Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Milliardengeschäft der Heizungsableser
Das Ablesen von Heizungszählern ist profitabel und geht auf Kosten von Mietern und Eigentumswohnungsbesitzern. Vor eineinhalb Jahren warnte das Bundeskartellamt die Branche vor einem Quasi-monopol. Doch die Preise steigen weiter
München Für Millionen Mieter und Eigentumswohnungsbesitzer sind nur wenige Ablesefirmen zuständig – das sehen nicht nur viele Verbraucher, sondern auch die Wettbewerbshüter kritisch. Doch die Große Koalition hat bislang trotz einer Aufforderung des Bundeskartellamts keine Maßnahmen gegen die Marktmacht dieser Anbieter ergriffen. Die Kartellwächter hatten im Mai 2017 diese Marktbeherrschung bei der Ablese von Wärme- und Wasserzählern der fünf großen Unternehmen zulasten der Verbraucher als ein „wettbewerbsloses Oligopol“angeprangert und drei Vorschläge zur Belebung des Wettbewerbs gemacht.
Wie aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht, wird bislang untersucht, ob wenigstens eine dieser Forderungen umgesetzt werden könnte. Im Behördendeutsch teilt das Haus von Ressortchef Peter Altmaier mit: „Es wird derzeit geprüft, die Förderung der Interoperabilität von Zählern in der anstehenden Novelle des Energieeinsparrechts für Gebäude zu verankern.“Interoperabilität bedeutet, dass nicht jede Ablesefirma ihr eigenes Zählersystem basteln soll, sondern dass gemeinsame Standards durchgesetzt werden sollen.
Denn die abgeschlossenen sogenannten „proprietären“Systeme erschweren einen Wechsel des Anbieters, weil eine neue Ablesefirma für viel Geld neue Zähler in einem neu- en Gebäude installieren müsste. Dass das Ablesen von Heizungsund Wasserzählern ein höchstprofitables Geschäft darstellt, ist wenigen Mietern bekannt. Dominiert wird der Markt laut Bundeskartellamt von zwei Platzhirschen: Ista mit Sitz in Essen und Techem aus dem hessischen Eschborn teilen sich demnach allein 50 bis 60 Prozent des Geschäfts.
Die kleineren anderen Anbieter heißen Minol Messtechnik, Qundis, Smarvis und Brunata-metrona. Die Ableseriesen Ista und Techem sind jedoch abgesehen von ihren privaten Kunden der breiteren Öffentlichkeit nahezu unbekannt. „Aber die sind mehr wert als Opel“, sagt die bayerische Spd-landtagsabgeordnete Inge Aures. Denn Ista wurde 2017 für 4,5 Milliarden Euro an den Hongkonger Multimilliardär Li Kashing verkauft, Techem ging im Frühjahr für 4,6 Milliarden Euro an Schweizer Investoren. Zum Vergleich: Für Opel bot der französische Autokonzern PSA Peugeot Citroën 1,3 Milliarden Euro. Alle fünf Anbieter zusammen teilen sich etwa 70 bis 80 Prozent des Markts. Um den Anstieg der Kosten für die Mieter zu bremsen, fordern die bayerischen Sozialdemokraten von der Großen Koalition die schleunige Umsetzung der Vorschläge des Bundeskartellamts.
Bezahlt wird die Ablese in aller Regel von Eigentumswohnungsbesitzern und den Mietern, da die Ver- mieter Nebenkosten umlegen dürfen. Dieses Dreiecksverhältnis von Ablesefirma, Vermieter und Mieter ist ein weiterer Punkt, den das Bundeskartellamt kritisiert: Angeheuert wird eine Ablesefirma vom Hausbesitzer. Doch da den Großteil der Kosten die Mieter tragen, gibt es wenig Anreiz für die Vermieter, sich um ein günstiges Angebot zu bemühen. Für das Jahr 2014 schätzte das Kartellamt die Umsätze der Branche auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Pro Wohnung schlug das im Schnitt mit 74 Euro im Jahr zu Buche, aktuellere Daten gibt es nicht.
Abgesehen von der Inkompatibilität der Zählersysteme forderten die Kartellwächter 2017 auch größere Transparenz für die Mieter in Form besserer Information und eine Vereinheitlichung von Eichfristen und Nutzungsdauer der Geräte – das soll für die Hausbesitzer den Wechsel des Anbieters erleichtern.
„Ein Hauptproblem ist, dass Vermieter und Ablesefirma einen Vertrag schließen und die Kosten der Mieter zahlen muss“, sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsfüher des Deutschen Mieterbunds. „Dies führt – so auch die Ablesefirmen selbst – zu einer mangelhaften Preissensibilität ihrer Kunden“– wobei Kunden in diesem Falle die Vermieter sind.
Noch ist unklar, was die milliardenschweren Verkäufe von Ista und Techem für die Mieter bedeuten. Die Vermutung liegt nahe, dass die Investoren ihre hohen Kosten so schnell wie möglich wieder hereinholen wollen. Eine Änderung der
Treiben Finanzinvestoren aus China bald die Kosten hoch?
Preispolitik könne sich frühestens bei den Heizkostenabrechnungen für 2018 oder 2019 bemerkbar machen, sagt Ropertz. „Das sind Abrechnungen, die der Vermieter bis Ende 2019 beziehungsweise Ende 2020 vorlegen muss.“
Die Übernahme von Ista wurde zwar vom Bundeswirtschaftsministerium geprüft, weil Multimilliardär Lis Hongkonger Holding CK Hutchison ein „unionsfremder Investor“ist. Mieter und Wohnungsbesitzer spielten dabei aber keine Rolle: „Wettbewerbsfragen oder mögliche Auswirkungen des Erwerbs auf die Höhe der Ablesegebühren sind keine zulässigen Aspekte dieser Prüfung“, heißt es in der Antwort des Ministeriums.