Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Merz und die CSU: zwischen Liebe und Verrat
Der Mann, der Angela Merkel beerben will, kam einst mit bayerischer Hilfe ins Amt als Unionsfraktionschef. Doch an einem entscheidenden Morgen vor 16 Jahren ließ ihn Edmund Stoiber hängen
Berlin Friedrich Merz greift nach dem Cdu-vorsitz und weckt damit nicht nur in der eigenen Partei große Hoffnungen. Auch in der CSU, der bayerischen Schwester, genießt Merz viele Sympathien. Nicht wenige Christsoziale wünschen sich den 62-jährigen Sauerländer gar als Kanzlerkandidaten der Union. Vieles, wofür Merz steht, passt auch zum inhaltlichen Profil der CSU. Doch die Geschichte, die Friedrich Merz und die CSU verbindet, ist keine einfache. Sie handelt von großer Liebe, aber auch von Enttäuschung, manche sagen gar: Verrat.
In den Ereignissen, die die vielversprechende politische Karriere von Friedrich Merz zunächst befördert und dann zu ihrem – vorläufigen – Ende gebracht haben, spielen Csu-politiker eine entscheidende Rolle. Es gibt nicht mehr allzu viele Personen, die sich noch an die Details erinnern können. Einige, die damals schon die Geschehnisse mitbestimmten, reden nur unter der Bedingung, dass ihre Namen nicht genannt werden. Alle Schilderungen kreisen um den 23. September 2002, einen Montag. Tags zuvor hatten die Deutschen den 15. Bundestag gewählt. Spd-kanzler Gerhard Schröder konnte mit den Grünen weiterregieren. Den Ausschlag für den knappen Sieg, so glaubten viele, hatten Schröders medienwirksame Gummistiefel-auftritte beim Elbhochwasser gegeben. Dem Kanzler- der Union, CSU-CHEF Edmund Stoiber, wurde allgemein ein Achtungserfolg bescheinigt, am Wahlabend hatte es nach Hochrechnungen zwischenzeitlich sogar nach einem Sieg für das geplante Bündnis aus Union und FDP ausgesehen.
In den Gremiensitzungen der Union am Tag nach der Wahl gab es für Stoiber, den knappen Wahlverlierer, viel Lob, auch weil die CSU in Bayern bärenstark abgeschnitten hatte, erinnert sich ein hochrangiger Teilnehmer von damals. Doch gleichzeitig sollten an diesem Tag auch die Weichen für die weitere Zukunft der Union gestellt werden: Angela Merkel, die bereits seit zwei Jahren Cdu-vorsitzende war, griff nun offen auch nach dem Unionsfraktionsvorsitz. Den hatte, ebenfalls zwei Jahre davor, Friedrich Merz übernommen. Beide Funktionen hatte zuvor Wolfgang Schäuble innegehabt.
Merkels Argument für ihren Anspruch, so erinnern sich Beteiligte: Für den Oppositionsführer der kommenden Jahre sei es besser, beide Ämter in einer „gebündelten Funktion“wahrzunehmen. Und CSU-CHEF Edmund Stoiber unterstützte sie dabei. Obwohl es, wie sich ein „Zeitzeuge“erinnert, angeblich eine Absprache mit der CSU gegeben habe, dass Merz nach der Wahl im Amt bleiben solle. Das Verhältnis zwischen Merz und Stoiber galt seinerzeit als ausgesprochen gut, der CDU-MANN war Mitglied in Stoibers Schattenkabinett, das da- mals „Kompetenzteam“hieß. Stoiber hatte versprochen, den Rechtsanwalt im Falle seines Wahlsiegs zu seinem Finanzminister zu machen. Doch als es um den Fraktionsvorsitz ging, ließ Stoiber den Sauerländer fallen und gab der ehrgeizigen Frau aus Mecklenburg-vorpommern den Vorzug. Am Ende dieses Montags stürmte Friedrich Merz wortlos aus der Berliner Cdu-zentrale.
