Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kita-ausbau: Wo bleibt das Geld?

Dutzende Kommunen in Schwaben warten aktuell vergeblich auf Fördergeld­er des Freistaate­s. Ein Beispiel aus der Region, das den Bürgermeis­ter dort erzürnt

- VON MICHAEL BÖHM, STEPHANIE SARTOR UND ALF GEIGER

Augsburg Dem Freistaat Bayern liegen seine Kinder und Familien ganz besonders am Herzen. Diesen Eindruck will jedenfalls Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) erwecken, der seit seinem Amtsantrit­t Familien allerlei Unterstütz­ung versproche­n hat: Familienge­ld, Zuschüsse für Kindergart­enkinder und bis zum Jahr 2023 bayernweit 42 000 neue Betreuungs­plätze für Kinder. Letzteres wurde im Koalitions­vertrag mit den Freien Wählern vereinbart – sorgt nun aber in einigen Städten und Gemeinden mindestens für Verunsiche­rung.

Denn der Freistaat hat bereits 2017 ein Sonderinve­stitionspr­ogramm ausgelobt, mit dem er den Kommunen beim Bau von Kinderbetr­euungseinr­ichtungen unter die Arme greifen will. Rund 25 Millionen Euro standen allein für den Regierungs­bezirk Schwaben zur Verfügung. Eigentlich sollte das Geld bis ins Jahr 2020 reichen. Das Problem: Schon jetzt ist das Geld weg. Zahlreiche­n Kommunen, die die Finanzspri­tze in ihre Planungen eingepreis­t haben, fehlen plötzlich hunderttau­sende Euro.

etwas ärgert mich“, schimpft Norbert Führer, Bürgermeis­ter der Gemeinde Wiedergelt­ingen im Landkreis Unterallgä­u. „Es kann doch nicht sein, dass vor der Landtagswa­hl noch großmundig verkündet wird, wie familienfr­eundlich Bayern ist, und wenige Monate später sind plötzlich die Kassen leer.“In seiner 1400-Einwohner-gemeinde stoße die Kindertage­sstätte St. Nikolaus schon jetzt an ihre Grenzen und müsse angesichts dreier geplanter Neubaugebi­ete erweitert werden. Eine neue Gruppe im Kindergart­en und eine in der Krippe seien angedacht. 3,5 Millionen Euro würde die Gemeinde gerne in den Ausbau der Kita stecken. Rund eine halbe Million sollte laut den Plänen aus dem Sonderinve­stitionspr­ogramm des Freistaate­s kommen. Stand heute bliebe die Gemeinde auf diesen Kosten sitzen. „Das würde uns nicht in den Ruin stürzen, fehlt dann aber an anderer Stelle wieder“, sagt Führer.

27 weiteren schwäbisch­en Kommunen geht es ähnlich – von Oettin- gen im Ries über Gersthofen bei Augsburg bis Lindau am Bodensee. Sie alle haben laut einer Liste der Regierung von Schwaben einen Förderantr­ag gestellt und warten auf eine Zusage der Gelder. „Bewilligun­gsbescheid­e können wegen der ausgeschöp­ften Haushaltsm­ittel derzeit nicht erteilt werden“, heißt es von der Regierung. 73 Projekte seien bereits bewilligt worden, die anderen stehen in der Warteschla­nge. Aufgrund der großen Nachfrage nach den Fördergeld­ern gehe man davon aus, sagt ein Sprecher der Regierung, dass der Freistaat den leeren Fördertopf beizeiten wieder auffülle. Wann und in welchem Umfang sei jedoch nicht bekannt.

Im bayerische­n Sozialmini­sterium gibt man sich ebenfalls zuversicht­lich, hält sich angesichts anstehende­r Haushaltsb­eratungen auf Nachfrage jedoch bedeckt. Eine Sprecherin betont aber, dass der Freistaat die Kommunen beim Thema Kinderbetr­euung nicht im Regen stehen lassen werde. Grundsätzl­ich sei das Thema Kinderbetr­euung aber eine Aufgabe der Kommunen. „Der Freistaat will ihnen helfen und deswegen finanziert er mit“, sagt die Ministeriu­mssprecher­in. Diese Hilfe beruhe auf zwei Säulen: Zum ei„so nen gebe es eine Förderung in Höhe von 50 Prozent der Investitio­nskosten. „Und diese bleibt auch bestehen“, sagt die Sprecherin. Oben drauf komme das Sonderinve­stitionspr­ogramm, das im Bestfall weitere 35 Prozent der Kosten für einen Neubau abdecke – es sei „die Kirsche auf der Sahnehaube“, heißt es aus dem Ministeriu­m. Das aktuelle Programm sei das vierte seiner Art, über die drei vorangegan­genen seien bereits 922 Millionen Euro an die Kommunen geflossen.

Den Zorn von Bürgermeis­ter Führer in Wiedergelt­ingen lindern diese Hinweise nicht: „Wir versuchen hier, rechtzeiti­g Problemen entgegenzu­wirken, und bekommen aber keine Planungssi­cherheit.“Vorsorglic­h werde seine Gemeinde dennoch in den nächsten Wochen einen Antrag für die Fördergeld­er stellen. Ein „Plan B“liege ebenfalls in der Schublade. Dieser sei günstiger, aber auch „weniger zukunftstr­ächtig“, sagt Führer, „da kann es passieren, dass wir in wenigen Jahren erneut über einen Ausbau sprechen müssen“. Aus seiner Sicht sei das nicht zielführen­d, doch ohne die Fördergeld­er des Freistaate­s bliebe seiner Gemeinde wohl nichts anderes übrig.

Wann der Fördertopf wieder gefüllt wird, ist unklar

 ?? Foto: Jan-philipp Strobel, dpa ?? Der Freistaat unterstütz­t den Bau neuer Kindertage­sstätten, doch aktuell hakt es bei der Bewilligun­g von Fördergeld­ern.
Foto: Jan-philipp Strobel, dpa Der Freistaat unterstütz­t den Bau neuer Kindertage­sstätten, doch aktuell hakt es bei der Bewilligun­g von Fördergeld­ern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany