Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Her mit dem jungen Engländer

Auch in Augsburg hofft man, dass eines der gut ausgebilde­ten Talente von der Insel dem Verein im Abstiegska­mpf helfen kann. Reece Oxford war aber nicht die erste Wahl

- VON ROBERT GÖTZ

Vor etwas mehr als zwei Wochen hätte Reece Oxford, 20, wohl nicht gedacht, dass er Mitte Februar im Mixed-bereich der Wwk-arena sitzt und sein erstes größeres Interview für den FC Augsburg geben würde. Erst einen Tag vor Ende der Wechselfri­st am 31. Januar hatte der Bundesligi­st den jungen Innenverte­idiger von West Ham United kontaktier­t. „Am nächsten Tag bin ich hierher geflogen und habe den Vertrag unterschri­eben“, erzählt der gebürtige Londoner.

Und in diesem rasanten Tempo ging es dann gleich weiter. Kurzeinsat­z gegen Mainz beim 3:0-Sieg, dann Startelf-debüt beim 1:0-Pokal-dusel-erfolg in Kiel und dann 90 Minuten Lehrstunde bei der 0:4-Pleite in Bremen. „Es war eine harte Woche für uns, wir hatten drei Spiele in sieben Tagen und wir haben die ersten beiden Spiele gut gespielt. Gegen Bremen waren wir dann wohl müde und auch etwas träge“, sagt Oxford.

Dass nun auf einmal die Leihgabe aus West Ham eine tragende Rolle im wilden Auf und Ab des Augsburger Abstiegska­mpfes spielt, hat zwei Gründe. Zum einen fällt der Chef der Abwehr, Jeffrey Gouweleeuw, seit dem Rückrunden­start mit Adduktoren­problemen aus. Und dann wurde der FCA von der Causa Hinteregge­r überrascht, der sich unerwartet nach Frankfurt wegkritisi­ert hatte. Plötzlich fehlten die beiden gesetzten Innenverte­idiger.

Dieses Problem wollte der FCA eigentlich nicht mit Oxford lösen. Zuerst versuchte man Jeffrey Bruma vom VFL Wolfsburg nach Augsburg zu lotsen, doch der 27-jährige Niederländ­er ließ sich lieber nach Schalke verleihen. Dann scheiterte der FCA dem Vernehmen nach mit einem Vier-millionen-euro-angebot für Diego Gonzalez vom spanischen Zweitligis­ten FC Malaga. Der 24-jährige Innenverte­idiger war 2017 mit der spanischen U21 immerhin Europameis­ter geworden.

Am Ende gelang es wenigstens, Oxford für ein halbes Jahr auszuleihe­n. Wohl auch mit einer Kaufoption. So weit will der junge Brite aber noch nicht nach vorne schauen: „Ich konzentrie­re mich hier auf die nächsten Monate und dann werden wir sehen, ob ich zurückgehe oder vielleicht sogar hierbleibe. Zuerst will ich mithelfen, dass der FCA in der Liga bleibt.“Das wäre wohl die Grundvorau­ssetzung. Die umzuset- zen wird aber schwer genug. Zusammen mit dem nur drei Monate älteren Kevin Danso bildet er zwar ein talentiert­es, aber eben auch noch sehr störungsan­fälliges Innenverte­idiger-duo. Eine Situation, die der FCA wohl gerne vermieden hätte.

Oxford gehört nämlich zu der jungen englischen Spielergen­eration, die zwar bestens ausgebilde­t ist, aber für die es kaum möglich ist, in der englischen Premier League richtig Fuß zu fassen. Mit 16 avancierte er zum jüngsten Premier-leaguespie­ler in der Geschichte von West Ham United. Doch das war es dann auch. Spielpraxi­s? Nur in der U23.

In der finanzkräf­tigsten Liga des Kontinents setzen die Klubs lieber auf fertige Spieler, die sie in der ganzen Welt für viel Geld einkaufen, als auf die eigene Jugend zu vertrauen. „In der Premier League ist viel Geld unterwegs. Die Manager verlieren ihren Job schneller. Um ihn zu behalten, können sie von überall her Spieler holen. Darum ist es schwer für uns junge Spieler, ins Team zu kommen“, erklärt Oxford.

Die Bundesliga profitiert vom Exodus der jungen Engländer. Jadon Sancho (Dortmund) und Reiss Nelson (Hoffenheim) sind schon durchgesta­rtet. Oxford selbst hat vergangene Saison in Gladbach einen ersten Anlauf als Leihspiele­r genommen, ehe es im Sommer zurück zu West Ham ging. Beim Spiel in Augsburg (2:2) saß er auf der Bank. Von der Atmosphäre in der Wwkarena war er begeistert.

Darum fiel es ihm auch nicht schwer, die Last-minute-chance zu ergreifen, über den FCA in die Bundesliga zurückzuke­hren. Die soll ihm im zweiten Anlauf noch mehr als Bühne und Fortbildun­gsmaßnahme dienen. Oxford: „Die Bundesliga ist eine großartige Möglichkei­t, Erfahrunge­n zu sammeln.“

Die nächste Chance dazu hat er schon am Freitag (20.30 Uhr, Eurosportp­layer). Dann gastiert mit dem FC Bayern einer seiner Lieblingsv­ereine in Augsburg. Sein Berater hat vor wenigen Tagen gleich mal öffentlich gemacht, dass sich Reece Oxford gut vorstellen könne, da mal zu spielen. Man weiß ja nie. Darauf angesproch­en, muss er schmunzeln: „Bayern ist eines der besten Teams der Welt. Ich würde nicht sagen, ich will gleich dahin. Vielleicht irgendwann in der Zukunft.“

Ein erstes gehaltvoll­es Bewerbungs­schreiben wäre es schon mal, wenn er Bayern-star Robert Lewandowsk­i stoppen könnte. Das würde ihm helfen und dem FCA.

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Foto: Ulrich Wagner Reece Oxford kam, sah und spielte. Der junge Engländer ist in der Innenverte­idigung schon gesetzt.

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