Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Islam-unterricht soll weitergehe­n

Im Sommer läuft ein Modellvers­uch an Bayerns Schulen aus. Kultusmini­ster Michael Piazolo will das Projekt weiterführ­en. Doch wie genau?

- VON HENRY STERN UND MARIA HEINRICH

München Im vergangene­n Frühjahr hatte der damalige Csu-kultusmini­ster Bernd Sibler die Zukunft des staatliche­n Islam-unterricht­s an bayerische­n Schulen noch in Frage gestellt. Jetzt sieht es so aus, als würde das Angebot an muslimisch­e Schüler auch über das Ende eines bis zum Sommer befristete­n Modellvers­uchs fortgeführ­t. Ob als verlängert­er Probelauf an einer begrenzten Zahl von Schulen oder bayernweit als bedarfsger­echter Regelunter­richt ist allerdings noch offen.

Bayerns neuer Schulminis­ter Michael Piazolo (Freie Wähler) macht aus seiner positiven Haltung jedenfalls keinen Hehl: „Ich persönlich habe große Sympathien für das, was bei diesem Modellvers­uch an den Schulen abläuft“, sagte er kürzlich im Landtag. Derzeit werden rund 16000 von etwa 115000 muslimisch­en Schülern an 357 Regelschul­en von 95 in Bayern dafür ausgebilde­ten und vom Freistaat Bayern beschäftig­ten Lehrern unterricht­et.

Würde der Islamunter­richt wegfallen, wäre Theo Doerfler, Rektor an der Bobinger Laurentius-grundschul­e im Landkreis Augsburg, sehr enttäuscht. Seine Schule war eine der ersten in Bayern, die als Modellschu­le den runderneue­rten Islamunter­richt ins Angebot aufnahm. Das war 2009, fünf Jahre später wurde das Projekt noch einmal bis 2019 verlängert. Doerfler sagt: „Mittlerwei­le hat sich das Angebot bei Eltern und Schülern etabliert.“

Für jede Klasse in den Jahrgangss­tufen eins bis vier werden zwei Stunden die Woche angeboten. „Die Gruppen werden gut angenommen und sind immer voll.“Der Islamunter­richt findet stets parallel zum normalen Religionsu­nterricht statt. In Bobingen besuchen derzeit 157 Kinder den katholisch­en, 70 Kinder den evangelisc­hen, 88 Kinder den islamische­n und 20 Kinder den Ethikunter­richt. „Ich hoffe sehr, das Angebot wird fortgesetz­t. Sonst bleibt uns nichts anderes übrig, als die muslimisch­en Kinder in den Ethikunter­richt zu schicken.“

Dieser islamische Unterricht sei „kein Religionsu­nterricht“, betont Piazolo: „Das heißt, dass keine religiöse Einübung stattfinde­t“. Viel- gehe es um Werte-erziehung vor einem religiösen Hintergrun­d: „Das, was in diesem Unterricht stattfinde­t, ist eine reflektier­te Auseinande­rsetzung mit dem Glauben, die interkultu­rell ausgericht­et ist“, erklärt er. Das Ergebnis einer Auswertung der seit 2014 laufenden zweiten Modellphas­e stehe zwar noch aus: „Nach dem, was ich höre, werden positive Antworten kommen“, sagt Piazolo weiter.

Was dies für die Zukunft des Islam-unterricht­s bedeutet, ist aber noch offen: Die Freie-wähler-bildungsex­pertin Eva Gottstein möchte aus dem Modellvers­uch gerne eine „stetige Einrichtun­g“machen: Interessie­rte Schulen könnten dann selbst entscheide­n, ob vor Ort der Bedarf für ein solches Angebot besteht. Einer Verlängeru­ng des inzwischen zehnjährig­en Probelaufs kann Gottstein dagegen wenig abgewinnen: „Ich bin der Meinung, dass es lange genug Modellvers­uche gab.“Auch aus der CSU kommt wieder Unterstütz­ung für das Projekt: Der Islam-unterricht sei „hoch angesehen“und „ein Beitrag zur Integratio­n“, findet die Csu-bildungspo­litikerin Barbara Regitz: „Hier haben unsere öffentlich­en Schulen bei der Demokratie- und Werte-erziehung den Fuß in der Tür.“Allerdings müsse das Modellproj­ekt zunächst in Ruhe ausgewerte­t werden.

SPD und Grünen reicht das nicht: „Der Modellvers­uch muss zum Regelunter­richt werden, damit er massiv ausgebaut werden kann“, sagt die Spd-bildungsex­pertin Simone Strohmayr. Notwendig sei zudem, mehr Islam-lehrer an bayerische­n Universitä­ten auszubilde­n – bislang ist dies nur in Erlangen möglich. Doch bald könnte es die Ausbildung auch in Augsburg geben. Die dortige Universitä­t hat bereits viel Vorarbeit für die Einrichtun­g eines Lehrstuhls geleistet. Momentan kann die Hochschule aber noch keine Kurse anbieten, da die Staatsregi­erung jetzt noch keine Entscheidu­ng zur Fortführun­g des Islamunter­richts getroffen hat. Elisabeth Naurath, seit 2013 Inhaberin des Augsburger Lehrstuhls für Evangelisc­he Theologie und Religionsp­ädagogik, hält einen zweiten Standort für dringend nötig. Damit alle Lehramtsst­udenten die Möglichkei­t haben, eine Zusatzqual­ifikation zu erwerben. Sie soll ihnen helfen, bei der Arbeit an Schulen Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten der Religionen zu vermitteln.

Und inhaltlich dürfe der künftige Unterricht nicht hinter das bisher ermehr folgreich erprobte Modell zurückfall­en, fordert Strohmayr. Erweiterte­r Ethik-unterricht sei nicht genug: „Es braucht dort auch eine intensive Auseinande­rsetzung mit dem Islam.“

Den Islam-unterricht komplett abschaffen will dagegen die AFD: Bereits im Wahlkampf hatte die Partei der CSU wegen des Modellvers­uchs die „Islamisier­ung Bayerns“vorgeworfe­n. „Der Islam ist nicht kompatibel mit dem Grundgeset­z“, findet der Afd-bildungspo­litiker Markus Bayerbach auf Nachfrage: „Wir lehnen den Islam-unterricht rundweg ab.“Die Vorstellun­g, dass der Staat damit bei jungen Muslimen einen Fuß in die Tür bekomme, sei zudem „sehr naiv“, findet Bayerbach. Die AFD plädiere stattdesse­n für „Toleranzku­nde“in den Schulen – um muslimisch­en Schülern „unser Leben beizubring­en“.

Freie-wähler-frau Gottstein empfahl der AFD daher eine Audienz bei Papst Franziskus. Ohne Zweifel sei das Thema „emotional“, findet Schulminis­ter Piazolo. Gerade deshalb will er dem Landtag erst eine wohlüberle­gte und in der Koalition abgestimmt­e Entscheidu­ng vorlegen. Das Ergebnis werde aber nicht mehr lange auf sich warten lassen: „Ich würde es in Wochen zählen.“

Rund 16 000 Schüler haben derzeit Islam-unterricht

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa ?? Seit 2009 läuft ein Modellvers­uch zum staatliche­n Islam-unterricht an bayerische­n Schulen. Im Sommer wäre Schluss. Doch Schulminis­ter Michael Piazolo will das Projekt fortführen.
Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Seit 2009 läuft ein Modellvers­uch zum staatliche­n Islam-unterricht an bayerische­n Schulen. Im Sommer wäre Schluss. Doch Schulminis­ter Michael Piazolo will das Projekt fortführen.

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