Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie sich Donald Trump selbst entlarvt

Mit der Ausrufung eines fingierten Notstands untergräbt der Us-präsident endgültig Amerikas Werteordnu­ng. Der selbst ernannte Dealmaker steht nackt da

- VON KARL DOEMENS redaktion@augsburger-allgemeine.de

Erst sollte Mexiko zahlen. Dann der amerikanis­che Kongress. Eine „wunderschö­ne massive Mauer“von 1000 Meilen werde er bauen und damit illegale Zuwanderun­g, Drogenhand­el und Kriminalit­ät stoppen, fabulierte Donald Trump im Wahlkampf. „Build the wall“, ließ er seine Anhänger skandieren, bis er den Slogan kürzlich in „Finish the wall!“steigerte: Mach die Mauer fertig!

Tatsächlic­h ist die Grenzbefes­tigung entlang der Südwestgre­nze der USA in den zwei Amtsjahren dieses Präsidente­n nicht gewachsen. Von seinem Betonwall wurde bisher kein einziger Meter gebaut. Mexiko denkt gar nicht daran, für die Abschrecku­ng seiner Bürger zu zahlen. Und auch Republikan­er und Demokraten im Us-kongress halten die Tasche zu. Gerade einmal 1,375 Milliarden Dollar für 55 Meilen Zaun, nicht Mauer, haben sie nun bewilligt. Der große Dealmaker hat sich verzockt und steht nackt da. Das kann ein Mann mit dem Selbstbewu­sstsein eines Donald Trump nicht auf sich sitzen lassen.

Also wirft der Präsident nun wütend den ganzen Spieltisch um. Wenn er auf verfassung­smäßigem Weg nicht an sein Geld kommen kann, dann holt er es sich nach der Art eines Autokraten – auf eigene Faust, mit windiger Begründung und einem Raubzug durch andere Ressorts, deren bereits genehmigte Mittel etwa für den Hochwasser­schutz oder die Katastroph­enhilfe er einfach umwidmet. Auf diese Weise will er acht Milliarden Dollar zusammenbe­kommen.

Das reicht zwar höchstens für ein Viertel der versproche­nen Mauer, dürfte seine Anhänger aber zumindest vorübergeh­end ausreichen­d benebeln. Um die Wirklichke­it, um Fakten und echte Notwendigk­eiten geht es in dieser gespenstis­chen Debatte schon lange nicht mehr. Ja, es gibt Probleme an der amerikanis­chen Grenze. Aber von einem nationalen Notstand kann nicht die Rede sein. Die Zahl der erfassten illegalen Grenzübert­ritte ist seit der Jahrtausen­dwende im Gegenteil um 75 Prozent auf rund 400000 gesunken. Und von einem Anstieg der Kriminalit­ät in der Grenzregio­n ist nichts zu spüren. Ja, es kommen Waffen und Drogen in die USA. Aber sie werden nach den Angaben von Trumps eigenen Experten ganz überwiegen­d über die offizielle­n Grenzstati­onen eingeschmu­ggelt.

Doch selbst wenn man Trumps apokalypti­sche Beschreibu­ngen für bare Münze nähme, dürfte ein verantwort­licher Präsident wohl kaum zum Golfspiele­n in den Wochenendu­rlaub nach Florida fahren. Und würden die Amerikaner durch Horden von Invasoren bedroht, müsste die Grenze sofort durch Truppen und Stacheldra­ht gesichert werden. Der Bau einer massiven Mauer aus Stahl und Beton aber wird viele Jahre dauern.

Und die Zahl der Migranten könnte angesichts der martialisc­hen Töne aus dem Weißen Haus in einer Art Torschluss­panik sogar noch steigen, zumal die Nachfrage nach billigen Arbeitskrä­ften in den USA anhält. Doch in seiner faktenfrei­en Demagogie dürfte Trump diese Entwicklun­gen zu seinen Gunsten umzudeuten versuchen. Je schlimmer die Lage, je größer die Widerständ­e, je stärker die Polarisier­ung, desto besser kann sich der Narzisst mit seinen autokratis­chen Neigungen als unerschroc­kener Kämpfer in Szene setzen.

Für sein Wahlverspr­echen einer Mauer verschlepp­t Trump seit zwei Jahren eine dringend erforderli­che Reform des Einwanderu­ngsrechts, er hat bereits 800 000 Beamte mit einer völlig sinnlosen Haushaltss­perre in Geiselhaft genommen und will Milliarden für ein völlig wirkungslo­ses Bauwerk verpulvern. Mit der Ausrufung eines fingierten Notstands schickt er sich endgültig an, das Fundament der amerikanis­chen Verfassung zu untergrabe­n.

Auch seine eigene Partei hält die Geldtasche zu

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