Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Aus dem Leben einer Tagesmutter
Viele Kinder werden in Augsburg nicht in einer Kita, sondern von einer Tagesmutter betreut. Sibel Sidal ist eine von ihnen. Für sie ist es einer der bestbezahlten Jobs – obwohl man nicht reich wird
Wie lange arbeiten Sie schon als Tagesmutter?
inzwischen
Sibel Sidal: Seit der Geburt meiner ersten Tochter vor acht Jahren.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Tagesmutter zu werden?
Sidal: Ein Handwerker sieht das Ergebnis seiner Arbeit – manche Menschen aus dem kaufmännischen Bereich sehen hingegen nicht, was sie durch ihre Arbeit schaffen. Auch ich war in dieser Situation, mir kam mein früherer Job im Büro oft sinnlos vor. Nun kann ich Familie und Beruf wunderbar vereinbaren und bekomme jeden Tag vor Augen geführt, wie wertvoll meine Arbeit ist.
Wie alt sind die Kleinen, die Sie betreuen?
Sidal: Derzeit zwischen einem und drei Jahren.
Erzählen Sie Tagesablauf.
ein
bisschen über Ihren
Sidal: Meine Betreuungszeiten liegen zwischen 7.30 Uhr und 14.30 Uhr. Das kann sich allerdings mit jedem neuen Kind etwas ändern. Wir starten mit einer Brotzeit. Nach dem Morgenkreis folgt das Freispiel, oder wir gehen raus. Mittags essen wir wieder gemeinsam. Und nach einem Schläfchen werden die Kinder dann abgeholt.
Verfolgen Sie dabei ein bestimmtes pädagogisches Konzept?
Sidal: In meiner Tagespflege ist mir wichtig, dass die Kinder möglichst viel Selbstwirksamkeit erleben – sowie Raum und Zeit bekommen, um ihre Gefühle auszuleben. Man findet fast zu jedem Thema altersgerechte und schnell umsetzbare Experimente. So lernen meine Schützlinge ganzheitlich und haben gleichzeitig Spaß.
Was ist denn das Schwierigste sowie das Schönste an Ihrem Beruf als Tagesmutter?
Sidal: Das Schönste ist ohne Frage, dass man von den Kleinen unmittelbar ein Feedback bekommt. Kinder sind immer ehrlich, wissbegierig und wollen von sich aus lernen. Sie haben Freude an dem, was sie tun. Daher habe ich eine sehr dankbare Beschäftigung. Schwierig ist, dass fast alle Kolleginnen an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten und wir viele Anfragen haben, die wir absagen müssen. Es ist schlimm, so vielen verzweifelten Eltern sagen zu müssen, dass keine Aussicht auf einen Platz besteht. Ich würde mir daher wünschen, dass sich mehr Männer und Frauen trauen, anzunehmen.
diese Aufgabe
Glauben Sie, dass Erziehung schwieriger ist als früher?
heute
Sidal: Es sind wohl nicht die Kinder, die sich verändert haben. Sondern unsere hektische Lebensweise, welche zu einem bestimmten Verhalten schon bei den Kleinsten führt. Als Erwachsene haben wir es allerdings selbst in der Hand, welche Haltung wir vorleben.
Sagen Ihnen die Eltern, wie Sie ihren Nachwuchs erziehen sollen?
Sidal: Eher nicht. Manchmal frage ich mich auch, zu welchem Zweck wir eigentlich erziehen wollen? Will ich ein Kind, das später nur wirtschaftlich leistungsfähig ist, oder eines, dem Flügel wachsen können? Wollen wir ein friedliebendes, kooperatives, interessiertes Kind – dann müssen wir nur den Boden da- für schaffen. Den Weg geht es dann schon von selbst. Wenn ich einen Neuzugang erst mal kennengelernt habe, weiß ich, wie ich den Jungen oder das Mädchen zu einem neuen Schritt motiviere.
Kann man von den Einnahmen in Ihrem Beruf eigentlich leben?
Sidal: Tagesmütter haben einen öffentlichen Auftrag, den wir sehr ernst nehmen. Reich an Geld wird man dabei nicht. Aber man wird reich beschenkt! Und damit gehört meine Tätigkeit zu den bestbezahlten Jobs.
Fühlen Sie sich bezüglich Ihrer Arbeit vom Staat und der Gesellschaft wertgeschätzt?
Sidal:
Ja, auf jeden Fall.
Was war denn früher Ihr Traumjob?
Sidal: Ich wollte Schätze ausgraben, also Archäologin werden. Im weitesten Sinne tue ich das jetzt auch.
Das Gespräch führte Daniela Egert.