schaffen, und mir die Großen anzugucken, hat mich enorm angespornt. Spricht man einen Chris Martin dann auch mal an?
Zucker: Nein, das wird nicht gern gesehen und fällt aus. Auch wenn die Stars ganz nett sind, gehst du nicht hin und sagst „Ich mache auch Musik, willst du meine CD mitnehmen?“Außer „Bitte, Danke, Tschüss“spricht man nicht viel. Chris Martin habe ich einmal auf dem Klo getroffen, als ich den Mülleimer ausgeleert habe.
Hat er was gesagt?
Zucker: „Hey“, hat er gesagt. Sonst nichts. Als Putzmann führst du nicht die großen Gespräche.
Hat Sie diese Arbeit geerdet?
Zucker: Ich bin so oder so ein erdiger Typ. Ich mache mir nichts aus Prominenz. Ich könnte jetzt im Urlaub auch auf die Malediven fliegen, aber ich fahre lieber an die Ostsee. Ich bin in Ueckermünde geboren, und fühle mich an der Küste in Mecklenburgvorpommern im Sommer perfekt aufgehoben. Strandkorb, Bierchen in der Hand, meine Jungs um mich herum, das ist das Allerschönste.
Welche Jungs?
Zucker: Ich habe vier enge Freunde aus Kindertagen und zwei aus den letzten zehn Jahren. Zusammen unternehmen wir gerne was.
In Ihrem Hit „Na und?!“geht es um eine Frau, mit der Sie zusammen waren, letztlich scheiterte die Beziehung aber. Woran?
Zucker: Am Geld. Ich war damals der kleine Musiker, der sich durchschlug und von 3,50 Euro die Stunde lebte, und sie ist eine Unternehmerin in meinem Alter mit ganz vielen Angestellten. Überhaupt ohne Kohle eine Frau zu erobern, ist schon eine Mammutaufgabe und mit viel Stress verbunden. Und auch wenn es anfangs zwischenmenschlich super harmonierte, ließen die Spannungen nicht auf sich warten. Sie war es gewohnt, schick essen zu gehen, ich war eher der Typ Fertigpizza. Und dann die Außenwirkung: Erfolgreiche Unternehmerin mit komischem Musiker, den kein Schwein kennt. Das hat uns aufgefressen, und schließlich ist die Liebe daran gescheitert. Wir haben beide gelitten und es nicht begreifen können, dass das Geld unsere Liebe zerstört.
Sind Sie neu verliebt?
Zucker: Nö. Ich bin Single. Sie haben mal gesagt, Sie verlieben sich ständig …
Zucker: Ich habe sagen wollen, dass ich schnell von einer Frau begeistert bin. Zum Verlieben gehört aber noch einiges mehr. Wenn ich ein Mädel kennenlerne, dann spinne ich mir die schönsten Traumfantasien zusammen, und ich kann die Zweisamkeit auch echt genießen. Aber es ebbt bei mir auch schnell wieder ab.
Hört sich aber nicht so schön an. Zucker: Ich sehne mich nach der Liebe, das ist wahr. Andererseits bin ich momentan so eingebunden und so auf meine Karriere fokussiert, dass es eh schwierig würde. Mein Terminkalender hängt am Kühlschrank, und der ist die nächsten zwei Jahre so gut wie voll. Jetzt in aller Aufrichtigkeit eine Beziehung zu führen und eine Frau zu lieben, das wäre einfach unfair.
Ihre Musik ist irgendwo zwischen Schlager, Pop und Rock, wobei ihre markante, raue Stimme eine Besonderheit ist. Wie sehen Sie sich selbst, als Schlagersänger oder eher als so eine Art junger Peter Maffay?
Zucker: Das ist mir völlig egal. Dieses Bild nach außen, ob ich jetzt Rockschlager oder Schlagerrock oder was auch immer mache, das interessiert mich nicht so. Ich mache Musik für mein Publikum, und das ist ziemlich bunt gemischt. Ich habe das Rad nicht neu erfunden, und freue mich einfach, dass die Leute mittlerweile Geld bezahlen, um mich zu hören und meine Lieder mitzusingen.
Ab wann hatten Sie diese Stimme?
Zucker: Das ging so mit 14 los. Damals habe ich zusammen mit meinem Vater erste Songs gecovert, „Rape Me“von Nirvana, „Heart Of Gold“von Neil Young zum Beispiel, später kam unser Jugendklubleiter und meinte: Mensch, woher kannst du denn so singen? Also, ich rauche, seit ich 17 bin, und ich trinke sehr gern Whiskey, doch die Stimme hatte ich vorher schon.
Es heißt, Ihre Eltern seien Hausbesetzer gewesen. Hat Sie das politisch geprägt?
Zucker: Ich bin politisch interessiert, lasse in meiner Musik die Politik allerdings komplett außen vor. Und die Wahrheit ist etwas nüchterner. Meine Eltern, mein zwei Jahre jüngerer Bruder und ich, der damals fünf war, sind 1989 aus Ost-berlin, wo wir lebten, in den Westen abgehauen. Wir schliefen im Wald und kamen irgendwann im Flüchtlingslager an, in Laichingen bei Ulm. Dort haben wir gelebt und dachten „Cool, im Westen ist alles lauter und bunter“, meine Mutter ist Krankenschwester, mein Vater Krankenpfleger, die haben auch sofort Arbeit gefunden. Nach einem Jahr fingen wir an, Berlin zu vermissen und sind zurückgegangen. Dort fanden wir aber nicht gleich eine Wohnung.
Sondern habt eine besetzt?
Zucker: Sozusagen. Eine Freundin von meiner Mutter wohnte in der Oranienburger Straße in Mitte, damals waren alle vom Osten in den Westen gegangen und haben ihre Buden einfach so stehen lassen. Die Freundin kannte den Hausmeister, der hat uns die leer stehende Wohnung aufgeschlossen, und wir haben da eine Weile gewohnt. Das kann man jetzt „besetzen“nennen, aber ohne politischen Anarcho-hintergrund.