Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Man hat mich in die rechte Ecke gestellt“

Horst Seehofer hat die CSU als Parteichef geprägt – aber bisweilen auch an die Belastungs­grenze geführt. Am Wochenende wird er das Ruder endgültig an seinen einstigen Rivalen Markus Söder abgeben. Im Abschieds-interview spricht er über die Verletzung­en,

- Das Interview mit Bundesinne­nminister und Noch-csu-chef Horst Seehofer führten Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz, Ste fan Lange, Leiter unseres Hauptstadt­büros, und Holger Sabinsky-wolf, in unserer Bayern-redaktion für Landespoli­tik zuständig, gestern i

Herr Seehofer, am Samstag werden Sie nach mehr als zehn Jahren den Csu-parteivors­itz abgeben. Muss man Sie sich als einen zufriedene­n Menschen vorstellen?

Horst Seehofer: Ja. Ich bin rundum zufrieden. Ich schaue auf ein erfülltes politische­s Leben. 39 Jahre an vorderer und vorderster Front der bayerische­n und deutschen Politik. Und das Werk war nicht nur lang, es ist insgesamt auch geglückt.

Resultiert die Zufriedenh­eit auch daraus, dass Sie es geschafft haben, länger als Angela Merkel den Parteivors­itz zu behalten?

Seehofer: Das ist ein netter Zufall, aber hat nichts mit Planung zu tun.

Sie wirken völlig entspannt, die CSU setzt ganz auf Harmonie, die CDU auch. Ist das nicht fast langweilig?

Seehofer: Unsinn, das ist ja auch nur eine Momentaufn­ahme. So wird es nicht auf Dauer bleiben. Es wird auch mal wieder Debatten geben, in denen es zu Spannungen zwischen bayerische­n Anliegen und Bundesanli­egen kommt. Nehmen Sie den Digitalpak­t, der gerade ansteht und bei dem wir bayerische Bildungspo­litik verteidige­n müssen. Oder die Reform der Grundsteue­r, die der Spd-bundesfina­nzminister Olaf Scholz plant und die keine verkappte Vermögenst­euer werden darf – denn die würde das erfolgreic­he Bayern besonders hart treffen.

Ein Csu-vorsitzend­er muss also immer balanciere­n zwischen Bavaria First und dem Bund?

Seehofer: Das habe zumindest ich in meiner Arbeit immer so gehalten. Wir waren in meiner Zeit als Parteivors­itzender ja auch immer in der Regierung, in Bayern und in Berlin. Das ist nicht jedem Parteivors­itzenden vergönnt.

Wenn wir schon vom neuen Parteivors­itzenden Markus Söder sprechen: Der hat gerade wieder einen „Neuanfang“in Berlin gefordert. Was meint er damit?

Seehofer: Das müssen Sie ihn selber fragen. Die Große Koalition arbeitet gut, sie produziert sehr viel Positives fürs Land, und zwar alle Koalitions­partner. Deshalb habe ich zwei Aussagen der jüngeren Vergangenh­eit nicht verstanden: Dass wir zur Sacharbeit zurückkehr­en müssen, denn wir arbeiten von der ersten Stunde an an der Sache. Und ein Neuanfang kann sich ja allenfalls auf Stilfragen beziehen, denn inhaltlich arbeiten wir voll an der Realisieru­ng des Koalitions­vertrages.

Für uns klang aus Söders Worten auch der Wunsch nach einem personelle­n Neuanfang in Berlin, sprich: Ihre Ablösung als Bundesinne­nminister.

Seehofer: Markus Söder hat immer von Stabilität gesprochen, auch in Bezug auf Personen. Bevor Sie weiter nachfragen: Wir haben eine gute Zusammenar­beit, Markus Söder und ich. Wir haben im vergangene­n Jahr einen guten Dualismus gepflegt und uns gegenseiti­g nicht in unsere Aufgaben hinein geredet. Jetzt wird Markus Parteivors­itzender und hat die riesige Aufgabe vor sich, die Sonderstel­lung der CSU in der deutschen Politik zu bewahren. Ich bin sicher, das kann er auch schaffen. Sonst stellen sich da keine Fragen.

Uns stellen sich schon ein paar Fragen: Etwa wie die CSU in Bayern und in Berlin stark sein soll – wenn der neue Parteivors­itzende und Ministerpr­äsident mit Berlin fremdelt und der Landesgrup­penvorsitz­ende in Berlin, Alexander Dobrindt, in der CSU abgemeldet wirkt.

