Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mein Augsburg
Ehrlich, ich halte nichts vom Valentinstag. Den gibt es nur, damit den Geschäften zwischen Weihnachten und Ostern die Deko-ideen nicht ausgehen. Oder so ähnlich. Aber geht es tatsächlich um Liebe, werde ich sentimental, emotional, gerührt und geschüttelt zugleich. Wie bei diesen beiden Liebesgeschichten, die das Leben mitten in unserer Stadt schrieb. Es geht um eine Radiomoderatorin, einen Hörer, eine Ballerina und einen Balletttänzer.
Als Svenja Sellnow, Morgenmoderatorin beim Klassikradio, vor rund fünf Jahren diese Facebooknachricht las, dachte sie zunächst: Oh Gott – der nächste Stalker! „Hey, bist Du die sympathische Stimme, die mich jeden Morgen weckt?“, hat ihr ein Hörer geschrieben. Doch sein smartes Profilbild, sagt sie, gefiel ihr. Es wurde hin- und hergeschrieben, er fragte nach einem Treffen. „Ich antwortete: Erst einmal nicht“, erzählt die 31-Jährige. Dabei meinte sie: Nein. Aber auf die grundlegende Mann-frau-kommunikationsproblematik will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen. Nicht an einem Valentinstag. Der Hörer blieb hartnäckig. Svenja Sellnow und er verabredeten sich zum Frühstück im damaligen Elements in der Domkurve. „Er gab mir die Hand und sagte schüchtern Hallo“, erinnert sie sich. Da sei es schon um sie geschehen gewesen. „Zwei Wochen, nachdem wir zusammengekommen waren, prophezeite ich meiner Mutter: Den heirate ich.“Im August vergangenen Jahres gaben sich Svenja Sellnow und Stephan Kötte (32) tatsächlich das Ja-wort (linkes Bild). Geht es schöner? Wohl kaum. Aber anders schön. Und nahezu spannend.
Denn Natalie Böck hat ihren Ehemann István Nemeth (beide betreiben die Ballettschule Dancecenter No1 im Glaspalast) einst mit dem Auto verfolgt. Aber von vorne. Es war im September 1986. Am Augsburger
Theater startete die neue Spielzeit. Böck war damals Elevin im Ballett-ensemble, als ein Neuzugang vorgestellt wurde: István Nemeth, 28, aus Ungarn. „Mein Herz klopfte bis zum Hals – es war Liebe auf den ersten Blick“, so die einstige Primaballerina. Ihm sei es genauso ergangen. Wortlose Wochen der Verliebtheit begannen. „Ich war zu schüchtern. István sprach noch kein Deutsch, er war auch schüchtern.“Natalie Böck war neugierig, was der Ungar nach dem Ballett-training und den Vorstellungen privat so machte. Da sie selbst noch keinen Führerschein besaß, bat die 19-Jährige ihren Vater um eine Autofahrt: „Papa, können
wir schauen, wo er wohnt?“ Nach einem Ballett-training also setzten sich Vater und Tochter Böck ins Auto. Sie folgten dem Dacia mit ungarischem Kennzeichen. „Ich versteckte mich auf der Rückbank, damit er mich nicht sieht.“Schon am Dom wurde die Verfolgung das erste Mal unterbrochen. „István hielt an und ging zu einer Telefonzelle. Nach einer Minute kam er wieder heraus und fuhr weiter.“Die ganze Zeit, sagt sie, sei es so weitergegangen. Er hielt an einer Telefonzelle, verließ sie aber gleich wieder. Bis nach Döpshofen, wo der Tänzer auf einem Bauernhof untergekommen war, wiederholte sich die Szenerie. „Das war so mysteriös. Ich wunderte mich, was er da machte, wen er anrief.“Die Auflösung folgte am nächsten Tag im Theater.
„Ich wollte dich gestern anrufen und mich mit dir auf einen Tee verabreden“, habe ihr der Tänzer in gebrochenem Deutsch gesagt. Noch heute muss Natalie Böck darüber schmunzeln. „Es war eine süße Geschichte. So etwas kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“Vergessen wird Natalie Böck auch nie den Moment, als eines Morgens beim Theaterpförtner ein Probenplan aushing. Darauf stand: 18 Uhr Solo Probe Böck-nemeth. „Ich hatte eine Schockstarre in meinem Gesicht. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen.“An diesem Abend tanzten die beiden das ersten Mal zusammen ein „Pas de deux“. Inzwischen sind Böck und Nemeth schon seit 27 Jahren verheiratet.
Ehrlich, ich halte nichts vom Valentinstag. Aber wenn man zu diesem Anlass so schöne Liebesgeschichten erzählen darf, dann finde ich ihn doch irgendwie herzig.
43, liebt an Augsburg die Altstadt mit ihren kleinen Geschäften. Vor allem aber mag die Redakteurin die Menschen und deren Geschichten.
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