Auf die Frage, warum Stoiber Merz die Unterstützung versagte, haben diejenigen, die damals an den Entscheidungsprozessen beteiligt waren, eine übereinstimmende Antwort: Stoiber sei Angela Merkel noch einen ganz großen Gefallen schuldig gewesen, glauben sie. Denn Merkel hatte zunächst ebenfalls erklärt, dass sie bei der Bundestagswahl 2002 als Kanzlerkandidatin antreten wolle. Doch dann ließ sie Edmund Stoiber den Vortritt, ihren Verzicht teilte sie ihm Anfang 2002 beim berühmt gewordenen Frühstück in Stoibers Haus in Wolfratshausen mit. Bei dem, wie Stoiber sich einmal erinnert hat, nicht allzu viel gegessen wurde. Dafür umso mehr geredet.
Ob es dabei ganz konkrete Absprachen gab und welche, das wiskandidaten sen bis heute nur die Beteiligten. Doch Beobachter sind überzeugt: Merkel hatte etwas gut bei Stoiber. Ganz unabhängig davon waren damals in der Union nicht wenige der Meinung, dass sich Merkel am besten als Cdu-chefin und Oppositionsführerin in Personalunion für die nächste Bundestagswahl in Stellung bringen konnte. Bei der sie dann ja auch Kanzlerin wurde.
Edmund Stoiber, sagen altgediente Csu-abgeordnete, hätte Merz auch wohl kaum gegen den Willen Merkels als Fraktionsvorsitzenden retten können. Zumal damals ein weiterer mächtiger Politiker aus dem Süden Merkel gestützt habe: der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). Eine Kampfabstimmung hätte für Merz also wenig Erfolg versprochen. Und die Schmach, zu verlieren, wollte er sich ersparen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Weg für Merkel frei zu machen.
Zwar dauerte es noch bis 2009, bis Merz sich endgültig aus dem Bundestag verabschiedete, doch den großen Bruch bildete jener 23. September 2002. Ihnen gegenüber, sagen altgediente Csu-abgeordnete, habe Merz nie so etwas wie Verbitterung erkennen lassen. Im Gegenteil, er habe sich stets daran erinnert, dass die CSU ihm bei seiner Wahl zum Unionsfraktionschef im Jahr 2000 „die Steigbügel gehalten“habe. Wolfgang Schäuble war damals als Chef der CDU und der Unionsfraktion in den Strudel der Cdu-spendenaffäre geraten und zurückgetreten. Unter anderem Csu-landesgruppenchef Michael Glos habe im „Gewimmel“nach dem Schäuble-rücktritt „die Bataillone für Friedrich Merz gesammelt“. Das Verhältnis zur CSU sei anschließend „blendend“gewesen.
Ältere wie jüngere der Csu-bundestagsabgeordneten äußern sich derzeit überwiegend positiv über Friedrich Merz und seine Kandidatur für den Cdu-vorsitz. So sagt ein einflussreiches Mitglied der Landesgruppe, das Merz nicht mehr aus seiner aktiven Zeit kennt: „Konservativ, heimatverbunden, aber international orientiert, erfahren in Wirtschaftsfragen – wenn wir uns einen backen könnten, käme Merz heraus.“Kommt die Rede auf seine Mitbewerberin Annegret Krampkarrenbauer, heißt es dagegen häufig, dass diese zu sehr für die Politik Angela Merkels stehe.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will sich auf Anfrage nicht zu seinem persönlichen Favoriten für die Nachfolge Angela Merkels an der Cdu-spitze äußern. „Wir als CSU mischen uns nicht in die Personalfragen der CDU ein“, sagt er. Unabhängig davon habe er über Friedrich Merz, mit dem er einst gemeinsam im Europaparlament saß, nur Positives zu sagen, so Müller: „Deutschland hat in Europa eine Führungsrolle. Und Friedrich Merz verfügt über große internationale Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten.“
„Wenn wir uns einen backen könnten, käme Merz heraus.“
Mitglied der Csu-landesgruppe