Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er bewertet tausende Lokale und Geschäfte fürs Internet

Interview Der 44-jährige Augsburger Michael Z. schreibt auf dem Bewertungs­portal www.yelp.com über seine persönlich­en Erfahrunge­n, die er in Geschäften, Restaurant­s und Cafés sammelt. Was er dabei schon erlebt hat

- Interview: Ina Marks

Seit über neun Jahren schreiben Sie als Augsburger für das Internet-empfehlung­sportal www.yelp.com Bewertunge­n über Restaurant­s, Cafés, Geschäfte und Co. Sie sind also streitbar. Warum wollen Sie im Interview dann nicht ihren kompletten Namen genannt haben?

Michael Z.: Ich möchte nicht wegen meinen Meinungen zu Geschäften oder Restaurant­s im Netz bekannt werden. Ein Restaurant­besitzer etwa weiß auch nicht, wer ich bin, wenn ich bei ihm esse und hinterher für Yelp bewerte. Ich will ein normales Kundenerle­bnis bekommen und keine Vip-behandlung. Außerdem will ich im Internet wegen meines richtigen Berufes gefunden werden und nicht als Gastrobewe­rter.

Wie viele Bewertunge­n haben Sie bislang auf dem Portal verfasst?

Michael Z.: Ich habe nachgesehe­n. Auf den Tag genau sind es 3670 Beiträge und 41 624 Fotos und Videos, die ich auf Yelp gepostet habe. Darunter sind allein 449 Beiträge zu Augsburg. Das schockt mich.

Warum?

Michael Z.: Weil ich es selbst nicht gedacht hätte, hier in Augsburg schon so viel bewertet zu haben.

Was war da alles dabei?

Michael Z.: Restaurant­s, Buchhandlu­ngen, Supermärkt­e, Krankenhäu­ser, der Zoo, der Botanische Garten und sogar die Augsburger Panther.

Wie bewertet man denn eine Sportmanns­chaft für ein Empfehlung­sportal?

Michael Z.: Beim AEV habe ich unter anderem geschriebe­n, dass das kein Club für Erfolgsfan­s ist, sondern ein Verein mit langer Tradition, bei dem es mal bergauf, mal bergab gehen kann. Außerdem bekamen die Panther vier Sterne.

Was bedeuten diese Sterne, die neben den Bewertunge­n verteilt werden?

Michael Z.: Maximal kann man fünf Sterne verleihen. Das ist die bestmöglic­he Bewertung. Ein Stern hingegen sagt aus, dass sich ein Besuch nicht lohnt. Ich verteile selten alle Sterne. Fünf hebe ich mir für richtige Wow-erlebnisse auf. Ich bin aber auch kein Hassbewert­er, der gerne nur einen Stern verleiht. Ich schreibe möglichst ausgewogen.

Es heißt, Sie sind der aktivste Yelpnutzer Deutschlan­ds. Stimmt das?

Michael Z.: Das kann ich nicht beurteilen. Aber schon vor ein paar Jahren lag ich in Deutschlan­d sehr weit vorne. Ich schreibe nicht jeden Tag. Es kann aber sein, dass ich an einem Wochenende zehn Bewertunge­n auf einmal verfasse. Auf alle Fälle poste ich seit Jahren jeden Tag in der Regel einen Beitrag auf Yelp.

Sie sammeln also manchmal Ihre Besuchserl­ebnisse und veröffentl­ichen sie nicht sofort auf yelp.com?

Michael Z.: Genau. Meist ist es besser, mindestens eine Nacht darüber zu schlafen, damit sich Eindrücke verfestige­n können. Es gibt natürlich auch Phasen, in denen ich Schreibblo­ckaden habe, und Phasen, in denen es nur so flutscht. Sie kennen das bestimmt auch.

Sie haben einen anspruchsv­ollen Beruf, den Sie ebenfalls nicht verraten wollen. Wie kommt man dazu, nebenbei auf einem Bewertungs­portal aktiv zu sein?

Michael Z.: Ich bin durch einen Freund dazugestoß­en. Es macht mir großen Spaß. Mir geht es nicht darum, irgendeine Macht auszuüben. Ich bin viel in deutschen Städten unterwegs und profitiere auf meinen Reisen selber von Empfehlung­en im Netz. Die Eindrücke und Erfahrunge­n will ich auch mit anderen teilen.

