Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Eine Mauer wird nicht gebaut
Weshalb das Berliner Kunstprojekt scheiterte
Berlin Es war ein Projekt der Superlative: Vier Wochen lang wird eines der vornehmsten Areale Berlins rund ums Kronprinzenpalais mit einer Mauer abgeriegelt. Sie entsteht aus 420 tonnenschweren Betonelementen. Dahinter sollen bis zu 3000 Menschen täglich erleben können, wie sich eine Diktatur anfühlt. Beteiligt waren prominente Künstler wie der Filmemacher Tom Tykwer und die Performerin Marina Abramovic. Jetzt sind die hochfliegenden Pläne des russischen Filmemachers Ilya Khrzhanovsky krachend gescheitert. Die Berliner Verwaltung hat dem Projekt „DAU Freiheit“die Genehmigung verweigert. Aus Sicherheitsgründen, wie sie sagt.
Eine neue Provinzposse aus der Hauptstadt? So einfach ist es nicht. Seit der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg und dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt sind die Behörden bei der Genehmigung von Großveranstaltungen besonders vorsichtig. Niemand will riskieren, dass es aus Nachlässigkeit zu einem neuen Unglück kommt. Und so lautet das Fazit der Berliner Behörden: „Dem Veranstalter war es nicht möglich, einen sicheren Ablauf der Veranstaltung zu garantieren.“Tatsächlich werden die Veranstalter auf ihr eigenes Konto nehmen müssen, dass sie, vorsichtig gesagt, recht blauäugig an die Sache herangegangen sind. Statt wie üblich etwa ein Jahr für das Genehmigungsverfahren zu veranschlagen, sollte alles in zwei Monaten über die Bühne gehen. Zudem kamen, so die Behörden, Unterlagen zu spät oder gar nicht.
„Allem Anschein nach haben die Veranstalter die Komplexität ihres Vorhabens komplett falsch eingeschätzt“, sagt die Vorsitzende im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses, Sabine Bangert. „Schade, es wäre sicherlich ein spannendes Projekt geworden.“Das sehen freilich längst nicht alle Berliner so. Denn selten hat ein Kulturereignis die Gemüter so gespalten wie dieses. Darf man in einer Stadt, die fast drei Jahrzehnte unter Trennung, Mauer und Stacheldraht gelitten hat, diese unselige Situation als „Eventspielzeug“nutzen, fragen die einen. Es gehe nur darum, mit den Mitteln der Kunst die allseits wachsende Bedrohung der Freiheit deutlich zu machen, sagen die anderen.
Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja doch noch dazu. Denn mit einem längeren Vorlauf und an einem anderen Ort könnten die Veranstalter womöglich bessere Chancen auf grünes Licht haben. Und die 6,6 Millionen Euro, mit denen die in London ansässige Stiftung des russischen It-unternehmers Sergei Adoniev das Projekt finanziert, geben ihnen Spielraum. Zunächst wollten sie allerdings den Ablehnungsbescheid prüfen.