Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er setzt Musiker unter Feuer
Geht es darum, Menschen für Jazz zu begeistern, lässt Tiny Schmauch nicht locker. Der Kaufbeurer Kontrabassist stößt so viele interessante Projekte an, dass er jetzt von unserer Zeitung ausgezeichnet wird
Kaufbeuren „Ihr müsst swingen!“So lautete das Mantra von Tiny Schmauch, als er Ende der 1980er Jahre anfing, junge Allgäuer Musiker, die aus Blasmusik und Klassik kamen, in das faszinierende Land des Jazz, Blues und Funk zu führen. Der Kaufbeurer Kontrabassist und Posaunist war infiziert vom Jazzvirus und wollte andere anstecken. Also gründete er eine Bigband, der er den programmatischen Namen „Horns Up“gab. Da war nicht mehr das marschmäßige Tatt-ta-taa gefragt, sondern ein geschmeidigswingendes Dudapp-du-dapp.
„Horns Up“gibt es heute noch, und nach wie vor gibt Tiny Schmauch den Takt an. Die Gründung des Orchesters 1986 markiert aber noch etwas viel Wichtigeres: Seit jenem Jahr hat er – zwar nicht alleine, aber doch maßgeblich – den Jazz im Allgäu etabliert. Hat brave Blasmusiker unter Feuer gesetzt, mit Konzerten und Festivals neue Zuschauer für diese Musikrichtung gewonnen, Workshops organisiert und geleitet. Grund genug für unsere Zeitung, dem 58-Jährigen für das unermüdliche ehrenamtliche Engagement die Silberdistel zu verleihen.
Das Schöne am Jazz, und speziell am Bigband-sound, ist für Schmauch: Eine Gemeinschaft von Individuen macht kollektiv Musik; zugleich kann jeder solistisch nach vorne treten. Die größten Glücksmomente fühlt er, wenn es toll klingt, wenn alle total in der Musik aufgehen, sozusagen eins werden.
ob mit kleinen Bands, Bigbands oder Sessions: Tiny Schmauch, dessen eigentlicher Vorname Martin lautet, hat mit Leidenschaft und Beharrlichkeit fast drei Jahrzehnte lang wie ein Durchlauferhitzer gewirkt und vielen Allgäuern zu höheren Jazzweihen verholfen. Einige von ihnen machten das Hobby zum Beruf, spielen inzwischen in renommierten Ensembles. Etwa der Trompeter Matthias Schriefl aus dem Oberallgäuer Dorf Maria Rain. Einst ein Enfant terrible in Schmauchs Bands, gilt der Besuchen Sie uns online unter: augsburger-allgemeine.de/shop 37-Jährige heute als einer der Großen im deutschen Jazz. Fragt man ihn nach seinem einstigen Mentor, stimmt er regelrechte Jubelarien an. „Ich bin ihm unendlich dankbar für das Biotop, das er für uns Jazzsüchtige im Allgäu geschaffen hat.“
Nach dem Abitur studierte Schmauch erst Informatik und arbeitete etliche Jahre in dem Beruf. Bis er 38 Jahre alt war. Dann zog er einen Schlussstrich, wurde freischaffender Musiker und Musiklehrer. Nebenbei widmet er sich all den ehrenamtlichen Dingen. Was zuegal sammen eine Sieben-tage-woche mit weit über acht Stunden täglich ergibt.
Schmauch hat viele Projekte am Laufen. Etwa monatliche Sessions in einer Kaufbeurer Kneipe. Sie sind eine Art Schnupperunterricht für junge Talente und zugleich Spielfeld für Fortgeschrittene. Die einen können testen, ob ihnen der schrägharmonische Jazz und das Improvisieren liegt, die anderen sammeln Erfahrungen. Zugleich hilft Schmauch den Infizierten, Mitmusiker zu finden und Bands zu gründen. „Du musst immer schauen, dass Junge nachkommen“, sagt er.
1991 gründete Schmauch mit einem Häuflein Gleichgesinnter die Allgäuer Jazz Initiative. „Weil mir jemand sagte, als Verein käme man an die Geldtöpfe.“Ein Vereinsmeier ist er freilich nicht. Dennoch hängt er sich seit 27 Jahren voll in diese Arbeit rein, ist nach wie vor Vorsitzender und „Mädchen für alles“. Im Jahr 2006 erhielt er den Kunst- und Kulturpreis seiner Heimatstadt Kaufbeuren. Sie würdigte damals schon, was sich bis heute nicht geändert hat: Schmauchs „überregional anerkannte künstlerische Qualität als Jazzmusiker in Verbindung mit seiner Verwurzelung und seinem ehrlichen, unerschütterlichen Engagement vor Ort“. Schmauch ging und geht es immer nur um Musik. Das Drumherum interessiert ihn nicht. Alles, was nach Event oder Show riecht, meidet er. Sich anzupassen oder gar anzubiedern war nie seine Sache.
Seit es die Jazz Initiative gibt, veranstaltet sie eigene Konzerte und Festivals in Kaufbeuren und Umgebung. Treibende Kraft: Tiny Schmauch. Manchmal dürfte er sich wie der antike Held fühlen, der immer wieder einen schweren Stein auf den Berg rollen muss: Für den Jazz zu kämpfen ist nach wie vor eine Sisyphos-arbeit. Schmauch ist aber keiner, der aufgibt. Mit Schrecken erinnert er sich an ein tolles Konzert mit dem Posaunisten Albert Mangelsdorff, das zwar gut besucht war, aber ein Loch von damals 10 000 Mark in die Vereinskasse riss. Beinahe hätte er alles hingeschmissen. Tat er aber nicht und griff gleich noch in den eigenen Geldbeutel, um den Verein zu retten.
Seine programmatische Arbeit hat Schmauch inzwischen von Kaufbeuren nach Kempten verlagert, zum Jazzfrühling, einem der größten Festivals seiner Art. Mit zwei Mitstreitern bringt er jedes Jahr 60 Konzerte an neun Tagen auf den Weg. Die drei haben es geschafft, auch jüngere Zuhörer in die Konzerte zu locken. Denn dieser Schmauch lässt einfach nicht locker.