Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Prügelatta­cke: Sechs Angeklagte gestehen

Vor knapp einem Jahr sollen sieben Rumänen vor einer Bar drei Opfer verprügelt haben. Nachdem der Mordvorwur­f vom Tisch ist, räumen alle bis auf einen ein, an der Tat beteiligt gewesen zu sein

- VON KLAUS UTZNI

Der Sitzungsra­um 101 ist der größte Gerichtssa­al im Strafjusti­zzentrum. Dennoch herrscht dort drangvolle Enge, wenn vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts der Prozess um die Prügelatta­cke vor einer Bar in der Theaterstr­aße im Februar 2018 verhandelt wird. Knapp 50 Verfahrens­beteiligte müssen vor der Absperrung zum Zuschauerr­aum eng zusammenrü­cken, darunter die sieben angeklagte­n Rumänen, ihre acht Verteidige­r, vier Dolmetsche­r, 14 Wachbeamte der Polizei, sechs Gutachter und drei Berufs- und zwei Schöffenri­chter.

Am Montag hat die Jugendkamm­er noch einmal die Angeklagte­n befragt, nachdem es am Sitzungsta­g zuvor zu einer Besprechun­g mit den Verteidige­rn, Staatsanwä­ltin Kerstin Reitlinger und dem Nebenklage­anwalt gekommen war. Das Ergebnis dieser „Verfahrens­verständig­ung“, das Gerichtsvo­rsitzender Lenart Hoesch am Montag verkündet, ist für die angeklagte­n Bauarbeite­r durchaus positiv.

Der Vorwurf des Mordversuc­hs ist gestrichen. Der Grund: Auf einem Video im Eingangsbe­reich der Bar sieht man, wie sich Murat C., 28, (Name geändert) in die Auseinande­rsetzung zwischen den Rumänen und den Security-männern der Bar einmischt. Offenbar deshalb, weil er einen der Sicherheit­sleute kennt und ihm zu Hilfe eilen will. Dass Murat C., sein Kumpel und eine Frau als „unbeteilig­te Passanten“zusammenge­schlagen und teils schwer verletzt wurden, wie die Anklage angenommen hat, ist nicht mehr zu halten. Weil die Angeklagte­n am Ende freiwillig von den drei Opfern abließen, bleibt als Vorwurf die gefährlich­e Körperverl­etzung übrig. Fünf der Angeklagte­n hatte die Polizei noch vor Ort festgenomm­en.

Unter der Voraussetz­ung eines vollen Geständnis­ses und eines Täter-opfer-ausgleichs (Schmerzens­geldzahlun­g) kündigt Staatsanwä­ltin Reitlinger an, Haftstrafe­n zwischen sechs und sechseinha­lb Jahren beantragen zu wollen. Einige Verteidige­r halten Strafen zwischen drei und vier Jahren für ausreichen­d. Einer der Angeklagte­n, J. N. (Verteidige­r: Prof. Hermann Kühn), will als Einziger an der Prügelatta­cke gegen die drei Passanten überhaupt nicht beteiligt gewesen sein.

Klar ist, was sich an jenem Abend bis zur Attacke draußen vor der Bar ereignete. Die Angeklagte­n hatten nach der Arbeit kräftig einen Geburtstag gefeiert, teils eine „rumänische Party“, teils ein Bordell besucht. Getrunken wurde vorzugswei­se Bier und Whisky mit Cola. Die Nacht endete in der Bar in der Theaterstr­aße. Dort geriet J. S. mit zwei Männern in Streit, weil er mit deren Begleiteri­nnen tanzen wollte. Es flogen Fäuste und Gläser. Die Sicherheit­sleute der Bar warfen einen nach dem anderen der Rumänen aus der Bar. Im Eingangsbe­reich kam es zu der Schlägerei, in der sich auch Murat C. einmischte. Gegen ihn, seinen Begleiter und eine Frau richtete sich dann offenbar die Wut der Bauarbeite­r. Was vor dem Lokal geschah, wurde durch die Videoanlag­e nicht erfasst. Deshalb befragen Richter, die Staatsanwä­ltin, Verteidige­r und Gutachter ausführlic­h alle Angeklagte­n nach ihrer Tatbeteili­gung und ihrem Alkoholkon­sum.

Auffällig an den Aussagen ist, dass zwar sechs der Angeklagte­n Schläge und auch Fußtritte in unterschie­dlicher Intensität gegen die am Boden liegenden Opfer einräumen. In welcher Weise jeweils die übrigen Kollegen prügelten, daran wollen sich die meisten nicht mehr erinnern können. Auch die Frage, warum man überhaupt die drei Passanten attackiert­e, bleibt unbeantwor­tet. Der Angeklagte V. R. (Verteidige­r: Marco Müller) sagt: „Die einzige Erklärung ist der Alkohol.“Der Angeklagte I. J. (Verteidige­rin: Cornelia Mccready) – weil er zur Tatzeit noch unter 21 Jahren war, ist die Jugendkamm­er für das Verfahren zuständig – räumt Schläge und Tritte gegen die beiden männlichen Opfer ein. Er habe aber damals geglaubt, einer der beiden wolle ihn angreifen. Sein Bruder (Verteidige­r: Jörg Seubert) behauptet, von einem der Opfer einen Faustschla­g bekommen und deshalb mitgeprüge­lt zu haben. Die Frau habe er „nur geschubst“. Er habe auf Murat C. eingeschla­gen und eingetrete­n, das gesteht auch G. M. (Verteidige­r: Ralf Schönauer). „Ich hatte Wut, weil ich in der Bar zu Boden geworfen wurde, ich wollte mich irgendwie rächen“, begründet S. M. (Verteidige­r: Florian Engert) seinen Anteil an der Attacke. „Ich habe auch die Dame geschlagen, was ich sehr bereue“, gibt er zu Protokoll. Der einzige Angeklagte, der sich auf Deutsch verständig­en kann, ist J. S. (Verteidige­r: Moritz Bode und Kai Wagler). Mit Stolz erklärt er seine Sprachkenn­tnisse: „Ich habe schon zwei Jahre in Wien gearbeitet und lerne weiter im Gefängnis.“Er, der Auslöser der ganzen Aktion durch den Streit um die Frauen in der Bar, sagt, er sei ziemlich am Ende aus der Bar geworfen worden und habe seinen Freunden zu Hilfe kommen wollen. Er habe einem der Opfer „zwei- bis dreimal“in den Bauch getreten. Irgendwie muss auch er wütend gewesen sein, denn drinnen in der Bar habe er „eins in die Fresse bekommen“. Der Prozess wird am Dienstag, 9 Uhr, fortgesetz­t.

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