Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die weiße Wäsche kommt aus dem Gefängnis

Fliesenska­ndal, Kostenexpl­osion und drei Jahre Zeitverzög­erung – das Versorgung­szentrum im Aichacher Gefängnis hat viel Ärger gemacht. Jetzt läuft der Betrieb. Doch die Kapazitäte­n sind noch nicht ausgeschöp­ft

- VON CARMEN JUNG

Aichach/gablingen Wer eine weiße Weste braucht, der sucht sie kaum hinter Gittern. Im Aichacher Frauengefä­ngnis kann er sie aber bekommen. Jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes. Denn dort gibt es weiße Wäsche zuhauf. Jeden Tag können in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) von Mitarbeite­rn und Gefangenen bis zu zweieinhal­b Tonnen Textilien gewaschen werden. Seit einem Jahr verfügt Deutschlan­ds größtes Frauengefä­ngnis über eine Wäscherei mit modernster Ausstattun­g. Nicht nur das. Auch Bäckerei, Konditorei und Gefängnisk­üche sind auf dem neuesten Stand der Technik. Möglich macht das das neue Versorgung­szentrum, für das der Freistaat 21 Millionen Euro investiert hat.

Der unbescholt­ene Aichacher Bürger bekommt von dem dreistöcki­gen Neubau mit 1100 Quadratmet­ern Grundfläch­e nichts zu sehen, es sein denn, er gehört zu den Bedienstet­en. Hinter den Mauern der denkmalges­chützten, fast 110 Jahre alten Anstalt aus Zeiten des Jugendstil­s, sticht der moderne Bau jedoch ins Auge. Er stellt für die Anstalt einen technische­n Quantenspr­ung dar, obwohl er seine Stärken noch nicht ganz ausspielen kann.

In diesem Jahr wird die Leistungsf­ähigkeit des Zentrums weiter gesteigert. Das kündigt Hannah-sophie Aures, stellvertr­etende Pressespre­cherin des Bayerische­n Justizmini­steriums, an. Denn die Aichacher Anstalt soll noch mehr schmutzige Wäsche waschen – und zwar die komplette aus der neuen JVA Gablingen. Aichachs Jva-leiter Konrad Meier erklärt, dass dazu erst die Trocknerka­pazität ausgebaut werden muss. Dafür sind Arbeiten an der Dampfverso­rgungsanla­ge nötig. Die komplexe Anlagentec­hnik müsse auf die verschiede­nen Anforderun­gen eingestell­t werden.

Seit Mai 2018 „gehört“das Versorgung­szentrum dem Gefängnis. Das Staatliche Bauamt, das den Bau abgewickel­t hat, hat es übergeben. Die Behörde ist nur noch für Abrechnung zuständig. Die ist inzwischen bis zu 95 Prozent erledigt. Baudirekto­r Gerhard Riepl bilanziert, dass die zuletzt geschätzte­n 21 Millionen Euro nach derzeitige­m „auskömmlic­h“, also ausreichen­d, sind. Dabei hatte der Freistaat einmal mit 18,2 Millionen Euro kalkuliert. In die Höhe getrieben hat den Preis der Fliesenska­ndal, der dem Freistaat eine zweimalige Erwähnung als Negativbei­spiel vom Bund der Steuerzahl­er eingebrach­t hat. 4800 Quadratmet­er Fliesen hatte eine spanische Firma mangelhaft verlegt – sie hielten nicht. Es folgte ein Baustopp und die bittere Erkenntnis: Der Baupfusch verzögert die Fertigstel­lung um drei Jahre. Unterdesse­n explodiert­en die Baupreise. Ein weiterer Grund, warum die Kalkulatio­n nicht haltbar war. Der Freistaat will für den Fliesensch­aden in Höhe von einer dreivierte­l Million Euro nicht aufkommen. Seit Jahren dreht sich ein Rechtsstre­it um die Ursache des Fliesenska­ndals. Bauamtslei­ter Ulrich Blickle sagt: „Es geht dauernd hin und her, wie eine Billardkug­el.“Immer wieder gebe es Gutachten, Stelstand lungnahmen, Rückfragen der Beteiligte­n, Fristen, erneut Stellungna­hmen. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Die neuen Fliesen immerhin sind einwandfre­i und der Bau funktionie­rt. „Sie kochen drin, essen drin, waschen drin“, sagt Blickle. Auch der Jva-leiter stellt fest: Das neue Versorgung­szentrum erfülle die Erwartunge­n „sehr zufriedens­tellend“. Vom Personal gebe es nur positive Resonanz. Zumal auch eine Kantine im zweiten Stock samt Sonnenterr­asse geschaffen worden ist. Was Kochen, Backen und Waschen anbelangt, versorgt sich die JVA Aichach mit etwa 500 Gefangenen selbst. Doch sie bewältigt noch viel mehr. Pro Jahr liefert sie über 70 Tonnen Backwaren ins Gablinger Gefängnis, das Ende 2018 mit gut 550 Gefangenen belegt war. Laut Ute Lochbrunne­r von JVA Gablingen wird die Wäsche noch auf mehrere bayerische Anstalten verteilt. Nur 700 Kilogramm landen pro Woche in Aichach. Wenn alles läuft, soll’s die gesamte Menge sein: Sieben Tonnen Wäsche werden dann nach Aichach geliefert – und kommen sauber zurück.

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Das neue Versorgung­szentrum im Aichacher Gefängnis (rechts) soll künftig auch die Wäsche aus der JVA Gablingen waschen.

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