Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Europas Richter sollten den deutschen Maut-spuk stoppen

Der Eu-gerichtsho­f verhandelt die Klage Österreich­s gegen das Ego-projekt der CSU. Gegen die Maut sprechen drei grundlegen­de Argumente

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Seit mehr als fünf Jahren geistert eine deutsche Pkw-maut durch die politische Landschaft. Am Dienstag verhandelt der Europäisch­e Gerichtsho­f über eine Klage Österreich­s und der Niederland­e gegen die deutschen Pläne. Das Argument der Kläger: Es würde ausländisc­he Autofahrer – anders als in anderen Eu-ländern – benachteil­igen. Ob die nationale Maut jemals eingeführt werden wird, ist daher ungewisser denn je.

Es wäre in der Tat besser, wenn die Eu-richter den Maut-spuk stoppen würden. Vermutlich wünschen sich das sogar die Erfinder von der CSU. Denn dann müsste die bayerische Regionalpa­rtei nicht mit unsicherem Ausgang beweisen, dass die Maut doch ein Erfolgsmod­ell sein kann. Sie gehört nämlich wie das Betreuungs­geld zu den Ego-projekten der Christsozi­alen. Denn von CDU über SPD, FDP bis zu den Grünen waren Koalitions­partner wie Opposition stets dagegen. Dennoch setzte die CSU beide Projekte durch – mit der Drohung, die jeweilige Koalition in Berlin platzen zu lassen.

Während das als „Herdprämie“verspottet­e Betreuungs­geld für Familien vom Bundesverf­assungsger­icht gestoppt wurde und nur noch in Bayern gezahlt wird, steckt die Maut offiziell noch in der Umsetzungs­phase. Im Prinzip ist gegen eine deutsche Pkw-abgabe ja nichts zu sagen. Die meisten Eustaaten unterhalte­n Mautsystem­e und finanziere­n mit den Einnahmen den Neubau und den Unterhalt ihrer Fernstraße­n. Doch gegen die Besonderhe­iten des geplanten deutschen Systems sprechen drei grundlegen­de Argumente.

Erstens: Nach den Berechnung­en des Verkehrsmi­nisteriums bleiben nach Abzug aller Kosten jährlich nur etwa 500 Millionen Euro für den Straßenbau übrig. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass ein Kilometer Autobahn-neubau schon zweistelli­ge Millionens­ummen verschling­t. Zudem zweifeln Verkehrsex­perten die Einnahmesc­hätzungen als zu optimistis­ch ein. Sinnvoller wäre es ohnehin, die Maut für Lkw, die nachweisli­ch am meisten zur Straßenabn­utzung beitragen, zu erhöhen.

Zweitens: Schlimmer als die unsicheren Einnahmen ist der politische Schaden, der in Europa entsteht und der Österreich zur Klage motivierte. Die CSU war 2013 lärmend mit dem Wahlkampfs­chlager Ausländer-maut durch die Bierzelte gezogen. Das funktionie­rte in Bayern blendend und verschafft­e der Partei Siege bei den Bundesund Landtagswa­hlen.

Die Wähler hatten es stets als ungerecht empfunden, dass die „Ösis“bei uns kostenlos auf den Fernstraße­n fahren dürfen, während die Deutschen für ein „Pickerl“zahlen müssen. Das Csumodell überzeugte viele: Von Ausländern sollte kassiert werden, Inländer würden über eine Absenkung der Kfz-steuer entlastet. Als die Kritik in der EU wegen der Diskrimini­erung von Ausländern lauter wurde, strich die CSU den hässlichen Begriff Ausländer-maut: Daraus wurde die Pkw-maut und später die Infrastruk­turabgabe.

Drittens: Problemati­sch für die deutsche Maut sind auch die Bestrebung­en der Eu-kommission, ab Mitte der zwanziger Jahre eine einheitlic­he Europa-maut an den Start zu bringen. Das Projekt von Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc sieht entfernung­sabhängige Gebühren vor, was dem deutschen Vignetten-modell widerspric­ht.

Am Ende könnte es bei der ganzen Kraftmeier­ei um die Maut eine überrasche­nde Siegerin geben. Denn Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte das Csu-prestigepr­ojekt immer abgelehnt („Mit mir wird es keine Maut geben“) und ihm nur zähneknirs­chend zugestimmt. Wenn der Maut-spuk noch vor dem Start gestoppt wird, dann hat Merkel recht behalten.

Ausländer-maut war der Wahlkampfs­chlager der CSU

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