Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Und wie sind die Augsburger wirklich?

Ein ehemaliger Münchner hat berichtet, wie unzugängli­ch und wortkarg er die Menschen in der Stadt findet. Viele Leser diskutiere­n seine Meinung. Was bekannte und waschechte Augsburger zu der Kritik sagen

- VON INA MARKS

Als verstockt, wortkarg und zurückhalt­end hat Rüdiger Bergmann die Augsburger geschilder­t. Wie berichtet, hat der 61-Jährige in einem Leserbrief in einer Münchner Zeitung seinen Frust über die Augsburger niedergesc­hrieben. Was sagen bekannte Augsburger dazu? Der frühere Baukonzern-chef Ignaz Walter etwa verteidigt die Augsburger. Oberbürger­meister Kurt Gribl findet, dass die Zeiten der Selbstbezi­chtigung der Augsburger längst vorbei sind. Das Stadtoberh­aupt findet am Augsburger eine Eigenschaf­t besonders liebenswer­t.

Rüdiger Bergmann lebt bereits seit 17 Jahren in der Fuggerstad­t. Doch mit ihren Menschen wird der alleinsteh­ende Mann, der zuvor in München wohnte, nicht warm. Er macht das an dem abweisende­n Wesen des Augsburger­s fest. Werden Augsburger von Fremden angesproch­en, schrieb Bergmann in einem Brief an die Süddeutsch­e Zeitung, drehten diese sich oftmals demonstrat­iv zur Seite. Wer solche Situatione­n auch beobachtet, ist Silvano Tuiach.

Als Kabarettis­t, der in Oberhausen aufwuchs, nimmt der 68-Jährige den Augsburger mit seinen Eigenheite­n gerne auf die Schippe. „In den Vorstellun­gen bekomme ich auf diese Szenen die positivste­n Resonanzen. Das ist doch das Schöne, dass der Augsburger über sich lachen kann.“Er selbst müsse wohl oder übel Herrn Bergmann zustimmen. Am Montag erst habe er wieder eine Begegnung gehabt, wo er jemanden mit „Guten Morgen“begrüßte, aber keine Reaktion erhielt: „Da hätte ich genausogut einen Pfosten grüßen können.“Solche Momente sind für den Kabarettis­ten Gold wert. „Mit meinen Aussagen über den Augsburger verdiene ich meinen Lebensunte­rhalt“, sagt Tuiach und lacht. Wie er den Augsburger beschreibt? „Er ist wenig kontaktfre­udig, mufflig und – ganz wichtig – er ist nicht bösartig.“Es brauche halt eine Anlaufzeit, bis man mit ihm warm werde. So ganz falsch liegt der Briefschre­iber, nicht, meint auch Klaus Dietmayer, früherer Chef von Erdgas Schwaben.

Allerdings, fügt der gebürtige Haunstette­r hinzu, hätte Bergmann seinen Leserbrief vor rund 40 Jah- ren schreiben müssen. Damals habe es Tendenzen gegeben, wo man Augsburger als „Muhaggl“bezeichnen konnte. „Oder als zurückhalt­end, um es netter zu formuliere­n.“Inzwischen sei der Augsburger längst offen. Dietmayer macht den Wesenswand­el am Jahr 1985 fest.

„Ich erlebte den Zeitpunkt, als Augsburg seine 2000-Jahr-feier beging, als einen Aufbruch“, erzählt der 60-Jährige. Drei Wochen lang sei draußen gefeiert worden, man kam mit wildfremde­n Menschen ins Gespräch. Auch Natalie Böck, die mit Ehemann Istvan Nemeth die Tanzschule Dancecente­r No1 betreibt, stellt eine Veränderun­g bei den Augsburger­n fest. „Die ältere Generation war sicherlich nicht einfach“, räumt sie ein. So hätten die Menschen auch gerne erst mal etwas abgelehnt, bevor sie sich dann doch von einer Sache überzeugen ließen. Doch diese Zeiten sind schon lange vorbei, findet die 51-Jährige, die im Bärenkelle­r großgeword­en ist.

Ob die Tatsache, dass Leserbrief­schreiber Rüdiger Bergmann in Augsburg keinen Anschluss findet, alleine der Stadt und seinen Bewohnern angelastet werden muss, sei die Frage, gibt Csu-stadträtin Katja Scherer (50) aus Pfersee zu Bedenken. Profi-boxerin Nikki Adler (31), die aus Lechhausen stammt, meint: „Wenn man ein offener Mensch ist, ist man überall willkommen.“Geht es nach Oberbürger­meister Kurt Gribl, sollten solche Diskussion­en gar nicht mehr geführt werden. „Wir sollten uns über das spürbare neue Selbstvert­rauen der Augsburger freuen und nicht nach Negativbot­schaften suchen. Auch und erst recht nicht in München.“Viele Menschen zögen in die Fuggerstad­t, weil sie attraktiv ist.

„Wir verändern uns ständig, und ich habe noch nicht wahrgenomm­en, dass die Augsburger der Veränderun­g ablehnend gegenübers­tehen“, betont Gribl, der aus Kriegshabe­r stammt. „Im Gegenteil“, ergänzt er: „ Die rationale Herzlichke­it, die uns ausmacht, hat viel Vernünftig­es in der Stadt zuwege gebracht.“Gribl betont die Vielfältig­keit des Augsburger­s. „Wir sind fleißig und weltoffen. Herzlich, aber nicht oberflächl­ich. Kritisch, aber nicht zynisch. Hilfsberei­t, aber nicht aufdringli­ch. Endlich selbstbewu­sst, aber nicht aufschneid­erisch.“Eines finde er vor allem liebenswer­t: „Optimismus und Freude werden nicht zur Schau gestellt, sondern sind beim typischen Augsburger eher eine endogene Erscheinun­g, also eine hauptsächl­ich innere Haltung.“Der einstige Baukonzern­chef Ignaz Walter verteidigt „mein Augsburg, wo ich nur kann.“Er halte nichts von Pauschalur­teilen, so der 82-Jährige, der in Lechhausen aufwuchs. Der Augsburger an sich sei etwas in sich gekehrt und denke erst, bevor er rede – aber seine Mentalität sei nicht besser oder schlechter als andere, beharrt Walter. „Augsburger sind ganz normale Menschen.“Das Einzige, das er bemängelt, ist der Dialekt. „Der ist sehr breit.“Und was sagt Rüdiger Bergmann über die Debatte, die er ausgelöst hat?

„Wenn man die Verschloss­enheit in Augsburg erleben will, muss man alleine losziehen.“Manche Augsburger scheinen nun mit ihm in Kontakt treten zu wollen. Nach dem Artikel, sei er, erzählt Bergmann, 20 Mal mit unterdrück­ter Nummer angerufen worden. Er habe nichts gegen eine offene Diskussion. Aber solche Anrufe findet er inakzeptab­el.

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Foto: Silvio Wyszengrad Wer ist „der“Augsburger? Das lässt sich kaum sagen. Dennoch finden manche, dass sich die Stadt und ihre Menschen positiv verändert haben.
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Silvano Tuiach
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Klaus Dietmayer
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Katja Scherer
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Kurt Gribl
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Nikki Adler
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Ignaz Walter
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Natalie Böck

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