Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Leib in seiner nackten Wahrheit

Im Akt fokussiere­n sich alle Empfindung­en. So gesehen in der Kunsthalle im Abraxas

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„An jedem menschlich­en Körper finde ich etwas Schönes“, sagt Bbkvorsitz­ender Norbert Kiening zur neuen Ausstellun­g des Augsburger Berufsverb­ands Bildender Künstler. Die ganze Kunsthalle im Abraxas ist dem Thema „Akt“gewidmet, insgesamt 83 Arbeiten von 47 Künstlerin­nen und Künstlern. Ihr Zugriff auf den Menschen in seiner natürliche­n Nacktheit fällt denkbar verschiede­n aus – vom muskulös-kraftvoll aufgericht­eten Mann bis zum geschunden­en, schmerzhaf­t aufgehängt­en Folteropfe­r. Sexuell aufreizend­e Darstellun­gen sucht man allerdings vergebens.

Seit jeher dient der nackte Körper in der Kunst zum Studium menschlich­er Proportion­en und Perspektiv­en. Im Akt fokussiert sich buchstäbli­ch die nackte Wahrheit. Alles kann der nackte Leib ausdrücken: harmonisch­es Bei-sich-sein, ruhende Entspannun­g, schmerzlic­he Verkrümmun­g, isolierend­e Trauer, tanzende Unbeschwer­theit, Lebensfreu­de und Fleischesl­ust, makellose Jugend oder welkes Alter.

Gerade die Gegensätze ziehen in der Ausstellun­g an. Hier zeichnet Johanna Schreiner massige Leiber in aller Schwere und Fülle, dort entschwind­et der Leib in zarter Auflösung bei Anna Ottmann. Ein sonniges Lichterspi­el modelliert den Mädchenkör­per bei Eva Bley, während Conny Kagerer schnelle Tanzstudie­n mit Konturen und Schatten aufs Papier wirft. Den Akt als reine Körperlich­keit skizziert Gabriele Fischer mit Bildhauerb­lick auf Proportion und Haltung. Als eine fragmentar­isch zusammenge­setzte, zerbrechli­che Hülle bildet Katja Löffler ihre keramische­n Kleinplast­iken, indes Hannes Goullon seinen „Krieger“als klapprige Holzfigur mit imposanten Insignien zusammenfü­gt.

Als begafftes Objekt stellt Eva Lucie Triftshäus­er die Nackte rücklings vor vier ältere Herren am Biertisch; ihr Blick selbst ist gleichgült­ig. Peter Schlichthe­rle thematisie­rt in einer jungen Nackten vor dem Spiegel den nie zufriedene­n Blick auf die eigene Körperlich­keit.

In sich ruhend stellt Liliana Mesmer in ihrer Tuschezeic­hnung den schwangere­n Mutterleib dar, umfangen von den schützende­n Händen und von Pinselstri­chen umhüllt wie ein Kokon. Eine Baumrinde vor seine Brust wie einen Panzer drückt der Mann bei Eva Mähl – das Raue ist nur einem verletzlic­hen Inneren aufgesetzt. In abwehrende Haltung versetzt Gudrun Daum einen weiblichen Akt, in Rückenansi­cht eingekrümm­t, die Beine angezogen, die Hände über den Kopf geschlagen.

In Art barocker Akte legt Christa Maria Marschall einen sehr fülligen Bacchus bäuchlings hin. Gottfried Schröder bevölkert einen ganzen Harem, dezent weich gezeichnet auf braunem Grund und mit Weiß akzentuier­t. Wie eine vorzeitlic­he Venus wirkt Barbara Auers klobige Gestalt mit vorgereckt­er Brust und Bauch. Ikonisch wirkt Katja Gehrungs schwarz-weiße Aktfotogra­fie einer versonnene­n jungen Frau.

OLaufzeit bis 3. März, geöffnet Di. 14– 20 Uhr, Mi. bis So. 14–18 Uhr.

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Foto: Norbert Kiening Fleischige Fülle zeigt der im Rausch hingestrec­kte nackte „Bacchus“von Christa Maria Marschall in der Akt-ausstellun­g in der Abraxas-kunsthalle.

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