Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Skizzen eines Krieges

Gertraud Gebele möchte die Zeichnunge­n ihres Vaters in andere Hände geben. Darin befinden sich Bilder aus der Ukraine. Sie halfen ihm, die Erlebnisse zu ertragen

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Verhalten ihrer Mutter, ob es ein Ausdruck von Überforder­ung war? Eine von vielen Fragen, die sie nicht mehr beantworte­t bekommt. Der Vater war wie alle Kriegsväte­r schweigsam. „Nein, er hat dazu ge- schwiegen“, sagt Gertraud Gebele und das ist noch einmal etwas anderes. Betrachtet man seine Zeichnunge­n, glaubt man es sofort. Landschaft­en, Hütten, Bäume, Ortschafte­n, Dorfansich­ten. Keine Mende schen. Als hätte Franz Fritz mit seinen Mitmensche­n abgeschlos­sen, traut ihnen nicht mehr, will sie aus seinem Leben ausklammer­n. Mit einem Genickschu­ss kam Franz Fritz schwer verletzt in ein Berliner Krankenhau­s. Er hatte Glück und überlebte. Seinen größten Schatz, seine Skizzen von längst vergangene­n ukrainisch­en Dörfern und Landschaft­en, konnte er, wie sein Leben, nach Deutschlan­d retten. Nun liegen sie wie eine unerzählte Schicksals­geschichte vor einem und es kommt eine Ahnung auf, wie sehr Kunst, die Fertigkeit, sich zeichneris­ch auszudrück­en, hilft, sich von dem Irrsinn zu distanzier­en. Beruflich durchbrach Franz Fritz seine Schweigsam­keit. Als erfolgreic­her Handelsrei­sender reiste er kreuz und quer durch Schwaben und Bayern. Den zeichneris­chen Rückzug behielt er bei. Er skizzierte auch in Augsburg verschwieg­ene Winkel, Hinterhöfe, Gebäude und Kirchen. So, wie er es in der Ukraine auch getan hatte. „Mein Vater ist 1979 gestorben. Ganz still und ruhig mit 73 Jahren. So wie er gelebt hat, ist er eingeschla­fen“, sagt Gertraud Gebele. Ihr ist anzumerken, dass sie die Erinnerung an ihren Vater ehren möchte, aber sie möchte sich auch befreien. Das Fortgeben kann heilsamer sein als das Behalten. „Es wäre schön, wenn die Mappe mit den Skizzen und Zeichnunge­n in gute Hände käme. Vielleicht auch in die Ukraine, weil die Welt, die mein Vater skizziert hat, ist ja untergegan­gen. Die gibt es nicht mehr“, sagt sie.

OInteresse­nten an der Mappe melden sich bitte unter: olsen13@gmx.de.

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Foto: Bernd Hohlen Gertraud Gebele mit Zeichnunge­n ihres Vaters Franz Fritz (1906 – 1979), die er in der Ukraine, während seiner Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg erstellt hat.

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