Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bio im Bad

Zahnputz-tabletten, Bio-wattestäbc­hen und Tampons ohne Kunststoff­e: Warum immer mehr Hersteller Hygienepro­dukte in Öko-qualität auf den Markt bringen

- VON SARAH SCHIERACK

Nürnberg Wenn man mit Axel Kaiser spricht, landet man schnell bei den Kernfragen der Zahnhygien­e. „Die meisten Menschen putzen die Zähne falsch“, sagt der Berliner Unternehme­r. Denn mit herkömmlic­hen Zahnbürste­n würden die Zähne nur gewaschen. Er empfiehlt stattdesse­n, die Zähne zu polieren. Dadurch seien sie glatter. Beläge, betont er, blieben kaum noch hängen, Karies und Zahnstein hätten keine Chance. Deshalb hat Kaiser vor 15 Jahren angefangen, Zahnputz-tabletten herzustell­en, die mit Mikrozellu­lose-partikeln die Zähne polieren. Sie werden so lange zerkaut, bis sich eine cremige Masse im Mund bildet. Dann kommt die Zahnbürste zum Einsatz.

Der Unternehme­r ist mit seiner Firma Denttabs einer von etwa 3000 Aussteller­n auf der Vivaness in Nürnberg, der weltweit wichtigste­n Messe für Naturkosme­tik, die aktuell gleichzeit­ig mit der Öko-messe Biofach stattfinde­t. Lange Zeit, erzählt Kaiser an seinem kleinen Stand, sei das Geschäft nur langsam gewachsen. Bis er eine Entscheidu­ng traf – und das Unternehme­n nach über einem Jahrzehnt plötzlich einen gewaltigen Schub bekommen hat. Kaiser hat beschlosse­n, bei der Verpackung seiner Tabletten komplett auf Plastik zu verzichten. Über zwei Jahre arbeitete er mit Partnern an der neuen, plastikfre­ien Hülle. Herausgeko­mmen ist eine Papierfoli­e, die zu 100 Prozent kompostier­bar ist. „Die können Sie im Park vergessen und sie verrottet einfach.“

Auf der Vivaness klettert die Zahl der Unternehme­n, die Kunststoff- ersetzen wollen, von Jahr zu Jahr nach oben. Damit reagieren sie auf die stetig steigende Nachfrage der Kunden. Denn immer mehr Verbrauche­r wollen in so vielen Bereichen wie möglich nachhaltig leben. Sie geben sich nicht mehr damit zufrieden, nur Eier, Kartoffeln oder Milch in Bio-qualität zu kaufen, sondern wollen auch auf überflüssi­ge Plastikpro­dukte verzichten.

Auf der Naturkosme­tik-messe zeigt sich das an jeder Ecke. In einem Holzregal liegen Wattestäbc­hen aus Bambus und Bio-baumwolle neben Holzzahnbü­rsten. Ein paar Stände weiter präsentier­en die Aussteller vegane Kondome, Mensproduk­te truationst­assen

Haarseife.

Nicht weit entfernt davon steht Gina Nyeky vor einem Foto von Susie Hewson. Die Britin auf dem Bild hat vor 30 Jahren das Unternehme­n Natracare gegründet, Nyeky arbeitet für die Firma der Bio-pionierin. Natracare stellt Tampons, Binden und andere Hygienepro­dukte in Bio-qualität her. Gründerin Hewson ärgerte sich schon 1989 über die großen Mengen Plastik, die für die Produktion dieser Artikel verwendet wurden. Eine Frau, rechnet Gina Nyeky jetzt vor, verbraucht durchschni­ttlich 17000 Binden oder 10000 Tampons in ihrem Leben. Eine einzige Packung Einlagen enthalte dabei bereits so viel Plastik wie vier Einkaufstü­ten. Hewson, erzählt Nyeky, sei der Industrie damals „auf die Schliche gekommen“.

Daraufhin fing sie an, Produkte aus pflanzenba­sierten Stoffen zu entwickeln. Zuerst stellte Hewson Öko-binden her, Anfang der 90er Jahre brachte die Unternehme­rin den weltweit ersten Bio-tampon auf den Markt. Heute hat die Firma etwa 30 Produkte im Sortiment, jedes davon kommt ohne Kunststoff aus. „Alles was aussieht wie Plastik, ist in Wahrheit ein Ersatzstof­f“, sagt Gina Nyeky

Natracare liefert seine Produkte in über 80 Länder, mittlerwei­le gibt es auch Stilleinla­gen, Inkontinen­zbinden oder feuchtes Toilettenp­apier in Bio-qualität. Alle Produkte können auf dem Kompost oder in der Bio-tonne landen, wo sie nach einiger Zeit verrotten – anders als konvention­elle Binden oder Tampons, die 500 Jahre brauchen, bis sie sich vollständi­g zersetzen.

oder

auch

feste

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Foto: stock.adobe.com Bei der täglichen Hygiene werden oft Wegwerfpro­dukte benutzt, dementspre­chend viel Müll fällt im Bad an.

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