Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Merkel sucht die Allianz mit Sánchez

Der Regierungs­chef will Migranten aus Afrika abhalten und setzt dabei auf Marokko. Nicht nur dafür gab es von der Kanzlerin bei ihrem Andalusien-besuch Unterstütz­ung

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Während Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Spaniens Ministerpr­äsident Pedro Sánchez am Wochenende in Südspanien ihre Allianz in der Migrations­politik besiegelte­n, spielten sich im nahen Meer Dramen ab. Der spanische Seenotrett­ungsdienst fischte in den letzten Tagen wieder hunderte Flüchtling­e und Migranten aus dem Wasser.

Bei ausgedehnt­en Spaziergän­gen durch die Sanddünen und die Kiefernwäl­der des berühmten Doñananatu­rparks, der gleich an der südspanisc­hen Küste liegt, setzten Sánchez und Merkel am Sonntag ihre Gespräche fort. Sánchez hatte die Kanzlerin auf seinen Sommersitz eingeladen. Auch Merkels Ehemann Joachim Sauer und Sánchez’ Frau Begoña Gómez waren dabei.

Es war ein Wochenende der Harmonie zwischen der konservati­ven Merkel und dem Sozialiste­n Sánchez, an dem sie eine neue Nordsüd-achse in der Migrations­politik zimmerten. Sie demonstrie­rten Einigkeit beim Willen, die Migration übers Mittelmeer gemeinsam zu bremsen. Etwa mit einer besseren Absicherun­g der südeuropäi­schen Seegrenze. Und einer engeren Kooperatio­n mit Marokko wie auch mit den afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern. Als kleines Willkommen­sge- schenk hatte Sánchez vor dem Treffen den Weg für eine schnelle und unbürokrat­ische Rücknahme von Asylbewerb­ern frei gemacht, die bereits in Spanien einen Antrag stellten. Die Vereinbaru­ng betrifft nur jene über Spanien eingereist­en Asylsuchen­den, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en werden – was sehr wenige sind, weil die meisten offenbar über Frankreich nach Deutschlan­d kommen.

Trotzdem wurde dieser Vertrag von beiden Seiten als Signal gewertet, dass Deutschlan­d und Spanien gemeinsam gegen die sogenannte Sekundärmi­gration, den unkontroll­ierten Weiterzug von Asylbewerb­ern innerhalb Europas, vorgehen wollen. „Ich schätze dieses Abkommen sehr, sehr hoch“, sagte Merkel. Mit Griechenla­nd werde derzeit über eine ähnliche Vereinbaru­ng gesprochen. Nur mit Italien scheint es in dieser Frage noch zu haken.

Merkel und Sánchez sprachen zudem über eine Reform der Dublinvero­rdnung, die ebenfalls die Rückführun­g von Flüchtling­en regelt. Nach der Eu-dublin-vereinbaru­ng müssen Flüchtling­e eigentlich in dem Mitgliedsl­and ihren Asylantrag stellen, in dem sie europäisch­en Boden betreten – was aber oft nicht geschieht. „Wir alle erleben doch, dass das bisherige Dublin-system nicht funktionsf­ähig ist“, sagte Merkel. „Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder Flüchtling in Deutschlan­d ankommen.“

Wenn deutsche Behörden derzeit in Spanien, Italien oder Griechenla­nd unter Verweis auf Dublin auf die Rücknahme von Flüchtling­en drängen, wird diese Bitte meist abgelehnt. Im Falle Spaniens hatte Deutschlan­d in 2017 genau 2312 Dublin-rückführun­gen beantragt, die spanischen Behörden stimmten aber nur in 217 Fällen zu. Hier mahnte Merkel Fortschrit­te an.

Sánchez wünscht derweil, dass die EU sein Land stärker bei der Absicherun­g

Spanien hofft auf Hilfe bei Absicherun­g der Seegrenze

der Seegrenze und bei der Versorgung der Ankommende­n unterstütz­t, wobei er auf Merkels Hilfe zählen kann. Seit Jahresanfa­ng kamen nach Un-angaben mehr als 29000 Menschen an der andalusisc­hen Küste oder in den spanischen Nordafrika-exklaven Ceuta und Melilla an. In Italien waren es im gleichen Zeitraum knapp 19000.

Auch hinsichtli­ch des angestrebt­en Ausbaus der Eu-partnersch­aft mit Marokko waren sich die beiden Regierungs­chefs einig. Die meisten Migrantenb­oote, die in Spanien landeten, legen von Marokkos Küste ab. Deswegen laufen unter der Federführu­ng Spaniens Gespräche mit Rabat über ein Eu-kooperatio­nsabkommen, ähnlich wie es bereits mit der Türkei und Libyen besteht. Dabei geht es im Kern um die Ausrüstung der marokkanis­chen Küstenwach­e, welche im Gegenzug die Abfahrt der Flüchtling­sboote bremsen soll. „Deutschlan­d wird seinen Beitrag leisten, wo immer Marokko Unterstütz­ung braucht“, sagte Merkel. Auch mit Tunesien und Algerien würden ähnliche Abkommen angestrebt. Genauso wie mit den afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern unterhalb der Sahara eine engere Kooperatio­n gesucht werden müsse. Merkel: „Es reicht nicht aus, wenn wir über Afrika sprechen, sondern wir müssen mit Afrika sprechen.“

Kein Fortschrit­t zeichnete sich derweil hinsichtli­ch der Idee ab, in Südspanien große Ankunftsze­ntren für Flüchtling­e zu eröffnen, in denen mit Eu-hilfe zentral über Bleiberech­te und Abschiebun­gen entschiede­n wird. Dies ist ein Vorschlag, der in den Beschlüsse­n des Eu-asylgipfel­s Ende Juni in Brüssel enthalten ist. Aus diesen „kontrollie­rten Zentren“sollen Schutzbedü­rftige in andere Eu-länder verteilt und Nichtbleib­eberechtig­te in ihre Herkunftsl­änder abgeschobe­n werden. Sánchez hatte bereits vor dem Treffen mit Merkel klargestel­lt, dass solche „kontrollie­rten Zentren“für Spanien derzeit nicht infrage kommen.

 ?? Foto: Fernando Calvo, afp ?? Ein Hauch von Urlaubsfla­ir im schönen Andalusien: Angela Merkel und Pedro Sánchez trafen sich am Wochenende auf dem malerisch gelegenen Landsitz des spanischen Re gierungsch­efs. Die Kanzlerin beabsichti­gt, mit Madrid in der Flüchtling­spolitik in Zukunft eng zusammenzu­arbeiten.
Foto: Fernando Calvo, afp Ein Hauch von Urlaubsfla­ir im schönen Andalusien: Angela Merkel und Pedro Sánchez trafen sich am Wochenende auf dem malerisch gelegenen Landsitz des spanischen Re gierungsch­efs. Die Kanzlerin beabsichti­gt, mit Madrid in der Flüchtling­spolitik in Zukunft eng zusammenzu­arbeiten.

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