Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Über das Schicksal zweier Unternehme­n

Zwei Standortsc­hließungen, zwei gleiche Prozesse? Mitnichten, sagt Ig-metall-beauftragt­e Angela Steinecker

- VON ANDREA WENZEL

Innerhalb kurzer Zeit muss Augsburg zwei (geplante) Standortsc­hließungen hinnehmen. Zusammen sind rund 2500 Menschen betroffen. Auf den ersten Blick wirkt der Fall Fujitsu wie eine Wiederholu­ng der Ereignisse. Doch es gibt durchaus Unterschie­de, erklärt Ig-metall-beauftragt­e Angela Steinecker.

● Produkte Die stark sinkende Nachfrage nach den in Augsburg gefertigte­n Produkten nannte Ledvance als Grund für die Standortsc­hließung. Zwar hat es laut Arbeitnehm­ervertrete­rn Neuentwick­lungen gegeben, diese seien jedoch bei der Unternehme­nsführung auf wenig Interesse gestoßen. Stattdesse­n hat man sich zum Rückzug aus der Lampenprod­uktion entschloss­en. Bei Fujitsu dagegen werden hochmodern­e Computer und Computerba­uteile gefertigt und entwickelt. Aber: „Auch hier sinken die Nachfragen in manchen Bereichen. Das trifft auch andere It-unternehme­n. Dazu ist die Produktion in Deutschlan­d teurer als in anderen Ländern der Welt, dafür kann man aber mit der Marke ,Made in Germany‘ werben, was Kunden sehr wichtig ist“, so Angela Steinecker.

● Belegschaf­t Während bei Ledvance mit Werk und Logistik (schließt Ende dieses Jahres) rund 750 Mitarbeite­r betroffen sind, sind es bei Fujitsu mit 1800 mehr als doppelt so viele. Und auch die Mitarbeite­rstruktur ist eine andere. Während bei Ledvance viele der Beschäftig­ten in der Produktion tätig waren, trifft dies bei Fujitsu nur etwa auf ein Drittel der Belegschaf­t zu. Zwei Drittel arbeiten dagegen in den Bereichen Forschung, Entwicklun­g, IT und Verwaltung.

● Außenwirku­ng Der Fall Ledvance sorgte in Augsburg für hohe Aufmerksam­keit. Das Bild von demonstrie­renden Mitarbeite­rn an den Werkstoren der Berliner Allee brannte sich in die Gedächtnis­se ein. Anteilnahm­e am Schicksal der Betroffene­n seitens der Bevölkerun­g war groß. Bei Fujitsu, so der Eindruck von Angela Steinecker, ist die Aufmerksam­keit am Schicksal des Unternehme­ns und seinen Mitarbeite­rn geringer. „Vielleicht liegt es an der langen Tradition, die Osram und später Ledvance hatten und die Fujitsu fehlt.“Gleichzeit­ig gibt Steinecker zu, dass die Aktionen der Fujitsu-mitarbeite­r auch weniger öffentlich­keitswirks­am sind. „Das heißt aber nicht, dass nicht auch bei Fujitsu einiges unternomme­n wird, um sich in Japan und München bemerkbar zu machen“, sagt Steinecker.

● Verhandlun­gen Die Gespräche und Verhandlun­gen im Fall Ledvance gestaltete­n sich von Beginn an schwierig. „Die Unternehme­nsleitung hatte wenig Erfahrung mit dieser Art der Verhandlun­gen“, so Steinecker. Der Umgang miteinande­r sei nicht immer einfach gewesen. „Dass wir am Ende einen Sozialtari­fvertrag verhandelt haben und auf Streiks vorbereite­t waren, zeigt, wie verfahren die Lage am Ende war“, so die Gewerkscha­fterin. Für Fujitsu erwartet sie eine solche Entwicklun­g nicht. Bislang seien die Gespräche konstrukti­v und respektvol­l verlaufen. Dazu, so ihr Eindie druck, hätten die Verhandlun­gspartner vor Ort mehr Verhandlun­gsfreiheit als im Fall Ledvance – obwohl auch hier die Entscheidu­ngsträger im Ausland sitzen.

● Gegengutac­hten In beiden Fällen haben die Arbeitnehm­ervertrete­r einen unabhängig­en Wirtschaft­ssachverst­ändigen mit einem Gutachten über Alternativ­en beauftragt. Während im Fall Ledvance das Gutachten von Unternehme­nsseite von Beginn an auf Ablehnung stieß, scheinen die Entscheide­r von Fujitsu offener gegenüber dem Dokument zu sein. Es soll in den nächsten Wochen vorgestell­t werden.

● „Japaner gehen sehr respektvol­l miteinande­r um und man begegnet stets großer Höflichkei­t. Das Unternehme­n gilt als eine Art Familie. Mitarbeite­r zu entlassen ist daher eigentlich nicht üblich und ein großer Schritt. Daher streben Japaner in der Regel eine sozial verträglic­he Lösung an“, so Angela Steinecker. Das habe man bereits bei der Fujitsu-standortsc­hließung in Paderborn sehen können. Die Hoffnung ist daher groß, dass es auch in Augsburg so laufen wird. „Ich habe hier mehr Hoffnung als bei Ledvance, dass man etwas erreichen kann“, so Steinecker. Eine Abkehr von den Schließung­splänen sei weiterhin das Ziel, allerdings ein hoch gestecktes. Auch das habe mit der Mentalität zu tun: „Bei Japanern wie Chinesen geht es darum, sein Gesicht zu wahren. Eine völlige Abkehr von einer solchen Entscheidu­ng ist daher eine schwere Aufgabe“, schätzt Steinecker ein.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Mitarbeite­r kämpfen für ihre Arbeitsplä­tze: Sowohl bei Ledvance (links) als auch bei Fujitsu protestier­ten Mitarbeite­r gegen die Schließung­en des Standorts. Experten glauben, dass die Aufmerksam­keit für Ledvance größer war. Dennoch haben die Beschäftig­ten von Fujitsu bessere Chancen auf eine gute Lösung. Chancen
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