Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Die meisten Großstädte sind doch hässlich“
Tv-star Jörg Hartmann spielt den Bauhaus-gründer Walter Gropius. Was ihn an moderner Architektur stört
Herr Hartmann, Sie spielen in „Lotte am Bauhaus“den Architekten Walter Gropius. Was wussten Sie über ihn?
Jörg Hartmann: Ich wusste schon ein bisschen was, weil ich privat an Architektur sehr interessiert bin und auch schon einige Bauhaus-stätten besichtigt habe – ob in Weimar, Dessau oder anderswo. Von daher war mir Herr Gropius kein ganz und gar Unbekannter.
Mögen Sie die Bauhaus-architektur?
Hartmann: Teils, teils. Ich mag das Gebäude in Dessau, wo das Bauhaus untergebracht war, sehr gerne. Ich mag die farbliche Gestaltung der Räume, man stellt sich das ja immer weiß vor, dabei geht es innen ganz schön bunt zu. Ich mag das Kornhaus an der Elbe, die Meisterhäuser in Dessau oder die Häuser, die Mies van der Rohe in Krefeld gebaut hat. Ich finde die Komposition von klaren Formen und klaren Farben gut, die das Bauhaus auszeichnet. Städtebaulich aber finde ich all das, was sich aus dem Bauhaus heraus entwickelt hat, ziemlich problematisch.
Warum?
Hartmann:
Die ewig gleichen Fassaden haben zur Monotonie und Gesichtslosigkeit vieler unserer Städte sehr beigetragen. Das, was im Modell vielleicht ganz gut aussieht, ist in der Wirklichkeit dann ganz oft kalt, abweisend und manchmal geradezu abstoßend. Vor allem die heute gerne umgesetzte billige und banale Variante des Bauhauses – Stichwort billige Schuhschachtel mit Styropor ummantelt – finde ich schlimm. Das ist für mich der Tod der Architektur, und den hat man leider in vielen Städten. Sind wir mal ehrlich: Die meisten unserer nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Großstädte sind doch hässlich.
Gibt’s denn für Sie auch Ausnahmen?
Hartmann: Leipzig und Erfurt zum Beispiel, weil dort noch so viel alte Substanz erhalten ist und man mit dieser Substanz auch verantwortungsvoll umgeht. Ich mag auch Städte wie Hamburg oder München, die immerhin in ihrer Grundstruktur noch erkennbar sind. Wobei es dort auch Viertel gibt, die völlig missraten sind. Berlin ist mindestens genauso ambivalent: in manchen Bereichen unglaublich hässlich, und überall dort, wo es erhalten ist, in der Regel schön und lebendig.
Wie wohnen Sie selber?
Hartmann: In einer Wohnung in einem sehr schönen Haus, ziemlich zentral in Potsdam gelegen. Ein spätklassizistisches Bauwerk, das kurz vor der Gründerzeit, so um 1860 rum, entstanden ist. Das ist sehr charmant. Ich bin architektonisch gesehen und auch sonst sehr zufrieden.
Der von Ihnen gespielte Gropius war davon überzeugt, dass Architektur und Kunst eine gesellschaftliche Aufgabe haben. Würden Sie dem zustimmen?
Dass Kunst eine gesellschaftliche Aufgabe hat, würde ich als jemand, der vom Theater kommt, natürlich immer unterschreiben. Als Schauspieler erzählt man im besten Falle ja auch immer etwas über die Zeit, in der man lebt. Und was Gropius betrifft, also die Themen Architektur und Städtebau, kann ich nur sagen: Das wird gesellschaftspolitisch gerade heutzutage wieder wichtig, wo Wohnen für viele Menschen einfach zu teuer wird. Da könnte man sich die 20er Jahre wieder als Vorbild nehmen, in denen große Siedlungen mit bezahlbaren Wohnungen entstanden sind, die gleichzeitig auch ästhetischen Ansprüchen genügten. Kein Vergleich mit dem sozialen Wohnungsbau von heute.
Interview: Martin Weber
O Tv-tipp Der Film „Lotte am Bauhaus“läuft an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr in der ARD. Jörg Hartmann ist seit 2012 Kommissar Peter Faber im Dortmunder „Tatort“. Er wurde 1969 im nordrhein-westfälischen Hagen geboren.