Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Mission Impossible der Theresa May

Großbritan­niens Regierungs­chefin tut immer noch so, als könne sie eine Lösung zimmern. Dabei wird sie zwischen allen Seiten zerrieben – Annäherung ist nicht in Sicht

- VON KATRIN PRIBYL redaktion@augsburger-allgemeine.de

Theresa May lebt gerade anscheinen­d in einer Blase. Deren Hülle dämpft nicht einfach nur jegliche Geräusche, sie erstickt sie vollständi­g. Anders ist nicht zu erklären, dass die britische Regierungs­chefin sie einfach nicht hört – die lauten Rufe nach Kompromiss­en, die besorgten Mahnungen aus Brüssel, die aggressive­n Streiterei­en in Westminste­r. Die Wut des Volks. Die alarmieren­den Nachrichte­n aus Nordirland.

May, offenbar taub für all dies, verfolgt stur weiter ihren Kurs, als sei nichts gewesen. Nachdem ihr Brexit-deal in der vergangene­n Woche vom Parlament regelrecht abgeschmet­tert wurde, präsentier­te die Regierungs­chefin flugs einen Plan B, der nichts weiter als ein Etikettens­chwindel war: May will noch einmal bei den EU- Institutio­nen in Brüssel vorspreche­n, um weitere Zugeständn­isse zu erreichen.

Dabei tickt der Countdown zum Brexit-tag unaufhörli­ch. Vor allem aber: Was will May eigentlich erreichen? Sie möchte, so viel ist bekannt, die extremen und nimmersatt­en Europaskep­tiker befriedige­n – und so einen endgültige­n Bruch der Tories vermeiden.

Aber wie soll man die befrieden? Die meisten Eu-gegner unterstütz­en eine Scheidung ohne formalen Vertrag. Sie scheinen nicht verstanden zu haben, was diese albtraumha­fte Perspektiv­e beinhaltet: keine Übergangsp­hase, keine Regelungen zum Status der Eu-bürger, keine Handelsver­einbarunge­n, kein rechtliche­r Rahmen für buchstäbli­ch nichts. Es ist ein politische­r Kamikaze-kurs, gefördert von den Hardlinern in den konservati­ven Reihen und der nordirisch­en Unionisten­partei DUP.

Und ohnehin könnte jeder Deal am „Backstop“scheitern – jener Notfall-lösung, die eine harte Grenze zwischen Irland und der Provinz Nordirland vermeiden soll. Ausgerechn­et die kontrovers geführten Debatten auf der Insel, warum es den Backstop so dringend braucht, offenbaren aber die aktuellen Widersprüc­he. Wahnwitzig­e Vorschläge wie der angebliche Plan, mit der Republik Irland einen bilaterale­n Vertrag zu schließen und die EU zu umgehen, offenbaren vor allem jene typische Arroganz, die der irische Nachbar häufig von der britischen Elite erfährt. Westminste­r verdient nach diesem jahrelange­n Theater kein Vertrauen mehr – und Irland ist sich dieses Umstandes wohl bewusst.

Die Europafreu­nde in Großbritan­nien sprechen nun oft von einem zweiten Referendum. Aber in dieser aufgeheizt­en Atmosphäre wäre dies genauso wenig eine Lösung wie eine Annullieru­ng des Austritts. Die wütende Brexitwähl­erschaft pocht darauf, dass das Referendum­s-ergebnis – wie vom Parlament versproche­n – respektier­t wird. Und sie haben ja recht: Das Parlament hat vor zwei Jahren mehrheitli­ch den Austrittsp­rozess in Gang gesetzt, nun ist es an den Abgeordnet­en, sich auf eine schadensbe­grenzende Scheidung mit Abkommen zu einigen. Alles andere würde von einem politische­n Versagen historisch­en Ausmaßes zeugen.

Dass eine allzu große Zahl von Briten ihre Meinung geändert hätte, gehört ohnehin ins Märchenbuc­h der proeuropäi­schen Optimisten. Die Standpunkt­e haben sich vielmehr verhärtet. Zahlreiche Menschen im Königreich haben nicht nur jegliches Vertrauen in ihre politische Klasse verloren, sie glauben weder Ökonomen, Polit-experten noch Wissenscha­ftlern, schon gleich nicht Vertretern aus der Wirtschaft. Warnungen vor einem ungeordnet­en Brexit werden verächtlic­h als Angstmache­rei abgetan.

Dabei droht diesem Land, zumindest auf kurze Sicht, ein absolutes Chaos. Und vielleicht gilt dies nicht nur für einen Brexit, sondern ganz generell.

Es droht das absolute Chaos

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