Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Merkels späte Einsicht

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Angela Merkel hat ja recht: Das europäisch­e Asylsystem funktionie­rt nicht. Die Dublin-regeln – würden sie denn konsequent beachtet – sind bequem für Deutschlan­d. Doch sie überforder­n die wenigen Länder, in denen die meisten Flüchtling­e erstmals die Europäisch­e Union betreten. Und so haben Italien, Griechenla­nd oder Spanien quasi aus einem Gefühl von Notwehr hunderttau­sende Menschen mehr oder weniger unregistri­ert „weitergere­icht“. Viele von ihnen zogen nach Deutschlan­d. Die Asylpoliti­k der Bundesregi­erung – so humanitär sie auch ist – hat also dazu beigetrage­n, dass die geltende Rechtslage ausgehebel­t wurde.

Warum die Kanzlerin so lange gebraucht hat, um das Offensicht­liche einzugeste­hen, bleibt ebenso unbeantwor­tet wie die Frage, was aus ihrer späten Einsicht folgt. Klar ist: Europa braucht ein gerechtere­s System für die Aufnahme von Flüchtling­en und Angela Merkel ist mehr denn je gefordert, die Partner in der EU mit ins Boot zu holen. Das wird angesichts der frustriere­nd geringen Solidaritä­t in Europa schon schwierig genug. Solange sich die Gegner der Kanzlerin aber auf geltendes Recht berufen können, ist es sogar unmöglich.

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