Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Brechtig feiern
Zum fünften Mal gibt es die Brechtmeile
Nicht nur Brechts Elternhaus Auf dem Rain 7, auch die beiden Wirtshäuser gegenüber, „Brecht’s Bistro“und „Drunken Monkey“waren Teil des kleinen, zweitägigen literarischen Festes von Stadt und Regio Augsburg zu Ehren Bertolt Brechts. Schauspielerin Karla Andrä brachte am Samstag 15 Gäste mit einem charmanten Stationen-theater Leben und Schaffen des Dichters näher.
Im hinteren Teil des Erdgeschosses eröffnete die Regio eine kleine Extraschau. Die Witwe des Augsburger Künstlers Erich Wilhelm (1942–2006), Walthraud Vogelwilhelm, hat 17 Grafiken ihres Mannes zur Verfügung gestellt. Wilhelm zog mit 19 Jahren von Wien nach Augsburg und gehörte zu den stillen Kreativen. Er arbeitete als Grafiker bei der Mediengruppe Pressedruck und war in den 1990ern bekannt für die Gestaltung des Brecht-buchs von Peter Dempf, Uta Fuchs-prestele und Armin Strohmeyr. Die Collagen stammen aus den Jahren 1994 bis 1996. Sie zeigen Brecht-porträts, verschnitten mit Fotografien von Augsburg in Trümmern. Rot dominiert. Etwa 50 weitere Arbeiten mit Brechtbezug schenkte Vogel-wilhelm den Kunstsammlungen.
Bei den Kurzprogrammen des Fests standen die etwa 50 Zuschauer bis auf die Gasse. Sie folgten der Revue von Lena Weixler (Gesang) und Stephanie Knauer (Klavier). Mit ihrer ausbaufähigen Altstimme und sichtbarem Spaß am Schauspiel interpretierte die 19-Jährige laszive Lieder und politische Gedichte. Bühnenpräsenz ist kein Fremdwort für sie.
Auch Heinrich Schiller setzte für den Gedicht-vortrag seiner Frau Sybille Schiller das neue Klavier im Brechthaus ein. Brechts Buckower Elegien verknüpfte die Kulturjournalistin mit Werken seines Zeitgenossen Rainer Maria Rilke aus „Mariendorfer Tagebuch“und „Stunden-buch“. Beide Dichter treiben in dieser Auswahl auf ihre Seelentiefen zu. Es geht um Herbst, Krieg und Abgründe. Die Buckower Elegien, die Brecht 1953 verfasste, kommentieren die Folgen des Arbeiteraufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR. Sybille Schiller erlebte die Niederschlagung durch die sowjetische Armee als Sechsjährige in Magdeburg, wie sie vor ihrem Vortrag erzählt. „Brecht befürwortete den sowjetischen Eingriff, mahnte jedoch die SED zu Aussprache und Versöhnung“, erklärt sie.
Erstmals beteiligte sich mit der Barfüßer Kirche auch der Konfirmationsort Brechts an dem Fest. Zu später Stunde stieg Auf dem Rain noch ein besonderer Gig: Spontan und in voller Tracht legten die Jungs vom Schlossberger Valley, die sich zufällig auf Vereinsausflug befanden, einen lautstarken Marschplattler hin. Brecht hätt’s gefallen.