Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In der Stadt leben Bienen besser
Einige Imker kommen aus dem Umland mit ihren Völkern inzwischen lieber nach Augsburg. Das hat unter anderem mit dem Nahrungsangebot zu tun. Für Wildbienen stellt dieser Wandel eine Gefahr dar
Noch halten die Bienen Winterschlaf. Doch Imker Florian Gräubig ist weniger ruhig, wenn er ans kommende Frühjahr denkt. Eines macht ihm große Sorgen: Daheim in Zusmarshausen finden seine Bienenvölker im Sommer oft nicht mehr genügend Nahrung. Sie müssen künstlich zugefüttert werden. An eine Honigernte sei dann nicht mehr zu denken, sagt er. Inzwischen zieht er mit einem Teil seiner Völker jedes Jahr für einige Wochen nach Augsburg um. Das hat Gründe.
„Die aktuelle Situation auf dem Land ist unerträglich“, sagt Gräubig. Im vergangenen Sommer hatte der Imker in seinem Heimatort im Landkreis Augsburg nach eigenen Angaben einen Totalausfall bei der Sommer-honigernte. Ein großes Problem seien Bienenkrankheiten wie die Varroa-milbe. Aber auch etwas anderes macht seinen Völkern immer mehr zu schaffen: Wenn die Saison für den Raps vorbei ist, sei die Blütenarmut auf intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen inzwischen so groß, dass seine Bienen ohne Hilfe nicht mehr überleben können, so Gräubig. Ohne Zufütterung von Zucker sei es beispielsweise nicht mehr zu schaffen, junge Völker groß zu ziehen.
Aus dieser prekären Situation auf dem Land hat der Imker Konsequenzen gezogen. Seit zwei Jahren bringt er einen Teil seiner Bienen im Sommer in die Stadt nach Augsburg. Die Stöcke für die 25 Völker stehen dann auf den Heideflächen beim Landesamt für Umwelt in Haunstetten und nebenan auf dem grünen Campus der Universität. In der Stadt seien seine Bienen inzwischen wesentlich erfolgreicher beim Sammeln von Pollen und Nektar, sagt der Imker im Nebenberuf. „Ich hatte im vergangenen Jahr allein 500 Kilo Lindenhonig, das ist ordentlich.“
Ähnliche Erfahrungen macht Imker Andreas Stiel. Er lässt seine Bienen nicht nur in Augsburger Stadtteilen ausschwärmen, sondern seit vier Jahren sogar mitten im Zentrum – an der Maximilianstraße. Einige seiner Stöcke sind hoch oben auf dem begrünten Dach des Steigenberger Hotels Drei Mohren sta- Von dort aus starten die Honigbienen in sicherem Abstand zu den vielen Menschen unten auf den Straßen in Richtung Grünflächen. Stiel ist im Vorstand des Kreisverbandes der Augsburger Imker und Bienensachverständiger der Stadt. Auch er sagt, dass seine Honigernte in Augsburg inzwischen rund doppelt so hoch ist wie auf dem Land. „Wir haben hier mehr Ertrag, weil wir vom Frühjahr bis in den Herbst ein starkes Blühen haben.“
Generell fühlen sich Bienen heutzutage in Städten wesentlich wohler als auf Agrarflächen, sagen Experten. Nicht nur das mildere Mikroklima kommt den wärmeliebenden Insekten entgegen. In der Stadt finden sie inzwischen auch ein wesentlich vielfältigeres Nahrungsangebot als auf dem Land, wo sich Monokulturen mit Raps und Mais immer mehr ausbreiten und Wiesen sehr häufig gemäht werden. Gerade in Augsburg seien durch die vielen Straßenbäumen, Parks und Naturschutzgebiete die ganze Saison über Blüten vorhanden, sagt Stiel. „Es beginnt mit den Weiden im Frühjahr und endet im Herbst mit dem wilden Wein an den Stadtmauern.“
An vielen Stellen in Augsburg wird die Artenvielfalt von Pflanzen – und damit die Nahrungsgrundlage für Bienen und andere Insekten – aber auch gezielt gefördert. Nicolas Liebig vom städtischen Landschaftspflegeverband nennt ein aktuelles Beispiel: der Campus der Universität. Dort wurden in den vergangenen Jahren beim Wissentioniert. schaftszentrum Umwelt neue Flächen mit typischen Augsburger Heidepflanzen angelegt.
Das Projekt läuft in Zusammenarbeit des Wissenschaftszentrums mit der städtischen Landschaftspflege und weiteren Partnern. Dass sich das weitläufige Gelände gut entwickelt und ein wichtiger Standort mit hoher Pflanzenvielfalt geworden ist, zeigt eine neue Vegetationskartierung. Sie wurde gerade in den Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben veröffentlicht. Danach wachsen allein auf dem Campus 326 Planzenarten, darunter viel seltene oder gefährdete Arten.
Die vergleichsweise vielfältig blühende Natur in Augsburg nützt aber nicht nur den Honigbienen. Auch ihre Verwandten, die Wildbienen, profitieren davon. Wildbienen sind in Deutschland selten geworden und streng geschützt. In Augsburg tummeln sich beispielsweise die Weiden-sandbiene oder die Frühlingsseidenbiene im Wittelsbacher Park beim Kongresszentrum. Fachleute gehen davon aus, dass es im Augsburger Raum noch rund 120 Arten von Wildbienen gibt, insbesondere in den naturnahen Lechheiden. Doch auch sie stehen wegen schwindender Lebensräume immer stärker unter Druck. Fachleute von der Botanischen Staatssammlung in München verweisen darauf, dass Wildbienen auch zunehmend unter der Nahrungskonkurrenz von Honigbienen leiden. Die meisten wilden Arten sind bei der Nahrungssuche auf ganz bestimmte Pflanzenarten spezialisiert. Wenn sie mit den Honigbienen um die Wette sammeln müssen, wird es für sie schwierig, auch in Augsburg.
Imker Gräubig beobachtet in Augsburg eine zunehmende Konkurrenz um Standorte für Bienenstöcke. Nicht nur, weil mehr Imker vom Land in die Stadt gehen. Auch insgesamt gibt es einen wachsenden Trend zur Bienenhaltung. Nach Angaben des städtischen Imkerkreisverbandes sind allein in Augsburg rund 1500 Bienenvölker gemeldet. Die Zahl sei zuletzt deutlich gestiegen. Stiel geht davon aus, dass es auch noch eine hohe Dunkelziffer von nicht gemeldeten Honigbienen gibt.