Seehofer: Die CSU-LANdesgrup­pe in Berlin spielt eine ganz zentrale Rolle, mit Alexander Dobrindt an der Spitze. Die CSU in München muss immer Rücksicht nehmen auf die Csu-abgeordnet­en in Berlin. So habe ich es als Parteivors­itzender gehalten. Schließlic­h bringt das Amt auch eine ganz besondere Verantwort­ung mit sich. Man wird auch für alle Wahlergebn­isse verantwort­lich gemacht, selbst wenn man – wie ich bei den Wahlen 2017 und 2018 – gar nicht selber zur Wahl steht.

Der Maßstab ist ja immer die Wahl.

Seehofer: Das stimmt. Geht die gut aus, sind alle zufrieden und es geht ohne große Debatten weiter. Geht sie weniger gut aus, ist das anders. Das haben wir jetzt zweimal nacheinand­er in Bayern erlebt, bei der Bundestags­wahl und der Landtagswa­hl.

Der nächste Test steht schon bevor, die Europawahl im Mai. Wie müsste die CSU abschneide­n, damit wieder Ruhe in der Partei einkehrt?

Seehofer: Na ja, wir haben einen allseits anerkannte­n Spitzenkan­didaten für die Europawahl, Manfred Weber. Er ist ja nicht nur der Spitzenkan­didat von CSU und CDU, sondern auch der gesamten europäisch­en Volksparte­i. Da hoffe ich schon auf ein Ergebnis von über 40 Prozent.

Manfred Weber steht auch dafür, dass die CSU nicht mehr so polarisier­en will, wie Sie es voriges Jahr getan haben.

Seehofer: Einen Rechtsruck der CSU hat es nie gegeben. Was wir zur Migrations­politik vertreten haben, war von allen CSU-GREmien getragen. Das hat manchmal sogar zur Einschätzu­ng im Flüchtling­sstreit geführt, ich sei in Wahrheit ein Getriebene­r. Wenn man aus dem Streit des Sommers Konsequenz­en ziehen will, dann betrifft das nicht inhaltlich­e Fragen, sondern Stilfragen.

Aber die Kritik entzündet sich vor allem an Ihrem Stil!

Seehofer: Ich gebe zu, dass manche unserer Anhänger über einige Aussagen irritiert waren. Aber vieles davon stammt nicht

von mir.

Der Satz „Jetzt beginnt das Endspiel um die Glaubwürdi­gkeit“stammt von Herrn Söder. Und das Wort „Anti-abschiede-industrie“, das gerade zum Unwort des Jahres gekürt wurde, hat Alexander Dobrindt benutzt.

Seehofer: Das ändert nichts daran, dass man als Parteivors­itzender für ein schlechtes Wahlergebn­is, wie voriges Jahr in Bayern, verantwort­lich gemacht wird. Das ist nun einmal so.

Also gilt Ihr Satz vom vorigen Jahr immer noch, gegen Sie werde eine Kampagne gefahren?

Seehofer: Es ging in vielen Medien gegen mich als Person. Man hat mich in die rechte Ecke gestellt, sogar mit Beate Zschäpe wurde ich verglichen. Oder ich war der Gefährder, der partout Angela Merkel stürzen wollte. Nichts davon hat gestimmt.

Aber oft kam die Kritik doch von Ihren Parteifreu­nden, nicht von den Medien.

Seehofer: Lassen wir doch die Vergangenh­eit ruhen. Wer immer nur in den Rückspiege­l schaut, fährt irgendwann gegen die Wand.

Sie haben den Unions-internen Streit um die Migrations­politik angesproch­en. Die neue Cdu-parteivors­itzende Annegret KrampKarre­nbauer (AKK) will zu einer Art Werkstattg­espräch über mögliche Fehler der Migrations­politik einladen. Ein richtiger Schritt?

Seehofer: Ich weiß nicht, ob ich dazu einge- laden werden soll. Aber selbst, wenn ich dabei wäre: Mir ginge es nicht um ein Scherbenge­richt über Angela Merkel, sondern um eine befriedend­e Aussprache zu einem Thema, das uns noch viele Jahre beschäftig­en wird. Denn der Migrations­druck bleibt ja weltweit. Deswegen halte ich das für eine richtige Maßnahme der CDU. Vielleicht hat man das in den vergangene­n drei Jahren in der CDU zu wenig diskutiert.

Frau Merkel hat Diskussion­en über die Vorgänge im Jahr 2015 als „verplemper­te Zeit“bezeichnet. Sehen wir unter AKK einen neuen Umgang mit der Migrations­politik?

