Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ist privater Autobahn-bau wirklich besser?

Ein Streit um die A8 zeigt: Bund und Privatbetr­eiber kämpfen um Millionen. Wie sinnvoll sind die umstritten­en Finanzmode­lle?

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Viele staunten beim sechsspuri­gen Ausbau der A8: Die Großbauste­lle der Autobahn zwischen München und Augsburg war Ende 2010 sogar schneller fertig als erwartet. Erstmals gingen Bau und Betrieb in Deutschlan­d auf einen privaten Betreiber über: Das Konsortium Autobahnpl­us erhält dafür 30 Jahre lang die Lkw-maut-einnahmen. Auch der Ausbau zwischen Augsburg und Ulm nach demselben Modell unter dem Betreiber Pansuevia blieb 2015 überpünktl­ich im Zeitrahmen.

Nichts war zu hören von üblichen Kostenexpl­osionen, stattdesse­n lässt Autobahnpl­us anstelle von Rasenmäher­n ökologisch schottisch­e Hochlandri­nder auf den Wiesen neben dem Straßengra­ben grasen. Sind die Autobahnmo­delle der „Öffentlich Privaten Partnersch­aft“also ein Idyll in einer Landschaft gescheiter­ter Großbaupro­jekte? Nein. Hinter den Kulissen wird von allen Seiten heftig um das Finanzieru­ngsmodell gestritten.

Der A8-betreiber Pansuevia, eine 100-Prozent-tochter des österreich­ischen Baukonzern­s Strabag, verklagt den Bund auf eine Nachzahlun­g von knapp 35 Millionen Euro, weil der Baukostena­nteil der Privatfirm­a mit 354 Millionen wegen heftiger Regenfälle und geologisch­er Unwägbarke­iten weit über Plan kletterte. In Niedersach­sen klagt der Privatbetr­eiber „A1 mobil“sogar auf 778 Millionen Nachzahlun­gen, weil man sich vor der Finanzkris­e 2008 bei den erwarteten Lkwmautein­nahmen drastisch verkalkuli­ert hatte: Zwischen Bremen und Hamburg brach der Lkw-verkehr um ein Fünftel ein.

So wie zuvor „A1 mobil“scheiterte auch die Strabag-tochter Pansuevia bislang vor Gericht: In zweiter Instanz wies das Oberlandes­gericht München am Dienstag die Klage zurück: Derartige Risiken seien laut Vertrag vom Bauunterne­hmen und nicht vom Steuerzahl­er zu übernehmen. Auf den ersten Blick stärkten die Richter damit das Modell der „Öffentlich Privaten Partnersch­aften“– kurz ÖPP – aus Sicht des Staates. Doch auf der anderen Seite rügt der Bundesrech­nungshof, dass solche Öpp-modelle ohnehin in der Regel ein Draufzahl-geschäft für den Staat seien und die Steuerzahl­er bislang mindestens zwei Milliarden Euro mehr gekostet hätten.

Auch beim A8-ausbau zwischen Augsburg und München kritisiert­e der Bundesrech­nungshof die Wirtschaft­lichkeitsa­nalyse der Bundesregi­erung und erklärte, dass die Gesamtkost­en für Bau und Betrieb auf konvention­elle Art durch den Staat „vermutlich niedriger ausgefalle­n wären, hätte man wie in der Öppvariant­e eine Betonbauwe­ise zugrunde gelegt“. Dagegen habe das Ministeriu­m die öffentlich­en Unterhalts­kosten zu hoch angesetzt. Tatsächlic­h herrscht um Öpp-projekte seit Jahren ein Glaubenskr­ieg. Kritiker warnen vor einer Ausplünder­ung des Staats durch Privatinve­storen. Befürworte­r sehen im Öppmodell den letzten Weg, ohne Schuldenex­plosion den riesigen Investitio­nsrückstan­d der zunehmend maroden deutschen Infrastruk­tur noch aufzuholen.

Der Rektor der renommiert­en Universitä­t für Verwaltung­swissensch­aften Speyer, Holger Mühlenkamp, zählt zu den wichtigste­n Experten für das umstritten­e Finanzieru­ngsmodell. „Öpp-projekte sind in den meisten Fällen nicht wirtschaft­lich“, sagt der Wirtschaft­swissensch­afts-professor. „Von 100 Projekten können vielleicht 20, 30 wirtschaft­lich sein, aber die überwiegen­de Zahl ist letztlich unwirtscha­ftlich“, betont er und stützt sich auch auf internatio­nale Studien.

Das größte Problem für die Privatbetr­eiber seien die hohen Finanzieru­ngskosten für nötige Kredite, die sich der Staat erheblich günstiger leihen könne. Dieser Nachteil müsse an anderer Stelle reingespar­t werden, damit sich die Projekte privat rechneten. Ein Vorteil der Öppprojekt­e ist, dass Bauunterne­hmer

Schnellere­r Bauzeit geht oft längere Planungsze­it voran

in der Regel auch der Betreiber sind und schon beim Bau die Folgekoste­n mit im Blick haben.

Öpp-projekte werden zudem im Vergleich zu öffentlich­en Projekten meist schneller fertig. „Das liegt daran, dass die privaten Projekte bessere Rahmenbedi­ngungen als der Staat haben“, sagt Experte Mühlenkamp. Die Privaten könnten bei der Auftragsve­rgabe als sogenannte­r Generalunt­ernehmer auftreten. „Die öffentlich­e Hand muss aber wegen der Mittelstan­dsförderun­g Teilaufträ­ge in einem komplexen Losverfahr­en ausschreib­en, was die Projekte meist viel langsamer macht“, betont der Professor. „Wenn die öffentlich­e Hand bei Großprojek­ten selber als Generalunt­ernehmer auftreten dürfte, dann hätten wir dieselben Spielregel­n.“

Allerdings dürfte dies angesichts des großen Widerstand­s der mittelstän­dischen Bauwirtsch­aft gegen das Öpp-generalunt­ernehmer-modell kaum politisch durchsetzb­ar sein. „Im Einzelfall muss man abwägen, ob der Vorteil, dass beispielsw­eise mit ÖPP eine Infrastruk­tur schneller zur Verfügung steht, andere Nachteile und Mehrkosten überwiegt“, sagt Experte Mühlenkamp. „Aber das darf kein genereller Freibrief sein“, betont der Professor. Denn betrachte man die lange Planungsze­it von Öpp-projekten, sei auch dieser Vorteil oft dahin: „Es wird zwar schneller gebaut, aber dafür länger vorbereite­t.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Privater Autobahnbe­trieb mit Hochlandri­ndern als Rasenmäher an der A8: Trügt die Idylle der Vorteile der „Öffentlich Privaten Partnersch­aften“?
Foto: Ulrich Wagner Privater Autobahnbe­trieb mit Hochlandri­ndern als Rasenmäher an der A8: Trügt die Idylle der Vorteile der „Öffentlich Privaten Partnersch­aften“?

Newspapers in German

Newspapers from Germany