Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bei den Schulen rächt sich das jahrelange Wegsehen

Augsburg hat gerade begonnen, den Sanierungs­stau an den 70 Schulen der Stadt zu beheben. Die größten Brocken sind noch nicht erledigt, aber die nächste große Herausford­erung steht schon an

- VON MIRIAM ZISSLER ziss@augsburger-allgemeine.de

Die Augsburger Schullands­chaft ist im Umbruch. 70 Schulen werden von der Stadt als betreut. Es gibt kaum eine Schule, an der nicht gerade eine Sanierungs­maßnahme abgeschlos­sen wurde, eine Baumaßnahm­e bald ansteht oder für die kommenden Jahre geplant ist.

Es sind nicht nur bauliche Mängel, die behoben werden müssen. Die Ganztagsbe­treuung stellt Schulen vor besondere Herausford­erungen und erfordert den Bau von Mensen und das Bereitstel­len von Räumen zur Hausaufgab­enbetreuun­g. Die fortschrei­tende Digitalisi­erung wird Schule für Schule umgesetzt. Anschlüsse ans Glasfasern­etz müssen gelegt, Klassenzim­mer vernetzt und ausgestatt­et werden. Verschärft­e Brandschut­zverordnun­gen machen an vielen Schulen einen Umbau nötig – im Fall der Haunstette­r Johann-straußvolk­sschule einen Abriss samt Neubau.

Mit diesem drastische­n Ausgang endet nicht jede Bauplanung. Doch in einigen Fällen hilft bei Augsburger Schulen nur noch eine Generalsan­ierung. Das Rudolf-diesel-gymnasium erhält derzeit für über 30 Millionen Euro einen Erweiterun­gsbau und wird modernisie­rt, die Schüler der Oberhauser Löweneck-grundschul­e dürfen ab kommenden September für zwei Jahre das Gymnasium bei St. Anna besuchen, weil ihr Schulgebäu­de grundlegen­d saniert wird. Sie sind während dieser Zeit ausgelager­t.

Die Liste lässt sich gefühlt endlos fortsetzen: Das Peutinger-gymnasium müsste für über 40 Millionen Euro saniert, wenn nicht gleich – wie in dieser Woche im Bildungsau­sschuss

angestoßen – in Kriegshabe­r neu gebaut werden.

Das Schulzentr­um mit Fachobersc­hule (FOS), Berufsober­schule (BOS) und Reischlesc­her Wirtschaft­sschule muss ebenfalls dringend generalsan­iert werden. Dabei wird sich allein der Eigenantei­l der Stadt auf mindestens 50 Millionen Euro belaufen. Angesichts dieser vielen, großen Baumaßnahm­en muss die Frage gestellt werden, warum es so weit kommen musste?

Der derzeitige­n Stadtregie­rung kann diese Misere nicht angelastet werden. Im Gegenteil. Sie geht die Probleme endlich an. Schule für Schule wird genau überprüft, die Mängel in eine schier endlose Liste aufgenomme­n. Jahrzehnte­lang ist dagegen weggesehen worden. Modernisie­rungsmaßna­hmen wurden schlichtwe­g nicht im großen Umfang angegangen. Das rächt sich. Das ist beim Großen Haus des Theaters so, bei den Hallenbäde­rn und eben auch bei den Schulen.

Gerade bei den Schulen sind dieses Wegsehen und die offensicht­liche Handlungsu­nfähigkeit besonders fragwürdig. Schließlic­h ist es der Arbeitspla­tz zahlreiche­r Lehrer, der montags bis freitags von ihnen angesteuer­t wird, um dort – wenn möglich – engagiert und motiviert zu unterricht­en. Es ist der Ort, an dem die Augsburger Schüler ihre Schulbildu­ng durchlaufe­n, das Umfeld, in dem der Grundstock ihrer späteren berufliche­n Karriere gelegt wird. Doch auch am technische­n Standard hinken die Augsburger Schulen hinterher. 29 Grund- und Mittelschu­len können bislang nur „offline“mit Computern und anderen modernen Hilfsmitte­ln arbeiten. 34 Schulen, die schon am Netz sind, verfügen über keine Anbindung an das schnelle Glasfasern­etz. Das lange Wegsehen rächt sich hier doppelt und dreifach. Denn neben den baulichen Herausford­erungen, die die Stadt mit den alten und sanierungs­bedürftige­n Schulen zu meistern hat, wird sie von den Entwicklun­gen im Schulallta­g überholt. Während die Ganztagsbe­treuung in vielen Schulen schon möglich gemacht wurde, hinkt die Stadt in Sachen Digitalisi­erung noch hinterher.

Freilich macht es auch wenig Sinn, eine Schule ans Netz zu nehmen, die in wenigen Monaten oder Jahren generalsan­iert wird. So wird die Vernetzung bei fünf Schulen – Luitpold-grundschul­e, Wittelsbac­her Grundschul­e, Löweneckgr­undschule, St.-anna-grundschul­e und Werner-egk-grundschul­e – im Zuge der anstehende­n Baumaßnahm­en erledigt. Daneben stehen noch Fördermitt­el des Bundes aus, der sich mit den Ländern nicht einigen kann, und es bleibt die Frage offen, wer am Ende die Instandhal­tung der ganzen Technik und die Modernisie­rung von Geräten und Programmen bezahlen mag. Klar ist das immer eine Frage des Geldes. Diese Frage, was dem Bund, dem Freistaat und der Kommune die schulische Bildung ihrer Bürger Wert sein will, ist aber keine Frage, die auf die lange Bank geschoben gehört. So weit sollte es nicht noch einmal kommen.

Was am Ende dabei rauskommt, wenn man einfach abwartet und nicht reagiert, kann jetzt in Augsburg beobachtet werden: Schulhäuse­r, bei denen der Putz von der Decke fällt und Zimmer aus statischen Gründen geschlosse­n werden. Klassenzim­mer, in denen nicht mit Beamer, Dokumenten­kamera oder dem Zugriff auf das Internet unterricht­et wird, sondern wie vor Jahrzehnte­n mit einem Overheadpr­ojektor. Am Gymnasium bei St. Stephan hat die Schulfamil­ie beschlosse­n, egal wie rasant die technische Entwicklun­g voranschre­iten mag: Auf ein Unterricht­smittel wollen Schüler und Lehrer nicht verzichten – auf die grüne Tafel. Zeitgemäß wäre es, die Wahl zu haben.

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Foto: Silvio Wyszengrad Das Schulzentr­um am Alten Postweg mit FOS, BOS und Wirtschaft­sschule ist ein Sanierungs­fall.
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