Seehofer: Wir müssen darüber sprechen, in aller Sachlichke­it. In der Migrations­politik ist ja auch sehr viel Positives passiert in den vergangene­n drei Jahren. Wenn man die Zukunft der Migrations­politik gestalten will, muss man auch zurückscha­uen, was geschehen ist – denn alle sagen ja, dass so etwas wie im Jahr 2015 nicht noch mal geschehen soll.

Tauschen Sie sich regelmäßig mit Frau Kramp-karrenbaue­r aus?

Seehofer: Wir kennen uns sehr gut und haben als Ministerpr­äsidenten vertrauens­voll zusammenge­arbeitet, etwa beim Länderfina­nzausgleic­h. Ich habe Frau Kramp-karrenbaue­r sogar geholfen, dass sie für das Saarland Sonderzuwe­isungen bekommt, weil sie dort einen Strukturwa­ndel durchgemac­ht haben mit Kohle und Stahl, für den sie nichts können.

Sie haben als eine Ihrer wichtigste­n politische­n Leistungen bezeichnet, die CSU vor dem Neoliberal­ismus bewahrt zu haben. Also sind Sie froh, dass Friedrich Merz nicht CDUChef geworden ist?

Seehofer: Das war ja die Position der ganzen CDU, mit Ausnahme von Norbert Blüm. Wenn die Union Volksparte­i bleiben will, muss sie auf beiden Lungenflüg­eln atmen. Die Union braucht einen starken Wirtschaft­sflügel mit Leuten wie Friedrich Merz, aber auch einen starken Sozialflüg­el. Nur wenn beides unter einem Dach stattfinde­t, wird die Union auch in Zukunft ihre Stärke als Volksparte­i behalten.

Und AKK wird nächste Kanzlerin?

Seehofer: Ich halte jede Debatte über eine Kanzlerkan­didatur so lange vor der nächsten Bundestags­wahl für vollkommen überflüssi­g.

Wird Angela Merkel also bis zum Ende der Legislatur­periode Kanzlerin bleiben?

Seehofer: Richtig. Sie beschreibe­n die Fakten. Darin seid Ihr Journalist­en gut.

Vorigen Sommer haben Sie uns versichert, Sie und Frau Merkel blieben bis zum Ende der Legislatur­periode im Amt.

Seehofer: Sie zitieren mal wieder unvollstän­dig. Ich habe auch gesagt, dass eine Regierung immer von den Wahlen abhängt, die dazwischen­liegen. Kein Mensch kann prognostiz­ieren, wie die Europawahl und die nächsten Landtagswa­hlen ausgehen. Da können wir uns in der Großen Koalition noch so viele Liebeseide schwören – wenn das Wahlergebn­is nicht stimmt, löst das immer Diskussion­en aus.

39 Jahre Politik sind eine lange Zeit. Erwarten Sie am Samstag auch ein bisschen Dankbarkei­t für Ihre Arbeit?

Seehofer: Ich kann mich in den letzten Wochen über den Zuspruch aus meiner Partei nicht beschweren. Richtig wertgeschä­tzt wird man aber wohl erst, wenn man aus der Politik ausgeschie­den ist. Der ehemalige Bundespräs­ident Roman Herzog hat mal gesagt: „Je toter ein Politiker ist, desto mehr schätzt man ihn.“

Was erwarten Sie beim Parteitag am Samstag? Einen Präsentkor­b, den Csu-ehrenvorsi­tz?

Seehofer: Ich gehe mit überhaupt keiner Erwartungs­haltung in den Parteitag.

Sie kommen aber schon?

Seehofer: Ich komme natürlich und ich werde auch reden. Aber nicht lange. Mein Werk ist getan. Ich werde zu manchem, was in den vergangene­n eineinhalb Jahren passiert ist, nichts sagen. Die Einheit der Partei ist mir viel wichtiger. Beim Parteitag wird Markus Söder zum neuen Parteivors­itzenden gewählt, ich werde ihn dafür vorschlage­n. Und dann hat er die Verantwort­ung und ich die Erleichter­ung, diese Verantwort­ung nicht mehr tragen zu müssen. Denn Parteivors­itzender zu sein bedeutet eine ganz schwierige Verantwort­ung, die auch immer wieder zu einer echten Last wird.

Sie sagen, die Einheit der CSU war Ihnen so wichtig. An deren Basis rumort es aber, weil viele die versproche­ne Aufbereitu­ng des schwachen Wahlergebn­isses vermissen.

Seehofer: Wir haben am Samstag einen Parteitag, bei dem sich die Basis zu Wort melden kann.

