Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Eine runde Sache
Erwin Fendt aus Neusäß hat seit 50 Jahren das Patent auf eine ganz besondere Parkscheibe. Sein Modell ist in vielen Ländern Europas unterwegs und sogar die Polizei der Stadt Kassel kennt nichts Besseres
Neusäß Selten hat sich wahrscheinlich ein Mensch so geirrt, wie einst Kaiser Wilhelm II. Er sagte: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“Mittlerweile gibt es weltweit 1,5 Milliarden Kraftfahrzeuge, davon allein in Deutschland rund 63 Millionen. Doch die rasante Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten: Es gibt immer weniger freie Parkplätze. Und dies brachte Erwin Fendt aus Neusäß vor nunmehr 50 Jahren auf eine ganz patente Idee.
Fendt kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als man sein Auto einfach irgendwo abstellte, auf einen Zettel die Ankunftszeit schrieb und keine Angst vor Knöllchen haben musste. Doch diese Zettelwirtschaft gefiel dem gelernten Maschinenschlosser und studierten Maschinenbautechniker irgendwann nicht mehr. „Ich habe mir gedacht, da muss es doch etwas anderes geben“, erinnert sich der 77-Jährige. Gesagt, getan. Fendt entwickelte in Heimarbeit eine runde Scheibe ähnlich einer Uhr, baute einen roten Zeiger ein, montierte auf der transparenten Oberfläche eine Klebefolie – und fertig war die erste von innen an der Windschutzscheibe anzubringende Parkscheibe „Made in Neusäß“.
Fendt ließ sich 1968 seine Idee beim Patenamt schützen. Es folgten weitere Anmeldungen in Frankreich, Österreich und der Schweiz, wo die Behörde „Amt für Geistiges Eigentum“heißt. Fendts Parkscheibe konnte durchstarten. „Ich habe über einen Handelsvertreter den Vertrieb über Tankstellen und Autohäuser aufgebaut“, sagt er. Bis zu 30 Mitarbeiter waren zeitweise mit der Produktion beschäftigt, um die steigende Nachfrage zu erfüllen.
Der Erfolg wurde nur kurz gebremst. 1971 kam in Deutschland die Straßenverkehrsordnung (STVO), einige Jahre später gab es sogar eine einheitliche Regelung der Europäischen Gemeinschaft. Runde Parkscheiben waren somit nicht mehr erlaubt. Fendt aber reagierte umgehend. Gemäß den Vorgaben aktualisierte er die Form und der Siegeszug seiner nunmehr eckigen selbstklebenden Parkscheibe konnte weitergehen. Fendt weiß heute nicht mehr genau, wie viele Autos mit seinem Produkt unterwegs sind. „Ich habe einmal in der Siebdruckerei, die die Bögen fertigt, nachgefragt, ob es Absatzzahlen gibt“, sagt er. Dies lasse sich aber nicht mehr genau ermitteln. Nachdem aber aus dem einen Handelsvertreter, der von Tankstelle zu Tankstelle zog, eine internationale Verkaufstruppe geworden ist, dürfte die Zahl „in die Millionen“gehen. Schließlich gab es unter anderem Niederlassungen in Österreich und sogar der damaligen DDR.
Fendt hat das Urmodell seiner Parkscheibe immer wieder modifiziert. Es folgten Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen für Scheiben mit Saugnapf, für zusammenlegbare Scheiben oder für spezielle Halterungen. „Der Vorteil meiner Konstruktion ist, dass sie konstant an einer Stelle bleibt, durchsichtig ist, den Fahrer nicht behindert und bei Kontrollen sofort auffällt“, sagt er. Ein Vorteil, den auch Kassel, wo es als erste deutsche Stadt bereits seit 1961 die Kurzparkregelung gibt, erkannt hatte. „Wir werden unsere Dienstfahrzeuge damit ausrüsten“, teilte ihm die Polizeidirektion 1971 schriftlich mit. Schließlich sei Fendts Scheibe „durch ihre Gestalt und Anbringungsart die beste und zweckmäßigste aller uns bekannten“, schrieb der damalige Polizeidirektor.
Doch eine Frage bleibt ob des großen Erfolgs und der hohen Verkaufszahl der „an der Innenseite der Windschutzscheibe selbstklebenden Parkscheibe“offen. Kann ein Erfinder mit diesem Exponat, das aktuell für 79 Cent verkauft wird, Millionär werden? Fendt muss laut lachen. „Nein, sagt er, „aber es geht uns nicht schlecht.“Und weil für ihn die nunmehr eckige Parkscheibe auch nach 50 Jahren immer noch eine runde Sache ist, klebt er heute noch mit seiner Frau individuelle Werbeaufkleber auf die fertig bedruckten Scheiben höchstpersönlich auf.