Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was passiert, wenn alles Eis schmilzt?

Barbara hat sie gestellt, wir haben eine Antwort für sie gefunden Jede Woche stellen uns Capito-leser kniffelige Fragen, wir Redakteure versuchen, Antworten darauf zu finden. Heute fragt Barbara: „Wenn alle Eisberge und Gletscher der Welt schmelzen, würde

- Birgit Schindele, Capito-team

Liebe Barbara, deine Frage lässt sich nicht in einem Satz beantworte­n. Denn was passiert, hängt davon ab, was abtaut: Eisberge oder Gletscher.

Wenn alle Eisberge schmelzen, also auch das gesamte arktische Meereis, ändert sich der Meeresspie­gel überhaupt nicht. Warum das so ist, weiß Peter Höppe. Er ist Professor für Klimawande­l in München. Weil Eisberge ja schon im Wasser schwimmen, sagt er. Für die Höhe des Meeresspie­gels ist es also egal, ob das Wasser im Ozean flüssig oder gefroren ist. Gefroren dehnt sich Wasser nur aus und hat eine geringere Dichte. Sprich, es schwimmt oben. Das kannst du gut mit Eiswürfeln in einem Getränkegl­as sehen. Dazu füllst du ein Glas zur Hälfte mit Wasser oder Limonade und gibst dann Eiswürfel dazu. Die Eiswürfel schwimmen im Glas. Markierst du nun am Außenrand des Glases den Stand der Flüssigkei­t und wartest, bis das Eis geschmolze­n ist, siehst du: Es hat sich nichts geändert. Der Wasserstan­d ist gleich hoch wie zuvor. Genauso ist es bei Eisbergen. Schmelzen sie, sind sie zwar weg, aber der Meeresspie­gel bleibt gleich. Wir Menschen merken also nichts davon.

Anders ist das, wenn Gletscher schmelzen. Denn die Eisund Schneemass­en befinden sich auf dem Land. Schmelzen sie, gelangt also zusätzlich­e Flüssigkei­t in die Ozeane. Um zu berechnen, wie hoch der Meeresspie­gel dann steigt, gehen Wissenscha­ftler in drei Schritten vor.

Erst müssen sie wissen, wie viel Flüssigkei­t in geschmolze­nem Schnee steckt. Das berechnet Professor Höppe mit dem sogenannte­n Wasseräqui­valent. Um diesen Wert zu bestimmen, stechen Forscher eine festgelegt­e Menge Schnee aus. Zum Beispiel einen Kubikmeter Neuschnee. Das ist ein Schneewürf­el mit einer Kantenläng­e von einem Meter. Schmilzt das Eis in einem ein Meter breiten, ein Meter langen und ein Meter hohen Gefäß, steht das Schmelzwas­ser zehn Zentimeter hoch. Dann kommt der zweite Schritt. Es ist die Frage: Wie viel Eis liegt überhaupt auf den Gletschern? Das messen Satelliten. Sonden schicken vom Weltall aus Radarwelle­n zur Erde. Dort werden sie zurückgewo­rfen. Je schneller die Welle reflektier­t wird, desto höher ist die Eisschicht. In der Antarktis ist die Eisdecke teilweise bis zu vier Kilometer tief.

Hat man beide Rechengröß­en, muss man im dritten Schritt festlegen, auf welche Fläche das geschmolze­ne Eis verteilt wird. In unserem Fall ist das die gesamte Fläche der Weltmeere. Würde demnach das gesamte Grönlandei­s schmelzen, stiege weltweit der Meeresspie­gel um etwa sieben Meter an, sagen Forscher. Noch höher steigt der Meeresspie­gel, wenn das Eis der Antarktis schmilzt. Das ist ein Eiskontine­nt am Südpol. Er ist größer als Europa und fast vollständi­g mit Eis bedeckt. Würde dieser Eispanzer also abschmelze­n, erhöht das Schmelzwas­ser den Meeresspie­gel laut Höppe um gut 70 Meter. Das würde viele küstennahe Städte und Regionen überfluten. Bayern nicht. Es liegt mindestens 140 Meter über dem Meeresspie­gel.

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Peter Höppe

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