Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mann, der Weinstein zu Fall brachte

Porträt Ronan Farrow hat den Filmmogul mit seiner Recherche demontiert. Der Sohn von Woody Allen gilt als Wunderkind – und hat eine dramatisch­e Familienge­schichte

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Wenn Journalist­en über Ronan Farrow schreiben, dann klingt es oft, als sei er geradewegs einem Märchen entsprunge­n, einer Geschichte, in der das Gute am Ende über das Böse siegt. In jenen Texten ist Farrow der „Rächer von Hollywood“oder der „Junge mit dem goldenen Haar“. Das amerikanis­che Magazin

Hollywood Reporter porträtier­te den 30 Jahre alten Journalist­en Anfang des Jahres als nahezu überlebens­großes Wunderkind. Der Titel der Geschichte: „The Prince Who Torched The Castle“, der Prinz, der das Schloss in Brand gesteckt hat.

Das Schloss ist in diesem Fall wohl Hollywood. Denn Farrow war es, der vor gut zehn Monaten mit einem Artikel den Fall Weinstein ins Rollen gebracht hatte – und damit die Welt erschütter­te, in der er einen großen Teil seines Lebens verbracht hat. Der Reporter ist der Sohn von Regisseur Woody Allen und Schauspiel­erin Mia Farrow.

Farrows frühe Kindheit war dramatisch. Vier Jahre war er alt, als seine Mutter Woody Allen verließ. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Allen eine Affäre mit seiner Adoptivtoc­hter und heutigen Ehefrau Soon-yi hat. Trotzdem, hat Farrow einmal erzählt, habe er eine wunderbare Kindheit gehabt. Eine wunderbare Mutter, eine wunderbare Familie. Neben 13 Geschwiste­rn, die zum

Teil aus Entwicklun­gsländern adoptiert wurden, sei es nahezu unmöglich gewesen, sich zu einem egozentris­chen Menschen zu entwickeln.

Wenn Farrow über seine Kindheit spricht, skizziert er sich gern als leicht seltsamen Jungen, der ernste Gespräche mit den Lehrern führte und unter jedem Stein nach Würmern suchte. Er übersprang einige Klassen, wechselte mit elf Jahren aufs College. Mit 16 studierte er Jura in Yale und reiste für Unicef durch Afrika. Bei einem Trip durch den Sudan zog er sich eine Knochen-infektion zu und verbrachte vier Jahre im Rollstuhl und auf Krücken. Trotzdem trat er mit 18 seinen ersten Job als Anwalt an, mit 21 begann er, im Us-außenminis­terium zu arbeiten. Diese Zeit hat er im Buch „War on Peace“verarbeite­t, das in dieser Woche auf Deutsch erschienen ist.

Später wechselte Farrow in den Journalism­us. Sein Spezialgeb­iet sind intensive Recherchen. Für seinen Weinstein-artikel hat er über 300 Interviews geführt. Nach der Veröffentl­ichung des Textes, für den er den Pulitzer-preis bekommen hat, wurde er verfolgt, erhielt Todesdrohu­ngen. Immer wieder wird ihm vorgehalte­n, mithilfe des Artikels auch mit einem anderen Mann abzurechne­n: seinem Vater. Farrows Schwester Dylan hat Woody Allen mehrfach beschuldig­t, sie als Kind missbrauch­t zu haben. Einen direkten Zusammenha­ng zwischen diesem Fall und seinen Recherchen will Farrow nicht ausmachen. Aber, hat er dem Spiegel erzählt, er habe dadurch früh verstanden, wie mächtige Männer ihre Macht missbrauch­en „und versuchen, Frauen zu verleumden und letztlich zu zerstören“.

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Foto: dpa

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