Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Angespannte Stimmung rund ums Stadion
Nach den Vorfällen rund ums Pokalspiel sind die Fronten zwischen Polizei und Fca-ultras verhärtet. Es geht um nicht eingehaltene Absprachen, um angeblich massive Polizeipräsenz und mehr
Albert von Wallenrodt war am Dienstagabend ziemlich verärgert. Eigentlich wollte er wegen eines Termins im Stadion früher zum Pokalspiel des FCA. Am Ende kam er eine Stunde zu spät – und durfte auch noch zwei Kilometer laufen. Der 54-Jährige saß am Dienstagabend in der Straßenbahn der Linie 8, als es an der Haltestelle „BBW/ Institut für Physik“plötzlich laut wurde. Der Fanmarsch kam an, wenig später seien die ersten Böller geflogen, auch in Richtung Polizei. Fca-anhänger drängten in die Straßenbahn, draußen wurden Rauchtöpfe gezündet. Der Qualm zog schnell ins Innere der Tram. „Der vordere Bereich war bald ziemlich verraucht“, erinnert sich von Wallenrodt. Da die Türen geschlossen wurden, versuchten Fahrgäste, über die Fenster frische Luft hereinzulassen. „Mehrere jüngere Mädchen haben geweint, andere Fahrgäste geschimpft. Es war eine ziemlich aufgeladene Stimmung.“
Aufgeladen, das Wort passt derzeit auch zum Verhältnis zwischen Polizei und Ultras. Im Pressebericht am Tag nach dem 3:2-Sieg gegen Mainz berichtet das Präsidium von „massiven Sicherheitsstörungen und Straftaten durch Angehörige der Augsburger Problemfanszene“. Auf zwei Seiten werden die Vorgänge im Univiertel und eine spätere Attacke rund 20 Vermummter auf Mainzer Busse aufgearbeitet. Auf Fan-seite reagiert die Rot-grünweiße Hilfe ebenfalls mit einer Stellungnahme – und übt Kritik am Vorgehen der Polizei. Von einem unverhältnismäßig großen Einsatz ist die Rede, von einer „Drohkulisse“, ruppigem Verhalten und Provokationen seitens der Beamten.
Mario Riedel ist Vorstandsmitglied der Rot-grün-weißen Hilfe. Der 31-Jährige war bei dem Polizeieinsatz als Fan dabei. Er berichtet von einer anfangs gelösten Stimmung, als sich die Gruppe von Ultra-fans in einer Kneipe im Univiertel zum Fanmarsch ins Stadion getroffen hatte. Auch nicht-organisierte Anhänger des FCA seien dabei gewesen. Durch die erhöhte Präsenz der Polizei sei aber eine angespannte Stimmung entstanden. „Sonst stehen da immer zwei oder drei Streifen und es passiert nichts. Am Dienstag waren es deutlich mehr. Unser Gefühl war, dass es beim kleinsten Anlass Ärger mit der Polizei geben könnte. Umso ärgerlicher ist es, dass einzelne Fans diesen Anlass gegeben haben.“
Zwar habe es innerhalb der Anhängerschaft eine Ansprache gegeben, sich diszipliniert zu verhalten – daran hielten sich aber nicht alle. Schon nach zehn Metern fiel der erste Böller, worauf die Polizei die Fca-anhänger eingekesselt habe, so Riedel. Weil sich der Fanzug auf diese Weise verspätete, hätten die Ultras beschlossen, auf Höhe der Hugo-eckener-straße in die Tram einzusteigen. Dort wurde schließlich der Rauchtopf gezündet. „Dass alles so dermaßen schiefgelaufen ist, ist für jeden Fan ärgerlich“, sagt Riedel.
Beim Präsidium weist man die Vorwürfe der Rot-grün-weißen Hilfe entschieden zurück. Wie viele Beamte am Dienstag vor Ort waren, will Pressesprecher Stefan Faller nicht sagen, nur so viel: „Es waren mehr Kräfte im Einsatz als sonst, aber nur minimal.“Und: „Die Eskalation ist ganz klar von den sogenannten Fans ausgegangen.“
Hintergrund für die erhöhte Präsenz seien zum einen die Krawalle beim Bundesligaspiel am Wochenende in Dortmund gewesen. Zum anderen gab es auch in Augsburg eine konkrete Vorgeschichte: Beim Präsidium ist man verstimmt, dass jüngste Absprachen mit dem Fanbeauftragten des Vereins zum Thema Pyrotechnik nicht gefruchtet hatten. Beim Auswärtsspiel in Hannover zündeten Augsburger Anhänger in der Gästekurve Bengalos. Daraufhin, so Faller, habe man „ganz klar kommuniziert, dass man solche Straftaten nicht mehr tolerieren werde“. Vertreter der Ultras saßen bei diesem Gespräch nicht am Tisch – seit einiger Zeit herrscht zwischen den Hardcore-fans des FCA und den Beamten Funkstille.
Am Dienstag dauerte es laut Polizei dann nur wenige Minuten, bis beim Fanmarsch die ersten Böller flogen. Man habe den Zug angehalten und eine Ansprache gehalten, sagt Faller. Eingegriffen habe man erst später: als an der Haltestelle Böller gezielt auf Einsatzkräfte geworfen wurden, teilweise aus dem Schutz der Menge heraus und über die haltende Straßenbahn hinweg – und es seien nicht eben handelsübliche Silvesterkracher gewesen.
Entsprechend schwerwiegend sind die Vorwürfe, die nun die Staatsanwaltschaft beschäftigen: versuchte gefährliche Körperverletzung, einfache Körperverletzung, Landfriedensbruch, Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Wie viele Beschuldigte sich verantworten müssen, ist noch nicht klar. Aktuell werden Videos ausgewertet. Auch hat sich ein weiterer Geschädigter gemeldet, der in der Tram wie auch ein Polizist eine Rauchgasvergiftung erlitten hat und seit dem Vorfall offenbar unter Panikattacken leidet.
Albert von Wallenrodt sagt, er habe Verständnis für das Vorgehen der Polizei. Nach den Vorfällen an der Haltestelle habe der Fahrer die Straßenbahn rund 100 Meter weitergefahren. „Dann standen wir, die Türen verschlossen, keiner konnte rein oder raus.“Erst nach etwa 20 Minuten sei die Tram geräumt worden. Die Polizei suchte dabei offenbar ganz gezielt nach Ultras. „Jeder einzelne Fahrgast wurde kontrolliert und befragt. Und in der zweiten Reihe standen dann Sanitäter und erkundigten sich, ob man verletzt sei.“