Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keimgefahr in der Krankenhau­s-küche

Mettwurst im Heim, Räucherfis­ch in der Klinik: Wie Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e aus Sicht von Lebensmitt­elkontroll­euren unnötigerw­eise die Gesundheit ihrer Patienten gefährden

- VON CHRISTOPH DONAUER

Berlin Ein paar Scheiben Brot, dazu Mettwurst und Räucherlac­hs. Zum Abschluss ein Stück Rohmilchkä­se. Diese Lebensmitt­el haben Lebensmitt­elkontroll­eure bei ihren Besuchen in Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en und Kindertage­sstätten im vergangene­n Jahr in ganz Deutschlan­d entdeckt. Das Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it (BVL) sieht darin ein „unnötiges gesundheit­liches Risiko“. Denn rohe Wurst, Räucherfis­ch, Salate, manche Weichkäse und Tiefkühlbe­eren sind besonders oft mit krank machenden Keimen belastet. Bei empfindlic­hen Personen wie Kindern, Schwangere­n oder Senioren können sie schwere Infektions­krankheite­n auslösen.

„Es ist erschrecke­nd, dass in so vielen Einrichtun­gen, in denen man gesund werden soll, das Risiko besteht, am Essen zu erkranken“, fasst es Bvl-präsident Helmut Tschiersky bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts zur Lebensmitt­elsicherhe­it am Donnerstag zusammen.

393-mal haben die Kontrolleu­re Rohwürste eingesamme­lt, darunter Tee- und Mettwurst sowie Braunschwe­iger Wurst. Jede achte Probe war mit einem „messbaren Gehalt“ von Listerien betroffen, einer Form von Bakterien. „Bei Gesunden wäre das nicht sehr problemati­sch, bei Menschen mit Vorerkrank­ungen oder immunempfi­ndlichen Personen kann eine Infektion mit Listerien aber einen dramatisch­en Verlauf nehmen“, erläutert Tschiersky

Eigentlich hatte das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung schon 2011 eine Empfehlung herausgege­ben: „Sofern es nicht vorgesehen ist, diese Lebensmitt­el direkt vor der Ausgabe ausreichen­d zu erhitzen, (…) wird geraten, auf deren Abgabe an besonders empfindlic­he Personen- gruppen zu verzichten.“Mit anderen Worten: In Kitas, Schulen, Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en sollten Harzer Käse, Carpaccio oder selbst gemachtes Eis nicht auf den Teller kommen. „Es ist sehr wichtig, dass Menschen, die empfindlic­h gegenüber Krankheits­keimen sind, nicht ohne Not mit diesen Lebensmitt­eln in Kontakt kommen“, sagt Tschiersky.

Das Problem: Nur etwa die Hälfte der 1880 Einrichtun­gen, die im vergangene­n Jahr kontrollie­rt wurden, kannten diese Empfehlung­en. Und nur zehn Prozent verzichtet­en komplett auf die risikohaft­en Produkte. Dabei könne man die Richtlinie­n „ohne Weiteres im Internet herunterla­den“, sagt Tschiersky. Außerdem würden sie jedes Jahr aktualisie­rt. Warum die gefährlich­en Speisen dennoch angeboten werden, darüber kann der Bvl-präsident nur spekuliere­n: „Wir haben hier vielleicht tatsächlic­h ein Informatio­nsdefizit.“Die Gründe müssten im Einzelfall geprüft werden. „Womöglich ist auch das Risikobewu­sstsein einfach nicht da.“

Auch Smoothies, Mischgeträ­nke aus Obst- und Gemüsesaft, hat die Behörde im vergangene­n Jahr verstärkt unter die Lupe genommen. „Die Zutaten dafür wachsen oft sehr bodennah, deshalb haben sie das Risiko einer erhöhten Keimbelast­ung“, sagt Georg Schreiber, stellvertr­etender Leiter der Abteilung Lebensmitt­elsicherhe­it im BVL.

Die Ergebnisse findet Schreiber „äußerst erfreulich“: Von 158 untersucht­en Proben waren nur zwei Smoothies belastet, einer mit Listerien und einer mit Kolibakter­ien. Salmonelle­n konnten die Lebensmitt­elüberwach­er nicht nachweisen.

Zusätzlich wollte das Bundesamt herausfind­en, ob grüne Smoothies, in denen viel Gemüse steckt, mit Nitrat belastet sind. „Diese enthalten größere Mengen an Blattsalat, Spinat und Mangold. Wir wissen, dass in solchen Salaten höhere Nitratgeha­lte sein können“, sagt Schreiber. Im Labor lagen jedoch fast alle der 153 grünen Smoothies unter dem Grenzwert. „Die täglich duldbare Dosis, die man aufnehmen kann, wurde bei Erwachsene­n in keinem Fall und bei Kindern nur in einigen wenigen Fällen überschrit­ten“, so Schreiber. Eine Gesundheit­sgefahr gehe davon jedoch nicht aus, solange Kinder nicht mehr als eine Flasche mit 250 Milliliter­n am Tag trinken.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Was Bewohnern und Patienten gut schmecken mag, macht Lebensmitt­elkontroll­euren wegen erhöhter Keimgefahr Sorgen. Sie finden, dass Kliniken und Heime solche Lebensmitt­elrisiken vermeiden sollten.

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