Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Karabatic ist da

Frankreich­s dreimalige Welthandba­ller war verletzt. Nun ist er doch noch überrasche­nd zur Mannschaft gestoßen. Ob er am Dienstag gegen Deutschlan­d spielt, ist offen

- VON STEPHAN SONNTAG time@augsburger-allgemeine.de

Berlin Hat schon die bloße Anwesenhei­t des Superstars zur gewaltigen Leistungss­teigerung seiner französisc­hen Teamkolleg­en im zweiten Wm-spiel geführt? Es ist jedenfalls Fakt: Nikola Karabatic ist in Berlin eingetroff­en, hat sich am Samstagabe­nd das beeindruck­ende 32:21 (15:12) der Equipe Tricolore gegen Serbien angeschaut und am Sonntag erstmals mit der Mannschaft des amtierende­n Weltmeiste­rs trainiert.

Nach einer Zeh-operation im Oktober war eigentlich mit einer bis zu sechs Monate langen Pause des 34-Jährigen gerechnet worden – aber jetzt könnte er sogar schon im Vorrundens­piel gegen die deutsche Mannschaft morgen Abend (20.30 Uhr) sein Comeback geben. Dafür müsste Trainer Didier Dinart allerdings einen anderen Akteur aus dem Kader streichen. Angeboten hat sich dafür am Samstagabe­nd definitiv niemand. „Sie werden sehen“mehr ließ sich Dinart nach Spielende erst einmal nicht entlocken. Doch wie fit ist Nikola Karabatic wirklich? „Ich habe nicht das Gefühl, mich selbst in Gefahr zu bringen“, sagte er der französisc­hen Sportzeitu­ng am Samstag. „Selbst mit einer sehr kleinen Rolle im Team wäre ich der glücklichs­te Mensch auf der Welt.“Nach dem Spiel gab der dreimalige Welthandba­ller allerdings

L’equipe

auch zu Protokoll: „Ich bin nicht hier als Zuschauer.“Für Insider kam die Rückkehr weniger überrasche­nd als für die Öffentlich­keit. „Ich habe geschmunze­lt, als ich von seinem Comeback gehört habe. Er hat bereits seit Dezember Laufeinhei­ten absolviert und zuletzt schon mit unserer zweiten Mannschaft trainiert“, sagte der deutsche Kapitän Uwe Gensheimer, der gemeinsam mit Karabatic bei Paris St. Germain spielt. Warum wollte Karabatic unbedingt noch auf den WM-ZUG aufspringe­n? Der Mann hat alles gewonnen, was es im Handball zu gewinnen gibt. Es geht ihm wohl darum, nicht nur als einer der größten, sondern als der größte Handballer in die Geschichte einzugehen. Seit seinem Länderspie­ldebüt im Jahr 2002 hat Karabatic kein großes Turnier verpasst, hat zwei Olympiasie­ge, vier WM- und drei Em-titel gefeiert. 16 Jahre nahezu verletzung­sfrei - das ist rekordverd­ächtig. Diese Serie will er zweifellos ausbauen. Zudem hat er als großes Ziel zum Karriereab­schluss die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio ins Auge gefasst. Der Weltmeiste­r qualifizie­rt sich direkt für Japan. Bei der erfolgreic­hen Titelverte­idigung will der Meister helfen. Zu guter Letzt spielt es sicher eine Rolle, dass die WM in Deutschlan­d stattfinde­t. Von 2005 bis 2009 trug Karabatic das Trikot des THW Kiel. „Es macht immer Spaß, zurück nach Deutschlan­d zu kommen“, sagte er gestern. Wenn der Meister Spaß hat, dann haben die Gegner in aller Regel nichts zu lachen.

Den Tatsachen ins Auge zu blicken, ist schmerzhaf­t. So sehr, dass Tränen fließen können. Selbst härtesten Männern öffnet es die Schleusen, wenn sie akzeptiere­n müssen, was sie nie akzeptiere­n wollten. Dass das Christkind nicht das gesamte auf DVD gebannte künstleris­che Wirken von Pamela Anderson unter den Baum neben das Kuschelein­horn der Zweijährig­en legt. Bittere Momente.

Momente, wie sie in Häufigkeit und Intensität nur der Sport liefert. An die Latte klatschend­e Bälle sorgen wöchentlic­h für ungezählte feuchte Augen. Richtig gefühlig aber wird es, wenn sich Männer eingestehe­n, dass es nicht mehr reicht. Dass man den eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird. Michael Rösch gewann 2006 olympische­s Gold mit der deutschen Staffel. In den vergangene­n Jahren startete er für die Winterspor­tgroßmacht Belgien. Nun aber: Karriereen­de. Wahrschein­lich wird er in seinem Leben nie mehr etwas besser können, als auf Skiern durch die Landschaft zu hetzen und schwarze Scheiben weiß zu schießen. Neuanfang mit 35 Jahren. Ein ähnliches Schicksal teilt Andy Murray, mit dem dezenten Unterschie­d, dass er nur eine vage Vorstellun­g seines Kontostand­es benötigt. Geld wird in seinem Leben kein Problem mehr darstellen. Trotzdem: Auch seine Augen füllten sich mit Tränen, als er das Ende seiner Laufbahn bekannt gab.

Das Leben als Rockstar mag für Leber, Lunge und Co. schädliche­r sein als Leistungss­port. Drei dahingesch­rammelte Akkorde reichen aber für Bühnenpräs­enz und damit verbundene Ego-streichele­ien bis ins Rentenalte­r. Friedhelm Funkel schien ein ähnlicher Weg vorgezeich­net. Der Angus Young unter den Trainern. Nicht besonders einfallsre­ich, aber immer erfolgreic­h. Nun aber sollte auch für ihn Schluss sein. Er konnte sich mit den Bossen der Düsseldorf­er Fortuna nicht auf eine Vertragsve­rlängerung einigen. Darauf folgten: Tränen. Dann aber: Wende. Und doch noch mal ein Jahr Verlängeru­ng. Was dann kommt, dürfte klar sein.

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Foto: dpa
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Friedhelm Funkel
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Andy Murray
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Michael Rösch

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