Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gerade noch Bundestrai­ner, jetzt Lehrer

Henning Lambertz war sechs Jahre lang Chef der deutschen Nationalma­nnschaft. Dann trat er zurück – und ist ab Februar Realschull­ehrer in Wuppertal. Warum kam es zum Bruch?

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Am Montag gab der Deutsche Schwimmver­band bekannt, wer seine Sportler zu den Olympische­n Spielen 2020 nach Tokio begleiten wird. Bernd Berkhahn (Teamchef) und Hannes Vitense (Teamcoach) sollen das gemeinscha­ftlich übernehmen. Deren Beförderun­g war nötig geworden, weil Bundestrai­ner Henning Lambertz Ende des vergangene­n Jahres die Brocken hingeschmi­ssen hatte. Seitdem ist der Ex-bundestrai­ner ein entspannte­r Mann – und der Verband flickschus­terte unter Hochdruck an einer Lösung für dessen Nachfolge herum.

Während Berkhahn und Vitense „den deutschen Schwimmspo­rt in seiner Gesamtheit näher an die Weltspitze“führen sollen, wie es in einer Dsv-mitteilung spitz hieß, fuhr Lambertz mit seiner Familie in den Skiurlaub. Zuvor hatte der 48-Jährige all die Dinge erledigt, die ein Arbeitnehm­er erledigen muss, wenn er den Arbeitgebe­r wechselt. „Das war das ganz normale Prozedere, in dem man sein Arbeitsmat­erial per Rückgabepr­otokoll zurückgibt und dann den Schritt raus aus dem Unternehme­n macht – bis hin zur Löschung der E-mail-adresse. Lambertz@dsv gibt es nicht mehr“, erzählt der Ex-bundestrai­ner.

Sechs Jahre hatte er sich daran versucht, die deutschen Schwimmer internatio­nal wieder konkurrenz­fähig zu machen. Es ist ihm nur bedingt gelungen. Als die Nachfolger von „Albatros“Michael Groß bei den Sommerspie­len 2012 in London erstmals überhaupt ohne Medaille aus dem Becken gestiegen waren, hatte Lambertz übernommen. Er krempelte vieles um, musste aber bei den Spielen 2016 in Rio ebenfalls eine Nullnummer verantwort­en.

Von außen betrachtet hat sich also nicht viel getan. Hinter den Kulis- sen aber bohrte Lambertz dicke Bretter. Viele Vereinstra­iner ließen sich von Lambertz nur ungern sagen, wie sie ihre Arbeit zu tun hätten. Der Ex-bundestrai­ner umschreibt das so: „Entscheide­n heißt verletzen. Entscheide ich mich für etwas, entscheide ich mich immer auch gegen etwas anderes. Du kannst es nie allen recht machen.“Es habe sich zudem immer die Frage gestellt, inwieweit man Entscheidu­ngen als Entscheidu­ngen stehen lasse oder jede Einzelne im Detail noch 23-mal beleuchtet werde. Lambertz: „Das war dann in der Tat sehr kräftezehr­end. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ein Jogi Löw jedem erklärt, warum er jetzt der Meinung ist, dass ein Sané auf der Position X am besten spielt. Er setzt ihn dort ein oder nicht – und dann ist das seine Entscheidu­ng.“

Letztlich habe ihn aber seine Familie dazu bewogen, über den Rücktritt nachzudenk­en. Als sich dann auch Dsv-präsidenti­n Gabi Dörries im Machtkampf mit den Landesverb­änden aufgeriebe­n hatte und im Dezember zurücktrat, verlor Lambert seine stärkste Fürspreche­rin im Verband. „Da war für mich klar: Ohne Gabi kannst du das, was du dir vorstellst, nicht mehr erreichen. Und dann war der Entschluss doch relativ schnell gefasst.“

Seitdem genießt Lambertz die neu gewonnene Zeit mit seiner Gattin und den beiden Töchtern (ein und sieben Jahre). „Ich merke, wie entspannt auf einmal wieder das Zusammenle­ben mit meiner Frau zu Hause ist. Ohne dass alles in Hektik passiert. Diese neu gewonnene Lebensqual­ität ist schon eine Menge wert.“

Anders als im Fußball muss aber ein Ex-bundestrai­ner im Schwimmen auch nach dem Rücktritt noch arbeiten, um seine Familie zu ernähren. Ab 1. Februar ist Lambertz deshalb Lehrer an der Friedrich-bayerreals­chule in Wuppertal. 800 Meter Luftlinie sind es von seiner Haustüre bis ins Klassenzim­mer. Der einstige Bundestrai­ner wird dort Sport und Biologie unterricht­en.

Über einen Bekannten, ein ehemaliger Wasserball-nationalsp­ieler, war der Kontakt zustande gekommen. Der sei vor einigen Jahren ebenfalls als Quereinste­iger Lehrer geworden. „Im Sommer haben wir uns darüber unterhalte­n und er sagte damals: Mensch, vielleicht kannst du dir das auch mal vorstellen. Manchmal geht es schneller, als man denkt.“

Ganz kann Lambertz aber nicht vom Schwimmen lassen. Er schreibt weiter die Trainingsp­läne für Marco Koch, den Europameis­ter von 2014. Und er will sich in Wuppertal für den Nachwuchs engagieren. „Ich bin nicht ganz raus aus dem Geschäft“, sagt er mit einem Lachen. „Das Chlor bleibt mir erhalten, wenn auch in geringerer Dosis.“

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Foto: Jens Büttner, dpa Als Bundestrai­ner war Henning Lambertz Chef der deutschen Schwimmer. Ende des vergangene­n Jahres schmiss er die Brocken hin.

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