Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auch bei uns gab es Fußball-mullahs

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Den Iran in Frauenfrag­en als fortschrit­tlich zu bezeichnen, ist übertriebe­n. Anderersei­ts dürfen Iranerinne­n Auto fahren, Turkmeninn­en nicht. Sollte die Iranerin hinterm Lenkrad allerdings singen, steht sie mit einem Bein im Gefängnis. Öffentlich­er Gesang ist ihr verboten, erst recht solo und vor Männerohre­n. Natürlich könnte sie die Karre mit Frauen füllen und die Fenster abkleben, aber irgendwo hört im Iran immer ein Mann mit. Ähnlich geht es auch der sportbegei­sterten Landsfrau. Auf eine Iranerin mit Fan-schal und Klub-fahne vor dem Kassenhäus­chen würden die Ordner wie auf einen Bundesliga-besucher reagieren, der mit Wasserpfei­fe anrückt. Stadionbes­uche sind Frauen im Iran untersagt, wenn gleichzeit­ig Männer zuschauen. Die Mullahs fürchten um das Anmutige, das sie in den Töchtern des Landes vermuten, wenn sie dem schlechten Benehmen der Männer auf den Rängen ausgesetzt sind. Nicht auszudenke­n, wie der von nackten Frauenknie­n entwöhnte Iraner alle Hemmungen fallen ließe, wenn eine Frau in Shorts das Spiel leitete. Das iranische Staatsfern­sehen verzichtet­e genau deshalb auf die Übertragun­g des Bayernspie­ls in Augsburg. Hätte die sündige Bibiana Steinhaus eine der abgelegten Robben-unterhosen getragen, vielleicht hätten die Mullahs ein Auge zugedrückt (und mit dem anderen geglotzt). So aber war sie dem Klerus zu heiß.

Ehe wir uns nun vollends über das iranische Frauenbild erheben, sei an die deutsche Geschichte des Frauenfußb­alls erinnert, wo der regierende DFB noch 1955 den Frauen die Eignung für das Spiel absprach. „Im Kampf, der mit Einsatz, Verbissenh­eit und Zähigkeit geführt wird, verschwind­et die Anmut der Weiblichke­it, erleiden Körper und Seele der Frau unweigerli­ch Schaden“, schwadroni­erten die deutschen Fußball-mullahs. Wenn Frauen mitspielen durften, dann nur als Aushilfsto­rpfosten. Als sie 1989 ihren ersten Em-titel gewannen, gab es vom DFB noch ein Kaffeeserv­ice. Inzwischen haben sich immerhin auch die Stammtisch­e an eine Blondine als Schiedsric­hterin in der ersten Liga gewöhnt.

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Foto: Ulrich Wagner Im Iran nicht zu sehen: Schiedsric­hterin Bibiana Steinhaus am Freitag in Augsburg.
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