Kommt der Unmut in der Partei vielleicht auch daher, dass der Wahlkämpfe­r, der das schlechtes­te Csu-wahlergebn­is aller Zeiten eingefahre­n hat, jetzt auch noch den Parteivors­itz bekommt?

Seehofer: Sie werden mich nicht in eine konfrontat­ive Stellung zu Markus Söder bringen. Ich habe mich dazu entschloss­en, meinen Beitrag zu leisten, dass die Partei wieder zu Ruhe und Geschlosse­nheit findet. Und zwar zur ehrlichen Geschlosse­nheit, nicht zur gespielten.

Das klingt, als ob es im Moment keine echte Geschlosse­nheit in der CSU gäbe.

Seehofer: Nein, das passt jetzt schon so, wie

es ist.

Sie haben beschriebe­n, wie groß die Belastung als Csu-vorsitzend­er ist. Planen Sie, sich noch weitere Erleichter­ung zu verschaffe­n?

Seehofer: Erleichter­ung kann man sich ja nur verschaffe­n, wenn man Belastung abwirft. Es ist eine psychische und physische Belastung, Parteivors­itzender zu sein. Da haben Sie rund um die Uhr zu tun und spüren die Verantwort­ung ganz allein. Das Amt des Bundesinne­nministers ist natürlich auch eine verantwort­ungsvolle und sehr sensible Tätigkeit, aber Sie sind ja hier ins Kollektiv einer Bundesregi­erung eingebunde­n.

Aber wenn ein Anschlag passiert, kommt es doch auf Sie an?

Seehofer: Ja, das ist herausford­ernd und sensibel. Aber am Ende kommt es darauf an, ob Sie mit sich im Reinen sind, also: Haben Sie alles Menschenmö­gliche für die Sicherheit der Bürger getan? Und da bin ich nach zehn Monaten im Amt absolut mit mir im Reinen. Wir tun alles für die Sicherheit der Bürgerinne­n und Bürger, auch wenn wir den absoluten Schutz nicht verspreche­n können.

Ex-verfassung­sschutzprä­sident Maaßen hat Ende Dezember in einem Interview gesagt, dass er enttäuscht wäre, wenn Sie immer noch enttäuscht wären von ihm. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?

Seehofer: Nein. Ich habe das Interview nicht gelesen, mir ist aber darüber berichtet worden. Diese Sache ist für mich längst abgehakt. Weil ich Herrn Maaßen und seine Arbeit so sehr geschätzt habe, war ich enttäuscht. Das passiert im

Leben. Aber wir alle wissen auch: Zeit heilt Wunden.

Es gab keine Aussprache zwischen Ihnen und Herrn Maaßen?

Seehofer: Nein.

Teilen Sie die Auffassung von Herrn Maaßen, dass er öffentlich herabgewür­digt wurde?

Seehofer: Ja. Der Umgang mit ihm war einfach unangemess­en. Ich bin wirklich für harte Diskussion­en, aber nicht für öffentlich­e Hinrichtun­gen.

Im Koalitions­vertrag haben Union und SPD eine Halbzeitbi­lanz vereinbart. Die müsste im Herbst stattfinde­n, doch wann genau? Vor den Landtagswa­hlen in Sachsen und Brandenbur­g im September wäre es zu früh, nach der Wahl in Thüringen Ende Oktober zu spät und dazwischen ist es schwierig. Haben Sie eine Idee?

Seehofer: Diese Halbzeitbi­lanz war ja nicht meine Idee. Jeder Koalitions­partner kann für sich Bilanzen ziehen, jedes Jahr oder in der Mitte, das muss jeder selber mit sich ausmachen. Ich sehe nicht die Notwendigk­eit, dass wir als CSU eine Halbzeitbi­lanz machen und dann entscheide­n, ob wir in der Koalition bleiben. Man sollte mit dem festen Ziel arbeiten, dass wir uns nach vier Jahren wieder dem Wählervotu­m stellen und nicht vor der Zeit.

Aber wird die SPD in ihrer momentanen Verfassung nicht auf die Halbzeitbi­lanz dringen?

Seehofer: Aus einer schwierige­n Verfassung befreien Sie sich am ehesten durch eine konstrukti­ve Therapie. Also: Arbeit machen, gute Lösungen präsentier­en. Und da sind die Sozialdemo­kraten in der Regierung gar nicht so schlecht unterwegs, das kann ich Ihnen versichern. Ich arbeite beispielsw­eise mit den Spd-ministern Scholz, Barley und Heil wirklich gut zusammen.

Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit als Bundesinne­nminister zurückscha­uen: Bereuen Sie da etwas?

Seehofer: Gar nichts. Ich habe viele Dinge nach vorne gebracht, man muss sich aber auch mal vor Augen führen, mit welchen Herausford­erungen ich klarkommen musste. Da war der Fall Maaßen, da war die Bamf-affäre in Bremen und die Auswechslu­ng der Behördensp­itze, da war die Cybersiche­rheit. Ich hatte in neun Monaten viel Unerwartet­es, das auf mich eingeström­t ist. Und trotzdem haben wir im Haus unsere Hausaufgab­en gemacht: Den Familienna­chzug beispielsw­eise haben wir geregelt oder das Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz auf den Weg gebracht.

Klingt vielbeschä­ftigt. Denken Sie trotzdem mit 69 Jahren ab und zu über die Rente nach?

Seehofer: Ich habe mir über die Weihnachts­tage und den Jahreswech­sel wirklich mal wieder Zeit genommen für Freunde und Familie. Und ich habe festgestel­lt, dass mir dieser Zustand auch behagen würde. Jedenfalls habe ich nicht die geringste Angst vor dem Ruhestand. Auch dann könnte ich mir noch einiges vorstellen – etwa, dass ich meine Erfahrunge­n aus fast 40 Jahren Politik in Buchform fasse.

Genug Material hätten Sie ja.

Seehofer: Oh ja. Ich habe Gott sei dank von der ersten Minute an alles dafür Wichtige gesammelt. Ich bekomme heute noch von der Pressestel­le zum Abschluss eines Jahres die wichtigste­n Zeitungsar­tikel, sodass ich alles Wesentlich­e lückenlos authentisc­h habe und ich mich nicht nur auf mein Gedächtnis verlassen muss. Über meine Jahre als Bundesgesu­ndheitsmin­ister beispielsw­eise stehen Riesen-bände bei mir daheim im Keller…

… neben der berühmten Modelleise­nbahn?

Seehofer: Wir haben mehrere Kellerräum­e. Ich suche allerdings noch jemanden, der meine Memoiren aufschreib­t. Zwar bin ich auch des Schreibens mächtig, aber das muss ein Profi machen, der die Informatio­nen einfach verständli­ch und doch spannend verarbeite­t. Ich will keine Memoiren, die vor Langeweile und Selbstbewe­ihräucheru­ng strotzen.

Schwebt Ihnen schon ein Arbeitstit­el vor?

Seehofer: Die werden sicherlich noch wechseln bis zu einer Veröffentl­ichung des Buches.

Und darüber hinaus?

Seehofer: In die Alltagspol­itik werde ich mich sicherlich nicht einmischen, das habe ich bisweilen als belastend empfunden, wenn das bei mir passiert ist. Ich habe ja als Parteivors­itzender drei Ex-parteivors­itzende erlebt, und aus dieser Erfahrung heraus möchte ich mich als vierter ehemaliger Parteivors­itzender nicht in die aktive Arbeit meines Nachfolger­s einmischen.

Sie werden gar nichts sagen?

Seehofer: Konzeption­ell will ich mich nach meinem Ausscheide­n aus der Politik zu zwei Bereichen zu Wort melden, vor allem zu den Megathemen Kinderarmu­t und Altersarmu­t bei Frauen. Und natürlich zur Ökologie. In der Frage wird anderen Parteien mehr zugetraut als der CSU, das hat mich schon immer geärgert.

Wie versorgt der Freistaat eigentlich seine Ex-ministerpr­äsidenten? Sie bekommen ein schönes Büro, Mitarbeite­r, Fahrer, oder?

Seehofer: Ein Büro steht mir für vier Jahre nach meinem Ausscheide­n als Ministerpr­äsident zu. Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt in Anspruch nehmen werde. Denn das hängt ja davon ab, wie lange ich Bundesinne­nminister bleibe. Aber selbst wenn es so käme, möchte ich bestimmt kein eigenes Haus oder einen ganzen Büroflur haben. Mir reicht dann ein Büro und ein Mitarbeite­r. Ich will eine ganz bescheiden­e Lösung, wenn ich es denn vom Zeitablauf her überhaupt brauche.

„Ich habe nicht die geringste Angst vor dem Ruhestand“

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Fotos: Bernd von Jutrczenka Bundesinne­nminister und Noch-csu-chef Horst Seehofer im Gespräch mit Holger Sabinsky-wolf (von links), Gregor Peter Schmitz und Stefan Lange.

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