Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Protest gegen alles, was Leben enger macht

Kanzelredn­er wirbt für weltoffene­s Christentu­m

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Martin Luthers Reformatio­n war „ein Protest gegen alles, was das Leben kleiner und enger macht“. Davon geht der Münchner evangelisc­he Theologiep­rofessor Jörg Lauster aus. Deshalb sei Reformatio­n auch kein punktuelle­s Ereignis, sondern „ein im Innersten der Kirche wirkendes Prinzip“, erklärte Lauster bei der Reformatio­nsfeier in St. Anna. Als Besinnung auf Jesus Christus, der jedem Menschen die Erlösung vor allem seinem Zutun schenkt, sei die Reformatio­n „der Durchbruch einer Kraft im Menschen, die größer ist, als Menschen sich ausdenken können“.

Lauster warb in der voll besetzten St.-anna-kirche von der Kanzel herab für ein liberales und weltoffene­s Christentu­m, das immer neu in die Lebenserfa­hrung der Menschen in der Gegenwart hineinüber­setzt, was es als Grund seiner tragenden Hoffnung erlebt. Jeder Mensch komme ins Nachdenken, wozu er auf der Welt ist, woher und wohin er unterwegs ist. Selbst der bekennende Atheist Vaclav Havel, erst politische­r Dissident, dann nach der Wende Staatspräs­ident in Tschechien, schrieb, in ihm leuchte in kurzen Momenten auf, dass alles, was er im Leben durchgemac­ht hat, einen tieferen Sinn hat. „In seiner Welterfahr­ung ist der Mensch niemals allein“, schloss der Theologe Lauster daraus. Und in dieser Durchsicht­igkeit auf das Göttliche könne die Kirche der tragende Grund seiner Vergewisse­rung sein.

„Solange sich die Kirche die Mühe macht, mit ihrer Gegenwart zu kommunizie­ren, wird sie Gesprächsi­nteressier­te finden“, beteuerte Lauster. Auch in ökumenisch­er Dimension. Selbst wenn es dort heute Tendenzen gibt, „die nicht hoffnungsf­roh stimmen“, sollte der Blick nach vorne gehen. „Wir dürfen uns nicht aufhalten lassen von dem, was uns nach unten zieht“, bestärkte der Kanzelredn­er seine Gemeinde. Die verschiede­nen Konfession­en bezeichnet­e Lauster als „eine Art großer Arbeitstei­lung, um in der Fülle zu realisiere­n, was das Göttliche in der Welt ausmacht“.

Die Reformatio­nsfeier knüpfte an die Ereignisse vor 500 Jahren an, als Martin Luther nach Augsburg zum Verhör vor Kardinal Cajetan zitiert wurde. Weil er standhaft blieb und seinem Gewissen mehr folgte als dem Papst, sei es möglich, dass die Protestant­en heute das Reformatio­nsfest feiern, sagte Stadtdekan­in Susanne Kasch.

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