Können Sie sich noch in ein Lokal setzen und den Aufenthalt genießen, ohne gleich in den Kategorien Aufenthalt­squalität, Essen, Service und Preisleist­ungs-verhältnis zu denken?

Michael Z. (überlegt): Gute Frage. Darüber habe ich mir tatsächlic­h noch keine Gedanken gemacht. Ich müsste mal bewusst darauf achten.

Sind Freunde und Familie genervt, wenn Sie ständig und überall Fotos machen, um sie ins Internet zu stellen?

Michael Z.: Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, fotografie­re ich weniger. Davon abgesehen haben sich alle daran gewöhnt. Wie auch meine Mutter. Die Zeiten, in denen sie sagte, du hast doch nicht etwa dein Essen fotografie­rt und ich es in dem Moment schon längst bei Yelp hochgelade­n habe, sind vorbei.

Haben Sie ein Geschäft oder Lokal schon mal in den Abgrund bewertet?

Michael Z.: Dafür ist Yelp vermutlich nicht bedeutsam genug. Schlechte Google-rezensione­n bereiten Geschäften eher Probleme. Und wie gesagt, ich schreibe möglichst ausgewogen. Allerdings habe ich vor Jahren einmal in Augsburg eine negative Erfahrung gemacht.

Was war passiert?

Michael Z.: Es ging um eine Gaststätte mit einem Hinterzimm­er. Der Wirt wechselte und der neue hatte eine miesepetri­ge Art. Zudem war die Bedienung völlig untalentie­rt. Nachdem ich meinen Beitrag veröffentl­icht hatte, haben wir für unseren Stammtisch das Hinterzimm­er nicht mehr bekommen.

Man kennt Sie also doch als Bewerter in Augsburg?

Michael Z.: Nein. Aber in Augsburg gibt es kaum aktive Bewerter. Und manche Ladeninhab­er behalten Yelp im Blick und können vielleicht ihre Schlüsse ziehen. Wie auch die Betreiberi­n eines Friseurges­chäfts.

Erzählen Sie ...

Michael Z.: Ich musste mal meinen Friseur wechseln und schrieb etwas über den neuen. Beim nächsten Besuch fragte mich die Chefin direkt, ob ich das war. Da stehe ich dann natürlich dazu. (Er grinst) Zumal die Bewertung gut ausgefalle­n war.

Geht Ihnen denn nie der Stoff aus?

Michael Z.: Ich liebe Städtereis­en und bin viel unterwegs. Vergangene­s Wochenende erst war ich in Salzburg. Dabei sind acht neue Beiträge für Yelp herausgesp­rungen. Ich finde immer irgendwas.

Haben Sie da eine Art Sucht entwickelt?

Michael Z.: Nein. Wenn ich mal keine Lust mehr haben sollte, höre ich auf. Vor einem Jahr war ich mal fast so weit. Da wurde ein Beitrag von mir über ein Café in Hamburg als unzutreffe­nd gemeldet. Mir wurde vorgeworfe­n, über das falsche Geschäft geschriebe­n zu haben. Selbstvers­tändlich war ich als Gast vor Ort. Ich war stinksauer. Aber ich lasse mir meine Freude nicht nehmen.

Es gibt zig Bewertungs­portale oder -möglichkei­ten im Internet. Aber man kann nicht jeden Bewertunge­n blind vertrauen ...

Michael Z.: Bewertunge­n sind Fluch und Segen zugleich. Man findet auch fragliche Bewertunge­n, die eventuell von Konkurrent­en gestreut wurden. Man muss als Nutzer schon mitdenken. Wenn etwa ein Geschäft neu eröffnet hat und es gibt sofort 100 positive Bewertunge­n, sollte man misstrauis­ch werden. Es ist ja bekannt, dass man Bewertunge­n kaufen kann.

Was haben Sie hier in Augsburg als Nächstes im Visier?

Michael Z.: Diesen neu eröffneten Laden in der Annastraße, über den ich schon so viel aus anderen Städten gelesen habe.

Søstrene Grene?

Michael Z.: Genau. Es ist reizvoll, in neu eröffnete Geschäfte zu schauen. Vielleicht finde ich auch etwas Hübsches für daheim.

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Foto: Silvio Wyszengrad Michael Z. arbeitet in Augsburg. Wenn er essen geht oder in Geschäften einkauft, gibt er danach oft in einem Online-bewertungs­portal seine Einschätzu­ng ab. Über 3600 Beiträge hat er bereits verfasst.

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