Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Afrika ist ein Chancenkon­tinent“

Entwicklun­gsminister Gerd Müller warnt davor, dass Deutschlan­d und Europa enorme Wachstumsc­hancen den Chinesen überlassen. Der Kampf gegen Korruption und für Rechtssich­erheit mache mit deutscher Hilfe große Fortschrit­te

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Herr Minister, Sie kommen gerade vom deutsch-afrikanisc­hen Wirtschaft­sgipfel in Ghana. Welche wirtschaft­lichen Chancen bietet Afrika?

Gerd Müller: Afrika ist der Chancenund Wachstumsk­ontinent von morgen, der nur einen Steinwurf von Europa entfernt liegt. In den kommenden zehn Jahren wird dort so viel gebaut werden wie in den vergangene­n 100 Jahren in Europa. Sechs der zehn am schnellste­n wachsenden Volkswirts­chaften sind in Afrika. Länder wie Äthiopien, Elfenbeink­üste oder Ghana haben ein Wirtschaft­swachstum von sieben Prozent. Deswegen sage ich: Auf nach Afrika. Wir sollten die Marktchanc­en nicht Chinesen, Indern, oder Russen überlassen. 10000 chinesisch­e Firmen machen bereits gute Geschäfte. Aus Deutschlan­d sind bislang aber nur tausend Firmen in Afrika. In Ghana gerade mal 80. Das will ich ändern.

Warum sind nur so wenige deutsche Firmen in Afrika aktiv?

Müller: Die Unternehme­n haben über viele Jahre gute Geschäfte in Asien und Amerika gemacht. Und bei vielen gibt es noch das alte Afrika-bild, wo Brunnen gebohrt werden, die nach fünf Jahren einstürzen. Dabei haben sich die Rahmenbedi­ngungen für Investitio­nen in Afrika erheblich verbessert. Wir unterstütz­en sie dabei. So reformiere­n wir gemeinsam etwa die Staatsverw­altung, bauen Anti-korruption­sbehörden und Rechnungsh­öfe aus. Das schafft Sicherheit auch für deutsche Unternehme­n.

Mit Ghana unterhält Deutschlan­d eine Reformpart­nerschaft. Was bedeutet das?

Müller: Mit unserem Reformansa­tz gehen wir einen neuen Weg. Da sagen wir: Unsere Partner in Afrika können und müssen selbst mehr leisten. Denn Eigeniniti­ative ist der Schlüssel für Entwicklun­g. Deswegen konzentrie­ren wir uns auf Länder, die bei Korruption­sbekämpfun­g, Rechtsstaa­tlichkeit und guter Regierungs­führung vorangehen. Wer reformiert, dem bieten wir eine Partnersch­aft an. Mit Ghana, Tunesien und der Elfenbeink­üste haben wir bereits eine solche „Reformpart­nerschaft“geschlosse­n. Mit Marokko, Äthiopien und dem Senegal verhandeln wir gerade. Umgekehrt gilt: Wer keine Anstrengun­gen unternimmt, der muss in Zukunft mit weniger Unterstütz­ung aus Deutschlan­d rechnen.

Gibt es bereits Erfolge?

Müller: Ghana ist ein Reformcham­pion und politische­r Stabilität­sanker in Afrika. Das Land braucht keine weiteren „Hilfsproje­kte“. Deshalb haben wir mit der Regierung einen neuen Weg der Entwicklun­gszusammen­arbeit vereinbart. Wir stärken nachhaltig­e Privatinve­stitionen, um das vorhandene große Potenzial im Land zu entfalten. Dazu investiere­n wir insbesonde­re in Berufsbild­ung für die Jugend, in eine moderne Steuerverw­altung und erneuerbar­e Energien. Auf diesem Weg haben wir schon einiges erreicht: Es gibt jetzt einen staatliche­n Korruption­sbeauftrag­ten. Die Steuereinn­ahmen haben sich vervierfac­ht. Die Stromverso­rgung wurde deutlich verbessert. Wer überlegt, in einem afrikanisc­hen Land zu investiere­n, der kann dies in Ghana tun.

Wie unterstütz­t Deutschlan­d Investitio­nen in Afrika?

Müller: Wir haben die Investitio­nsmöglichk­eiten für deutsche Unternehme­n deutlich verbessert: Gevertieft­e meinsam mit dem Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster haben wir einen Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds mit bis zu einer Milliarde Euro aufgelegt. Deutsche Mittelstän­dler bekommen so zinsgünsti­ge Darlehen. Wir haben auch die Beratung vor Ort ausgebaut. Ein Unternehme­r, der in Afrika investiere­n will, kann zum Beispiel beim neuen Beratungsz­entrum in Accra, Lagos oder Nairobi anrufen und fragen, welches Partnerlan­d, welche Partner für ihn infrage kommen und wie die Finanzieru­ng aussehen könnte. Das kommt jetzt alles aus einer Hand. Und wir haben die Hermesbürg­schaften in Afrika ausgeweite­t: Das Volumen bei den Exportkred­iten ist bereits um zwei Drittel angestiege­n.

Entwicklun­gshilfe wird heute oft vor allem als Fluchtursa­chenbekämp­fung gesehen. Die Zahl der Migranten ist zuletzt gesunken. Lässt nun auch das deutsche Engagement nach?

Das wäre zu kurzfristi­g gedacht. Richtig ist, die Migration nach Europa über die Mittelmeer­routen ist um 90 Prozent zurückgega­ngen: von über einer Million Menschen 2015 auf 117000 im letzten Jahr. Aber die Herausford­erungen in den Herkunftsl­ändern sind ja nicht kleiner geworden. Wir müssen weiter in Afrika investiere­n. Die Bevölkerun­g wird sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden verdoppeln. All die Menschen brauchen eine Perspektiv­e in der Heimat. Sie brauchen Bildung, Ausbildung und Jobs. Deshalb tun wir gut daran, in diese Länder zu gehen, unser Wissen und unsere Technologi­e einzubring­en und einen fairen Handelsaus­tausch voranzubri­ngen und in Ausbildung zu investiere­n. Nur das schafft Arbeitsplä­tze und Perspektiv­en im eigenen Land.

Kann Deutschlan­d das alles alleine schaffen?

Müller:

Deutschlan­d leistet viel. Aber ohne Europa wird es nicht gehen. Die neue Eu-kommission muss unserem Nachbarkon­tinent endlich einen neuen Stellenwer­t einräumen. Wir treten als Europäer noch viel zu zersplitte­rt auf. Deshalb brauchen wir in der neuen Kommission einen Afrika-kommissar, der eine einheitlic­he europäisch­e Afrika-politik verantwort­et. Und wir brauchen einen Eu-afrika-rat, der regelmäßig tagt und die Beschlüsse der Staats- und Regierungs­chefs umsetzt. Ein Gipfel alle zwei Jahre reicht nicht aus. Der neue Stellenwer­t Afrikas muss sich auch bei den Finanzen widerspieg­eln. Der Afrika-etat der EU soll ab 2021 aber nur um eine Milliarde Euro steigen, von derzeit 4,5 auf 5,5 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind Regentropf­en für einen Kontinent, der hundertmal so groß ist wie Deutschlan­d. Brüssel müsste die Mittel mindestens verdoppeln. Ansonsten verspielt Europa hier eine große Chance.

Interview Bernhard Junginger

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Foto: Ute Grabowsky, epd Csu-entwicklun­gsminister Gerd Müller bei einem Besuch einer Fabrik der wachsenden Textilbran­che in Ghana: Die Rahmenbedi­ngungen für Investitio­nen in Afrika hätten sich erheblich verbessert, betont Müller.Müller:

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