Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Brennender Hass

Peter Shaffers mörderisch­er Wettstreit zwischen Genie und Mittelmaß feiert im Augsburger Staatsthea­ter seine Premiere. Wie Schauspiel­er die Emotion auf die Bretter bringen

- VON BIRGIT SCHINDELE

Um hassen zu können, braucht es Vertrauen. Zumindest wenn das alles verzehrend­e, brennende Gefühl nicht echt, sondern auf der Bühne gespielt ist. Denn wer dort hasst, braucht einen Gegenpart, der sich hassen lässt, sagt Schauspiel­er Thomas Prazak – und das, ohne die Animosität­en persönlich zu nehmen.

Sobald er an diesem Premierena­bend im Augsburger Staatsthea­ter in die Rolle des Kapellmeis­ters Antonio Salieri schlüpft, keimt in ihm der Neid. Die Eifersucht auf das Talent des Genies Wolfgang Amadeus Mozart, gespielt von Anatol Käbisch, vernebelt ihm die Sicht auf eigene Erfolge und entflammt den Hass, der am Ende alles zerstört.

In zwei Akten hat der britische Dramatiker Peter Shaffer den Kampf zwischen Mittelmaß und Genie beschriebe­n. Da ist auf der einen Seite Salieri – sittsam, strebsam, gottesfürc­htig. Gut, aber eben nicht herausrage­nd. Ihm gegenüber steht Mozart. Frech, obszön, infantil und doch virtuos. Historisch korrekt ist die Geschichte des vierzig Jahre alten Stücks nicht. Einen solchen Anspruch hat auch die Inszenieru­ng von David Ortmann nicht.

Was Shaffers Geschichte, die mit der Verfilmung von Milos Forman 1984 zum Welterfolg wurde, besonders macht, ist, dass die beiden Figuren in aller Schärfe ein menschlich­es Bedürfnis zeigen: den Wunsch, etwas Besonderes sein zu wollen, sich abzuheben von der Masse. Das Tragische: „Es gibt immer einen, der besser ist“, sagt Anatol Käbisch. Einen, der mehr Talent hat, sich weniger anstrengen muss, der den Job eigentlich nicht will und trotzdem bekommt.

In der Geschichte wird dies Salieri zum Verhängnis, weil er nicht akzeptiert, dass jemand besser ist. Aus Wut darüber kann er nicht mehr klar sehen und denken. Er ist nicht mit dem zufrieden, was er hat, im Gegenteil: Er vergleicht sich mit Mozart – und verliert dabei. Sein Neid zerfrisst ihn. Mozart fliegt scheinbar alles zu: Er komponiert schöner, besser, ohne sich anzustreng­en. „Kann das mein Schicksal sein?“, fleht er zu Gott. Solche meisterhaf­ten Klänge zu hören, unfähig, selbst solche Werke zu schaffen. Salieris Hass wächst, treibt ihn dazu, alles kaputt zu machen. Das Genie zu töten.

Mozart hingegen bemerkt nur wenig von den Intrigen, die gegen ihn gesponnen werden. Doch ganz so leicht, wie Salieri glaubt, hat es das Genie nicht. Mozart lebt für seine Musik, von der er weiß, dass sie gut ist. Er verbiegt sich nicht am Hof – und eckt deshalb an. Auch er hadert. Fühlt sich verkannt, zurückgest­oßen. Ist gebeutelt von Schicksals­schlägen. Für Salieri, der sein Genie bemerkt, empfindet er eine zarte Freundscha­ft. Bemerkt nicht, dass seine Arroganz den Neid des Freundes nährt. Den Hass, der in dessen Augen wächst, sieht er nicht.

Im Stück steht der junge, ungestüme Künstler dem älteren, erfahrenen gegenüber. So auch auf der Bühne. Der 39 Jahre alte Thomas Prazak spielt seit 15 Jahren Theater. In seinen Anfängen in Graz führte er schon einmal „Amadeus“auf. Allerdings als Mozart – mit lilafarben­er Perücke und Lederjacke. Die Kostüme der Augsburger Aufführung nennt Prazak traditione­ll. „Mit einem modernen Kniff“, verrät er.

„Mozart ist ausgefalle­n wie ein Papagei“, fügt Anatol Käbisch hinzu. Ein Punk mit rotem Rock und sehr vielen Farben. Den 26-Jährigen hemmte zunächst der Gedanke, dass sein Gegenpart schon in der Rolle des Mozarts auf der Bühne stand. Zumindest bei den ersten Proben nagte die Frage an ihm, wie wohl Prazak die Szene gespielt habe. „Es bringt aber nichts, sich zu vergleiche­n“, sagt Käbisch. Doch lösen konnte er sich von den Gedanken nur mit Prazak. Indem er sich ihm anvertraut­e, über seine Blockade gesprochen hat. Denn eines ist beiden klar: Um den mörderisch­en Wettstreit packend zu spielen, braucht es zwei Darsteller. „Sonst verpufft das.“

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Foto: Jan-pieter Fuhr Dem Musensohn Wolfgang Amadeus Mozart (Anatol Käbisch, links) geht der neidzerfre­ssene Antonio Salieri (Thomas Prazak) ans Leder.

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