Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ist privater Autobahn-bau wirklich besser?
Ein Streit um die A8 zeigt: Bund und Privatbetreiber kämpfen um Millionen. Wie sinnvoll sind die umstrittenen Finanzmodelle?
Augsburg Viele staunten beim sechsspurigen Ausbau der A8: Die Großbaustelle der Autobahn zwischen München und Augsburg war Ende 2010 sogar schneller fertig als erwartet. Erstmals gingen Bau und Betrieb in Deutschland auf einen privaten Betreiber über: Das Konsortium Autobahnplus erhält dafür 30 Jahre lang die Lkw-maut-einnahmen. Auch der Ausbau zwischen Augsburg und Ulm nach demselben Modell unter dem Betreiber Pansuevia blieb 2015 überpünktlich im Zeitrahmen.
Nichts war zu hören von üblichen Kostenexplosionen, stattdessen lässt Autobahnplus anstelle von Rasenmähern ökologisch schottische Hochlandrinder auf den Wiesen neben dem Straßengraben grasen. Sind die Autobahnmodelle der „Öffentlich Privaten Partnerschaft“also ein Idyll in einer Landschaft gescheiterter Großbauprojekte? Nein. Hinter den Kulissen wird von allen Seiten heftig um das Finanzierungsmodell gestritten.
Der A8-betreiber Pansuevia, eine 100-Prozent-tochter des österreichischen Baukonzerns Strabag, verklagt den Bund auf eine Nachzahlung von knapp 35 Millionen Euro, weil der Baukostenanteil der Privatfirma mit 354 Millionen wegen heftiger Regenfälle und geologischer Unwägbarkeiten weit über Plan kletterte. In Niedersachsen klagt der Privatbetreiber „A1 mobil“sogar auf 778 Millionen Nachzahlungen, weil man sich vor der Finanzkrise 2008 bei den erwarteten Lkwmauteinnahmen drastisch verkalkuliert hatte: Zwischen Bremen und Hamburg brach der Lkw-verkehr um ein Fünftel ein.
So wie zuvor „A1 mobil“scheiterte auch die Strabag-tochter Pansuevia bislang vor Gericht: In zweiter Instanz wies das Oberlandesgericht München am Dienstag die Klage zurück: Derartige Risiken seien laut Vertrag vom Bauunternehmen und nicht vom Steuerzahler zu übernehmen. Auf den ersten Blick stärkten die Richter damit das Modell der „Öffentlich Privaten Partnerschaften“– kurz ÖPP – aus Sicht des Staates. Doch auf der anderen Seite rügt der Bundesrechnungshof, dass solche Öpp-modelle ohnehin in der Regel ein Draufzahl-geschäft für den Staat seien und die Steuerzahler bislang mindestens zwei Milliarden Euro mehr gekostet hätten.
Auch beim A8-ausbau zwischen Augsburg und München kritisierte der Bundesrechnungshof die Wirtschaftlichkeitsanalyse der Bundesregierung und erklärte, dass die Gesamtkosten für Bau und Betrieb auf konventionelle Art durch den Staat „vermutlich niedriger ausgefallen wären, hätte man wie in der Öppvariante eine Betonbauweise zugrunde gelegt“. Dagegen habe das Ministerium die öffentlichen Unterhaltskosten zu hoch angesetzt. Tatsächlich herrscht um Öpp-projekte seit Jahren ein Glaubenskrieg. Kritiker warnen vor einer Ausplünderung des Staats durch Privatinvestoren. Befürworter sehen im Öppmodell den letzten Weg, ohne Schuldenexplosion den riesigen Investitionsrückstand der zunehmend maroden deutschen Infrastruktur noch aufzuholen.
Der Rektor der renommierten Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Holger Mühlenkamp, zählt zu den wichtigsten Experten für das umstrittene Finanzierungsmodell. „Öpp-projekte sind in den meisten Fällen nicht wirtschaftlich“, sagt der Wirtschaftswissenschafts-professor. „Von 100 Projekten können vielleicht 20, 30 wirtschaftlich sein, aber die überwiegende Zahl ist letztlich unwirtschaftlich“, betont er und stützt sich auch auf internationale Studien.
Das größte Problem für die Privatbetreiber seien die hohen Finanzierungskosten für nötige Kredite, die sich der Staat erheblich günstiger leihen könne. Dieser Nachteil müsse an anderer Stelle reingespart werden, damit sich die Projekte privat rechneten. Ein Vorteil der Öppprojekte ist, dass Bauunternehmer
Schnellerer Bauzeit geht oft längere Planungszeit voran
in der Regel auch der Betreiber sind und schon beim Bau die Folgekosten mit im Blick haben.
Öpp-projekte werden zudem im Vergleich zu öffentlichen Projekten meist schneller fertig. „Das liegt daran, dass die privaten Projekte bessere Rahmenbedingungen als der Staat haben“, sagt Experte Mühlenkamp. Die Privaten könnten bei der Auftragsvergabe als sogenannter Generalunternehmer auftreten. „Die öffentliche Hand muss aber wegen der Mittelstandsförderung Teilaufträge in einem komplexen Losverfahren ausschreiben, was die Projekte meist viel langsamer macht“, betont der Professor. „Wenn die öffentliche Hand bei Großprojekten selber als Generalunternehmer auftreten dürfte, dann hätten wir dieselben Spielregeln.“
Allerdings dürfte dies angesichts des großen Widerstands der mittelständischen Bauwirtschaft gegen das Öpp-generalunternehmer-modell kaum politisch durchsetzbar sein. „Im Einzelfall muss man abwägen, ob der Vorteil, dass beispielsweise mit ÖPP eine Infrastruktur schneller zur Verfügung steht, andere Nachteile und Mehrkosten überwiegt“, sagt Experte Mühlenkamp. „Aber das darf kein genereller Freibrief sein“, betont der Professor. Denn betrachte man die lange Planungszeit von Öpp-projekten, sei auch dieser Vorteil oft dahin: „Es wird zwar schneller gebaut, aber dafür länger vorbereitet.“