Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er gibt Frauen die Würde zurück
Denis Mukwege hat mehr als 20000 Vergewaltigungsopfer operiert
Kapstadt Allzu oft geschehen die Verbrechen im Osten Kongos ohne großes Medienecho, Opfer systematischer Vergewaltigungen erleben ein stilles Leid. Besonders in diesen nachrichtenreichen Zeiten, in denen viele Menschen zunehmend Mühe haben, sich für Nachrichten zu interessieren, die sie nicht unmittelbar betreffen. Wenn über Afrika gesprochen wird, geht es meist um Flüchtlinge, während sich im Kongo nach wie vor einige der schlimmsten Verbrechen abspielen, zu denen der Mensch fähig ist. Nun lenkt das Nobelkomitee den Fokus der Weltöffentlichkeit auf den Kongo. Der Gynäkologe Denis Mukwege wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er widmet seine Kraft den verletzlichsten Opfern immer neuer Konflikte im Kongo, die seit Jahrzehnten andauern.
Über 20000 Frauen haben Mukwege und sein Team operiert, um Verletzungen durch Vergewaltigungen zu heilen. Besonders im Osten des Landes werden Vergewaltigungen als systematische Kriegswaffe rivalisierender Rebellen angewendet, um Familien und Gemeinschaften zu entzweien. Oft werden Väter, Partner und Kinder sogar gezwungen, bei dem Verbrechen zuzuschauen.
20 000 – manchmal sind Zahlen zu abstrakt, um Leid eine Dimension zu geben. „Vergewaltigungen zerstören Frauen in einem Ausmaß, das nicht mehr beschreibbar ist“, sagte der 63-jährige Arzt in einem Interview mit der Zeitung Guardian. Die Frauen würden als gebrochene Menschen in seinem Krankenhaus ankommen. „Sie warten auf den Tod, verstecken ihre Gesichter. Oft können sie nicht sprechen, gehen oder essen.“Die jüngste Patientin, die er behandelt hat, war zwei Jahre alt. Die älteste 80.
Vor knapp zwei Jahrzehnten hat Mukwege das Krankenhaus mit der Hilfe von Spendern und der evangelischen Kirche gegründet. Es muss schrecklich sein, teilweise die gleichen Patientinnen mehrfach operieren zu müssen, wenn sie erneut Opfer des gleichen Verbrechens geworden sind. Der Arzt aber zieht seine Kraft aus dem Überlebenswillen vieler Frauen. „Wenn man diese Entschlossenheit in einem Menschen sieht, der zerstört werden sollte, dann möchte man an seiner Seite kämpfen“, sagte der Mann, der in Burundi und Frankreich studiert hat. Auch er selbst blieb von Rückschlägen nicht verschont: Seine erste Klinik war zerstört worden.
In der Nähe seines neuen Krankenhauses hat er eine Bildungsstätte eingerichtet, in der Frauen einfaches Handwerk lernen. Viele von ihnen müssen nach dem Verbrechen wirtschaftlich eigenständig werden, da sie von ihren Familien und Ehemännern verstoßen werden. Das Verbrechen dauert relativ kurz, sein Schrecken aber währt lebenslang – nicht selten auch durch die Übertragung des Hi-virus während der Vergewaltigung. Mukwege ist nicht nur Arzt, der charismatische Mediziner versteht sich auch als Sprachrohr der Bevölkerung. Ausdauernd kritisiert er die Ignoranz, mit der die internationale Gemeinschaft die Konflikte im Kongo begleitet.
Wenige Tage vor den überfälligen Wahlen im Kongo soll der Preis überreicht werden. Man wird Mukweges Engagement preisen. Der mehrfach nominierte Arzt wird zuhören, sich bedanken. Aber dann wird er nach neuen Taten Ausschau halten.
„Wenn man diese Entschlossenheit in einem Menschen sieht, der zerstört werden sollte, dann möchte man an seiner Seite kämpfen.“
Denis Mukwege