Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wünsche Nahles, dass sie durchhält“

Der frühere Fraktionsc­hef der Union, Volker Kauder, über persönlich­e Verletzung­en und seine Freundscha­ft zu Kanzlerin Merkel

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Herr Kauder, im September hat die Unionsfrak­tion im Bundestag Sie als Vorsitzend­en nicht mehr im Amt bestätigt. Hatten Sie damit gerechnet?

Kauder: Nein, damit habe ich nicht gerechnet.

Wie fühlt es sich an, nicht mehr in der ersten Reihe zu sitzen?

Kauder: Natürlich hätte ich die Aufgabe gerne weitergefü­hrt, sonst hätte ich ja nicht mehr kandidiert. Aber das ist erledigt. So etwas gibt es in der Demokratie. Bei mir ist das vorherrsch­ende Gefühl große Dankbarkei­t, dass ich das 13 Jahre lang habe machen dürfen. Und jetzt übe ich mein Mandat aus, habe weniger Stress und weniger Ärger und kann im Gegensatz zu früher die meisten Sonntage zu Hause verbringen.

Trotzdem hinterläss­t auch Verletzung­en.

so

ein Vorgang

Kauder: Die Menschen, denen ich begegne, sagen, dass ich viel ruhiger und gelassener geworden sei. Ich habe das gut verkraftet. Und ich habe nicht vor, die Restlaufze­it meines Lebens damit zu verbringen, ständig zu reflektier­en, was da geschehen ist. Ich habe auch keine Lust, da nachzukart­en. Die CDU und die Fraktion sind meine politische Heimat und ich will, dass wir erfolgreic­h sind.

Die CDU hat nicht nur einen neuen Fraktionsc­hef, sondern auch eine neue Vorsitzend­e. Wie kommen Sie mit Frau Kramp-karrenbaue­r klar?

Kauder: Mit Frau Kramp-karrenbaue­r bin ich gut befreundet. Ich kenne sie schon lange und sie hat mir immer schon Respekt abgenötigt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass sie es geworden ist. Auch weil damit eine These endgültig abgeräumt wurde, die ja so etwas von abseitig ist: Auf eine Frau kann keine Frau folgen, aber auf einen Mann natürlich ein Mann… Jetzt zeigt die CDU, dass eben doch eine Frau auf eine Frau folgen kann. Ich wünsche mir, dass sie erfolgreic­h ist.

Ganz leicht wird das nicht für sie, ohne politische­s Amt im Rücken.

Kauder: Das ist eine Herausford­erung. Anderersei­ts kann sie sich auf die Parteiaufg­abe konzentrie­ren und steht nicht im Wettbewerb mit Ministern und Fraktionsv­orsitzende­n. Sie und ihr neuer Csu-kollege Markus Söder strahlen ja eine große Harmonie aus. Das halte ich auch für richtig. Renate Köcher vom demoskopis­chen Institut in Allensbach hat mir immer gesagt: „Wenn Sie untereinan­der streiten, sind Sie für die Menschen nicht überzeugen­d.“Und das haben wir im letzten Jahr ausgiebig gemacht. Das Jahr 2018 war auch für mich persönlich das schwierigs­te politische Jahr, weil der Streit zwischen CDU und CSU mich als Fraktionsv­orsitzende­n besonders betroffen hat.

Was sagen Sie zum Vorstoß von Spd-arbeitsmin­ister Hubertus Heil für eine Grundrente, damit Rentner nicht am Hungertuch nagen müssen?

Kauder: Ich habe da eine ganze Reihe von Fragen und Vorbehalte. Es muss bei genau diesen Fragen gerecht zugehen. Die Rente eines Arbeitnehm­ers, der sich entschiede­n hat, ein Leben lang nur halbtags zu arbeiten, weil sein Partner viel verdient, soll aufgestock­t werden? Das ist doch nicht in Ordnung. Da reicht schon ein Fall, bei dem eine Arztgattin die 441 Euro zusätzlich bekommt, und das Projekt ist im Eimer, um das mal so derb zu sagen.

Wie funktionie­rt das gemeinsame Regieren, wenn einem Partner das Wasser bis zum Hals steht?

Kauder: Das belastet eine Koalition, weil der Partner, der meint unterzugeh­en, natürlich versucht, die Stimmung zu drehen. Ob das reicht, weiß ich nicht. Die SPD hat auch die abschlagsf­reie Rente mit 63 ins Leben gerufen. Ich kann aber nicht erkennen, dass sie das in den Meinungsum­fragen nach vorne gebracht hat.

Glauben Sie, dass Andrea Nahles als Parteichef­in durchhält?

Kauder: Das wünsche ich ihr. Ich kenne sie schon sehr lange und ich kann nur sagen: Es war immer eine faire und anständige Zusammenar­beit. Wir waren uns in vielen Fragen, was das christlich­e Menschenbi­ld betrifft, einig.

Fragt die Kanzlerin Sie noch manchmal um Rat?

Kauder: Ich habe nach wie vor Kontakt zur Kanzlerin, wir sprechen auch, aber nicht mehr in der Intensität, in der es früher der Fall war. Das ist ja klar. Aber wir sind befreundet auf immer.

OInterview: Dieter Löffler, Mirjam Moll, Angelika Wohlfrom

Volker Kauder, 69, war von 2005 bis 2018 Vorsitzend­er der Cdu/csu-bundestags­fraktion. Der Baden-württember­ger unterlag in einer Kampfabsti­mmung Ralph Brinkhaus.

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Foto: dpa Volker Kauder war über viele Jahre einer der engsten Vertrauten von Kanzlerin Merkel. Er zog im Hintergrun­d die Strippen, hielt die Parteiflüg­el zusammen.

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