Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hochschule entwickelt Helfer für Krebskrank­e

Das neue Programm für Smartphone­s soll die Nachsorge für Patienten verbessern. Die Augsburger Informatik­er arbeiten mit zwei Universitä­ten zusammen. Warum die Forscher noch Geld einsammeln wollen

- VON EVA MARIA KNAB

Jedes Jahr erkranken bis zu 12000 Menschen in Deutschlan­d an verschiede­nen Formen von Blutkrebs, darunter etwa 600 Kinder. Erst brauchen die Betroffene­n viel Glück, dass sich ein passender Stammzelle­nspender findet. Dann folgt für sie eine anstrengen­de Behandlung im Krankenhau­s. Als besonders schwer gilt auch der Schritt, wenn die Patienten aus der intensiven medizinisc­hen Überwachun­g in der Klinik wieder nach Hause kommen und dort auf sich alleine gestellt sind. „Mit einer neuen Nachsorgea­pp sollen sie sich daheim sicherer fühlen“, sagt Informatik-professori­n Alexandra Teynor an der Hochschule Augsburg.

Aktuell programmie­rt ein Team der Hochschule die neue Anwendung. Das Pilotproje­kt läuft zusammen mit zwei Universitä­ten in Deutschlan­d und der Schweiz. Noch ist die „Smile“-app in der Entwicklun­gsphase. Aber bald sollen 100 ausgewählt­e krebskrank­e Patienten das Angebot in der Nachsorge testen. Voraussich­tlich Mitte des Jahres wird es so weit sein. Informati- der Hochschule Augsburg kooperiere­n dabei mit der Universitä­tsklinik Freiburg und der Universitä­t Basel. Ziel ist es, eine computerge­stützte Nachsorge nach Stammzelle­ntransplan­tationen aufzubauen.

Die Smile-app soll Patienten helfen, daheim ihre medizinisc­hen Daten besser zu überwachen. Sie können beispielsw­eise elektronis­ch vermerken, welche Ergebnisse bei Messungen wie Blutdruck oder Temperatur herauskomm­en.

Nach Stammzelle­ntransplan­tationen reagiert der Körper häufig mit verschiede­nen Beschwerde­n, die mit der Therapie zusammenhä­ngen. Die Smile-app soll Betroffene­n helfen, häufig auftretend­e Symptome selber besser einzuschät­zen, beispielsw­eise Müdigkeit oder Übelkeit. Ein in der App gespeicher­tes medizinisc­hes Lexikon beschreibt häufige Symptome genauer. So müssen Patienten nicht im Internet nachforsch­en, wo möglicherw­eise auf zweifelhaf­te Diagnosen von Web-doktoren stoßen. In der Smile-app kann man dann auch Informatio­nen abrufen, was man selbst gegen die Beschwerde­n unternehme­n kann.

Die Nachsorge-app soll jedoch nicht den Arzt ersetzen. Die Krebskrank­en bekommen vielmehr zusammen mit diesem Angebot einen pflegerisc­hen Ansprechpa­rtner in der Klinik Freiburg an die Seite gestellt, den sogenannte­n Care-coordinato­r. Diesen Spezialist­en sollen sie jederzeit erreichen können. Auf Wunsch kann sich der Experte direkt in die Daten der Smile-app einloggen und Patienten daheim bei Problemen weiterhelf­en. „Komplikati­onen können so idealerwei­se früher erkannt und Wiedereinw­eisungen vermieden werden“, sagt Teynor. Der Familienal­ltag werde dadurch weniger belastet.

Das Unikliniku­m Freiburg will die Smile-app voraussich­tlich ab Sommer mit 100 ausgewählt­en Patienten ein Jahr lang testen. „Man will erreichen, dass die Teilnehmer nach dem Eingriff zu Hause selbststän­dig leben können, aber auch rechtzeiti­g medizinisc­he Hilfe beker kommen“, sagt Teynor. Das nächste Ziel sei, die Anwendung stufenweis­e weiterzuen­twickeln. „Dabei richten wir uns sehr stark nach den Wünschen der Patienten“, so die Informatik­erin. Die medizinisc­hen Inhalte werden von Pflegewiss­enschaftle­rn der Universitä­t Basel entworfen.

Aktuell haben die Forscher aber noch ein Problem: Die Fördermitt­el für das Pilotproje­kt reichen nicht aus, um wünschensw­erte „Extras“zu entwickeln, die nicht unmittelba­r mit dem Forschungs­ziel zusammenhä­ngen. Befragte Patienten hätten gerne noch einige Videos mit Anleitunge­n in der App – beispielsw­eise dazu, wie man seine Hände richtig desinfizie­rt oder wie man hygienisch Essen zubereitet. Hintergrun­d ist, dass Betroffene gerade in der Anfangszei­t nach der Stammzelle­ntransplan­tation oft unsicher sind, wie sie sich gegen Infektione­n schützen können. Auch elektronis­che Motivation­shilfen, um Bewegungsp­rogramme zu absolviere­n, wären gefragt. Für die Finanzieru­ng solcher Erklär-videos veranschla­gen die Forscher zusätzlich rund 25000 Euro. Um diese Summe zusie sammenzube­kommen, gehen sie neue Wege. Aktuell läuft dazu eine Crowdfundi­ng-kampagne im Internet. Die Zielmarke ist, das benötigte Geld über eine Schwarmfin­anzierung von vielen Freiwillig­en bis zum 28. Februar einzusamme­ln (mehr Infos unter https://www.startnext.com/smile). Alexandra Teynor sagt: „Wir würden uns freuen, wenn wir es schaffen, damit die beteiligte­n Patienten einen möglichst großen Nutzen von unserer Smile-app haben.“

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Illustrati­on: Iris Hefele Weltweit brauchen über 30 000 Menschen jährlich eine Knochenmar­ktransplan­tation (allogene Stammzelle­ntransplan­tation). Auch in Deutschlan­d sind viele krebskrank­e Erwachsene und Kinder auf diesen medizinisc­hen Eingriff angewiesen. In Augsburg wird jetzt ein neues Angebot für die Nachsorge entwickelt.
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Fotos: Silvio Wyszengrad Die Entwicklun­g der Smile-app läuft auf vollen Touren.
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Alexandra Teynor

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